Am Ende wurde der Druck auf Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn zu groß: Nachdem ihm weite Teile der Landtagsfraktion in einer Kampfabstimmung das Vertrauen entzogen haben, will der 55-Jährige nicht mehr für das Amt als Fraktionschef kandidieren.
«Es ist das demokratische Recht der Fraktion, so zu entscheiden. Das akzeptiere ich selbstverständlich. Das braucht man überhaupt nicht in Zweifel ziehen», sagte von Brunn am Nachmittag in einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz in München. Ob er auch seinen Posten als SPD-Landesvorsitzender aufgibt, habe er noch nicht entschieden. Bis zur Entscheidung solle es aber keine wochenlange Hängepartie geben.
Auf Wunsch der Fraktionsmehrheit soll bereits am kommenden Dienstag die Neuwahl des Fraktionsvorstandes anstehen. Von Brunn geht davon aus, dass dabei auch die Posten der Stellvertreter und des Parlamentarischen Geschäftsführers neu vergeben werden. Offiziell ist dies aber bisher nicht.
Eine folgenschwere Kampfabstimmung
Am Mittwoch hatte es in der Sitzung der Landtagsfraktion eine folgenschwere Kampfabstimmung gegeben. Dabei hatten sich nur vier Abgeordnete hinter den Fraktionschef gestellt, elf Abgeordnete stimmten gegen den Münchner und entzogen ihm somit klar das Vertrauen. Zwei SPD-Abgeordnete enthielten sich.
«Das ist auch für mich ein klares Signal», sagte von Brunn zu der Abstimmung. Wer ihn als Fraktionschef beerben könnte, war zunächst noch offen. Der bisherige Fraktionsvize Holger Grießhammer kündigte aber bereits an, kandidieren zu wollen, wie er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern sagte. Er werde alles dafür tun, «dass die Bayern-SPD wieder zweistellig wird», sagte er. Das Amt des SPD-Landeschefs strebe er aber nicht an.
Grießhammer ist Maler- und Lackierermeister und war erst im vergangenen Jahr in den Landtag eingezogen. Der SPD gehört der Oberfranke bereits seit 2000 an, von 2008 bis 2020 war er zweiter Bürgermeister der Stadt Weißenstadt.
Hintergrund: Streit um Überstunden eines Mitarbeiters
Von Brunn zufolge war ein fraktionsinterner Streit um einen leitenden Fraktionsmitarbeiter entbrannt. Nach BR-Informationen soll sich der Mann gegen die Regeln selbst mehrere 10.000 Euro für Überstunden ausgezahlt haben. Als die Fraktionsspitze arbeitsrechtliche Schritte gegen den Mitarbeiter einleiten wollte, stellten sich die Abgeordneten hinter diesen - und votierten schließlich gegen von Brunn.
Von Brunn appellierte an den künftigen Fraktionsvorstand, den Vorgang dennoch «komplett und transparent» im Sinne der Partei aufzuklären - dazu gehörten für ihn sowohl die notwendigen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Schlussfolgerungen als auch eine Prüfung durch den Rechnungshof. Die SPD könne nur stabil und nachhaltig Politik machen, wenn solche Vorwürfe nicht im Raum stünden.
Halbleib wirft von Brunn unverantwortliches Ablenkungsmanöver vor
Der SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib wies die Darstellung vehement zurück: Von Brunn wolle mit seiner Aussage nur davon ablenken, dass es einen tiefgreifenden Vertrauensverlust in der Fraktion gegenüber seiner Person gebe. Der Fraktionsvorstand habe den Vorwurf bereits in einer siebenstündigen Sitzung in Anwesenheit von von Brunn abschließend geklärt und festgestellt, dass kein Grund für arbeitsrechtliche Maßnahmen bestünden.
Halbleib weiter: «Dass Florian von Brunn trotz der entgegenstehenden klaren einstimmigen Beschlussfassung nach wie vor den Eindruck zu erwecken versucht, als wären die Vorgänge nicht aufgeklärt, ist wahrheitswidrig und unverantwortlich.» Dies sei eine weitere Bestätigung dafür, dass ein Neuanfang an der Spitze der Fraktion «politisch und menschlich dringend erforderlich ist».
In der SPD hatten viele auch mit von Brunns Rückzug vom Landesvorsitz gerechnet, ausgeschlossen ist der auch nicht. «Ich möchte jetzt einfach abwarten, wie das sich entwickelt.» Er werde sich die Situation in Ruhe anschauen und dann eine Entscheidung treffen.
Personaldiskussionen bereits seit Landtagswahl
Auf Nachfrage erklärte er, dass aus seiner Sicht «absolut sinnvoll ist», wenn Fraktion und Partei von einer Person geführt würden. Von Brunn selbst hatte sich den Landesvorsitz seit 2021 mit Ronja Endres als Doppelspitze geteilt.
Über von Brunns politische Zukunft als Landes- und Fraktionschef war bereits seit der erneuten schweren Pleite der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst viel spekuliert worden. Mit gerade einmal 8,4 Prozent fuhr die SPD mit ihm als Spitzenkandidat ein historisch schlechtes Ergebnis ein - noch schlechter als 2018 (9,7 Prozent).
In der Folge hatte von Brunn sich aber trotz aller Kritik auch an ihm persönlich in seinen Ämtern halten können. Auch bei der Europawahl Anfang Juni musste die SPD in Bayern mit 8,9 Prozent eine schmerzhafte Pleite verkraften.
Ungeachtet der schweren Krise, in der die bayerische SPD seit vielen Jahren steckt, kommt der Zeitpunkt der internen Revolte durchaus überraschend. Aus der Fraktion heißt es, dass das Verhältnis der Abgeordneten zu von Brunn immer schlechter geworden sei.
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