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Abschiebedrama um 16-jährige Irakerin in Asbach-Bäumenheim: "Wie Kriminelle gefühlt"

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"Haben uns wie Kriminelle gefühlt": Abschiebedrama um 16-jährige Irakerin

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    Laven, ihre Eltern und Geschwister saßen schon im Abschiebeflugzeug. Dann brach die Mutter zusammen.
    Laven, ihre Eltern und Geschwister saßen schon im Abschiebeflugzeug. Dann brach die Mutter zusammen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Als mitten in der Nacht die Polizei vor der Tür steht, weiß Laven Tawfic nicht, was da gerade passiert. "Wir haben uns wie Kriminelle gefühlt", sagt die 16-Jährige. Mehrere Polizeiautos seien vorgefahren, die Stimmung sei aufgeladen gewesen. Schnell wird der Schülerin in der Nacht auf Donnerstag klar, worum es wirklich geht: Sie, ihre Eltern und ihre Geschwister sollen in den Irak abgeschoben werden. 

    2020 kommt Laven, über die unsere Redaktion schon mehrfach berichtet hat, nach Deutschland. In Asbach-Bäumenheim (Kreis Donau-Ries) besucht sie die Mittelschule, ist sogar Schülersprecherin, bekommt eine Zusage für einen Ausbildungsplatz in einer Zahnarztpraxis. Doch im vergangenen Herbst wird ihr und den anderen Familienmitgliedern die Duldung entzogen. Ein harter Schlag nach ohnehin schwierigen Monaten: Einer von Lavens Brüdern ist schwer krank, ihm wurde ein Tumor hinter dem Auge entfernt, es stehen noch weitere Bestrahlungen an, zudem wurde bei ihm Autismus diagnostiziert. 

    Lavens Bruder wurde ein Tumor hinter dem Auge entfernt. Neben ihm zu sehen: sein Vater.
    Lavens Bruder wurde ein Tumor hinter dem Auge entfernt. Neben ihm zu sehen: sein Vater. Foto: Familie Tawfic

    Die Mutter brach im Abschiebeflugzeug zusammen

    Dass eine Abschiebung droht, war Laven und ihrer Familie klar – dass sie aber in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ihre Wohnung verlassen müssen und zum Flughafen gebracht werden, damit hätten sie nicht gerechnet, erzählt Laven am Telefon – allerdings ruft sie nicht aus dem Irak an, sondern aus ihrer Wohnung in Asbach-Bäumenheim. "Wir wurden ins Flugzeug gebracht. Meine Mama musste sich übergeben und ist dann zusammengebrochen", erzählt die 16-Jährige. Der autistische Bruder habe zudem geschrien, sei nicht zu beruhigen gewesen. Der Kapitän habe dann entschieden, dass er die Familie so nicht mitnehmen würde. 

    Laven wollte in Deutschland ihren Schulabschluss machen.
    Laven wollte in Deutschland ihren Schulabschluss machen. Foto: Laven Tawfic

    Beim Bayerischen Flüchtlingsrat blickt man besorgt auf die zunehmende Zahl an Abschiebungen in den Irak. Seit Mitte 2023 gebe es keine Einschränkungen mehr, nicht nur Straftäter, sondern alle Personengruppen, auch Frauen, Kinder oder Kranke, könnten seither abgeschoben werden. Betroffen sind auch Jesidinnen und Jesiden – und das, obwohl der Bundestag erst im vergangenen Jahr die Gräueltaten an der Minderheit durch den IS als Völkermord anerkannt hatte. "Während einige Bundesländer wie NRW oder Thüringen zumindest einen temporären Abschiebestopp für jesidische Frauen und Mädchen erlassen haben, schiebt Bayern mit besonderer Härte ab", teilt der bayerische Flüchtlingsrat mit. Vor allem die Zentralen Ausländerbehörden in Schwaben und Oberfranken sowie das Landratsamt Landshut "fallen sehr negativ auf", heißt es weiter.

    Auch eine Arbeitsstelle schützt nicht vor einer Abschiebung

    Die bayerische Abschiebepraxis betreffe aber längst nicht nur Jesidinnen und Jesiden. In Bayern leben dem Flüchtlingsrat zufolge rund 5000 Geduldete mit irakischer Staatsangehörigkeit, viele von ihnen haben eine Arbeit. "Doch seit einigen Monaten entziehen Ausländerbehörden im großen Stil Arbeitserlaubnisse. Auch Personen, die erfolgreich zur Schule gehen oder eine Ausbildungszusage haben, sind bedroht."

    So wie Laven, die eigentlich hier ihren Schulabschluss machen wollte. Das bayerische Innenministerium hatte vor Kurzem gegenüber unserer Redaktion deutlich gemacht, dass die Gründe, die für einen Verbleib sprechen würden, von der Ausländerbehörde umfassend geprüft worden seien. Aber auch das Verwaltungsgericht Augsburg sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung und folglich auch nicht auf Erteilung eines Aufenthaltsrechts besteht". Es sei nach Ansicht des Gerichts auch kein Argument "nur um des Schulabschlusses einer Minderjährigen willen, dass eine siebenköpfige, bislang vollständig von Sozialhilfe abhängige, ausreisepflichtige Familie langfristig im Bundesgebiet bleiben könne". 

    Laven blickt in eine ungewisse Zukunft. "Uns geht es sehr schlecht", sagt sie. "Wir warten jetzt darauf, dass die Polizisten wiederkommen und uns zum Flughafen bringen." 

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