„Kaviar-Diplomatie“: Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine höchst unappetitliche Affäre. Jahrelang soll das autoritär regierte Aserbaidschan europäische Politiker bestochen haben. Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft in München nach langwierigen Ermittlungen Anklage erhoben. Sie richtet sich unter anderem gegen zwei frühere Bundestagsabgeordnete. In dem Fall geht es um Millionen und einen plötzlichen Tod im Flugzeug.
Eine zentrale Rolle kommt nach den Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft dem früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner (1976 bis 2009) zu. Der heute 79-Jährige habe sich von Aserbaidschan als Lobbyist gewinnen lassen, um Entscheidungen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zugunsten Aserbaidschans zu lenken. Lintner soll bis 2016 über insgesamt 19 ausländische Briefkastenfirmen mehrere Millionen Euro erhalten haben, so der Vorwurf.
Schmiergeld: CSU-Politiker aus Unterfranken soll zentrale Rolle gespielt haben
Zum Europarat, der seinen Sitz in Straßburg hat, gehören 46 Staaten. Ziel der Organisation ist die Förderung der Demokratie sowie der Schutz der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Europa, ihre parlamentarische Versammlung besteht aus Abgeordneten, die von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten ernannt werden. Erst in der vergangenen Woche wurden Aserbaidschans Abgeordnete aus dem Gremium ausgeschlossen, weil Wahlbeobachtern der Zugang zu den Präsidentschaftswahlen im Februar verweigert werde. In dem rohstoffreichen Staat (Gas) werden Opposition und unabhängige Medien unterdrückt, die Menschenrechtslage gilt als schwierig.
Für die Unterstützung dieses Regimes soll Lintner nach den Erkenntnissen der Ermittler die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz gewonnen haben, die für ihre Fürsprache zwischen 2014 und 2017 knapp 150.000 Euro erhielt. Ebenso mit von der Partie gewesen sein soll der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete (bis 2021) Axel Fischer. Er soll Strenz gefördert haben. Zudem bekam er laut Generalstaatsanwaltschaft Geld für positive Redebeiträge und die Übermittlung vertraulicher Dokumente.
Strafrechtlich relevant sind erst Vorgänge ab 1. September 2014, weil erst seit diesem Tag eine entsprechende gesetzliche Regelung gilt. Ob die Anklage, die sich gegen insgesamt vier Beschuldigte richtet, in einer Gerichtsverhandlung mündet, hängt vom Oberlandesgericht in München ab. Es muss die Anklage zum Hauptverfahren zulassen. Bislang hätten die Beschuldigten die Vorwürfe bestritten oder sich nicht geäußert, so ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber unserer Redaktion.
Das sagt der beschuldigte CSU-Politiker Eduard Lintner
In einer Stellungnahme, die unserer Redaktion vorliegt, bezeichnet der frühere Bad Kissinger Abgeordnete und Staatssekretär Lintner die Vorwürfe als „sachlich nicht berechtigt“. Strenz, Fischer und ihm sei es darum gegangen, für die vom Völkerrecht gedeckten Belange Aserbeidschans in Bezug auf Bergkarabach einzutreten. Sie hätten sich „deshalb auch schon ohne finanzielle Unterstützung in diesem Sinne eingesetzt“. Ziel sei gewesen, „überall dort im Sinne von Aserbaidschan Einfluss zu nehmen, wo in Erklärungen, Resolutionen und Entschließungen von staatlichen oder Parteigremien versucht wurde, Bergkarabach völkerrechtlich als Teil Armeniens darzustellen.“ Lintner räumt ein, dass in Zusammenhang damit „regelmäßige monatliche und zusätzlich anlassbezogene finanzielle Zuwendungen ermöglicht werden sollten“.
Der Anklage vorausgegangen waren langwierige Ermittlungen von Generalstaatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt, die sich in mehrere europäische Länder erstreckten. Darunter waren die Schweiz, Belgien, Zypern und die Türkei. Allein in Deutschland durchsuchten die Fahnder 20 Wohnungen und Büros (darunter auch die von Abgeordneten im Bundestag). Am Ende füllten die Ermittlungen 46 Aktenordner, die Anklageschrift ist 160 Seiten dick.
Abgeordnete bricht im Flugzeug zusammen und stirbt
In das Verfahren verwickelt ist auch der Witwer der früheren Abgeordneten Strenz. Er soll als Erbe die knapp 150.000 Euro zurückzahlen, die seine Frau angeblich als Bestechungssumme erhalten hat. Sie selbst kann dazu nichts mehr sagen. Die Politikerin aus Mecklenburg-Vorpommern kollabierte im März vor drei Jahren an Bord eines Flugzeuges, das auf dem Rückweg von Kuba war. Die Maschine musste in Irland notlanden. Dort starb Strenz im Alter von 53 Jahren. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Schwerin gab es keine Hinweise für ein Fremdverschulden.