Historiker sprechen von einem bayernweit bedeutsamen Fund. In Aichach ist ein Film aus dem Frühjahr 1938 über den damaligen Kreisparteitag der NSDAP in der Stadt aufgetaucht.
Laut Christoph Lang, Leiter des Aichacher Stadtarchivs und -museums, war der Ablauf der fünftägigen Veranstaltung idealtypisch für ganz Bayern. Mit einem Unterschied: Zu keinem anderen Parteitag gebe es bekannte Filmaufzeichnungen.
Auch deshalb hat das Haus der Bayerischen Geschichte Interesse angemeldet. Es will Teile der Aufnahmen im neuen Museum der Bayerischen Geschichte zeigen, das 2018 in Regensburg eröffnet werden soll. Ein Aichacher Lehrer, Leiter der Bezirksbildstelle, drehte den 25 Minuten langen Film. Ein Drittel davon ist in Farbe. Es sind die ersten Farbfilmaufnahmen von Aichach.
Der Propaganda-Film soll für den Schulunterricht aufbereitet werden
Um die drei Filmrollen zu digitalisieren, wurde am Medienlabor der Uni Jena jedes einzelne Bild eingescannt. Aufgrund der historischen Bedeutung geschah das kostenlos. Die Uni Augsburg, an der bereits eine Masterarbeit zu dem Film entstanden ist, will ihn weiter wissenschaftlich auswerten. Sie hat vor allem die Aufbereitung für den Schulunterricht im Blick.
Auch in Aichach ist Stadt und Stadtmuseum an einem sensiblen Umgang mit dem historischen Fund gelegen. An diesem Montag wird der Film öffentlich gezeigt. Wissenschaftler der Uni Augsburg sowie Christoph Lang vom Stadtmuseum ordnen ihn ab 20 Uhr im Pfarrzentrum ausführlich in den historischen Kontext ein.
Der Film offenbart eine Mischung aus Propaganda, Volksfest, Sportwettkämpfen und Umzügen. In Langs Augen wollte die Partei mit einem „breitenwirksamen Programm“ die Landbevölkerung begeistern, die für sie schwer erreichbar war. Insbesondere im damaligen Bezirk Aichach.
In Aichach hatte die NSDAP kaum Stimmen, 1938 war das anders
Lang zufolge war Aichach von 1919 bis 1933 eines der Bezirksämter mit dem geringsten Anteil an NSDAP-Stimmen: „Die Leute wählten schwarz.“ Die Bayerische Volkspartei (BVP) holte hier im selben Zeitraum bei allen Wahlen ihre landesweit besten Ergebnisse.
Fünf Jahre später aber hatte der Nationalsozialismus auch hier viele Anhänger gefunden. In dem Film über den NSDAP-Kreisparteitag sind die örtlichen Kreisleiter zu sehen, wie sie unter dem Jubel der Menge mit Hitlergruß durch die mit Hakenkreuzfahnen dekorierte Innenstadt marschieren. Die Veranstaltung hatte paramilitärischen Charakter. Ein Nachmittag stand im Zeichen des Wehrsports. Aichachs Stadtarchivar sagt: „Man sieht, dass das Dritte Reich massiv auf den Zweiten Weltkrieg hinarbeitet.“
Der Aichacher Film hat Leni Riefenstahls Propagandafilme zum Vorbild
Kreisparteitage seien „Reichsparteitage im Kleinen“ gewesen. Der Film aus Aichach orientiert sich klar an der Ästhetik der Propagandafilme Leni Riefenstahls. Im September 1938 war er erstmals zu sehen. Dass die Filmrollen noch existierten, war öffentlich nicht bekannt. Bis die Familie des Filmers sie 2014 dem Stadtmuseum gab.
Jetzt, da das Material gesichtet und digitalisiert wurde, geht die Stadt an die Öffentlichkeit. Bürgermeister Klaus Habermann (SPD) ist der Überzeugung: „Es macht Geschichte nicht besser, indem man etwas verschweigt.“ Indem der Film gezeigt und historisch eingeordnet werde, wolle die Stadt vor Gefahren des Rechtspopulismus warnen.