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Würzburg: Prozess gegen Autobahnschützen wird neu aufgerollt

Würzburg

Prozess gegen Autobahnschützen wird neu aufgerollt

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    Der wegen versuchten Mordes angeklagte Fernfahrer Michael K. (M) sitzt im Würzburger Landgericht zwischen seinen Anwälten.
    Der wegen versuchten Mordes angeklagte Fernfahrer Michael K. (M) sitzt im Würzburger Landgericht zwischen seinen Anwälten. Foto: Daniel Karmann/Archiv (dpa)

    Vor mehr als einem Jahr ist der sogenannte Autobahnschütze für seine gefährlichen und jahrelangen Schüsse auf Lastwagen zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Nun könnte sich seine Gefängnisstrafe verringern - wenn auch nur leicht. Im neu aufgerollten Prozess gegen den 59 Jahre alten Fernfahrer aus der Eifel verhandelt das Gericht seit Dienstag über eine neue Strafe. Die Verteidigung strebt eine neue Haftstrafe von weniger als zehn Jahren an, die Staatsanwaltschaft lehnte das in einem Vorgespräch aller Parteien allerdings ab. Nun liegt die Entscheidung beim

    Der Fernfahrer hatte zwischen 2008 und 2013 aus Frust im Straßenverkehr mehr als 700 Schüsse abgegeben. Er fühlte sich nach mehreren Überfällen auf ihn und zerschlitzen Lkw-Planen nicht mehr sicher. Für ihn herrschte auf deutschen Autobahnen Krieg, deshalb griff er aus Rache selbst zur Waffe.

    Die Polizei fahndete jahrelang erfolglos nach dem Autobahnschützen. Erst dank der Erfassung, Speicherung und Auswertung von Millionen Autokennzeichen kamen sie dem Mann auf die Spur und konnten ihn schließlich festnehmen. Der Angeklagte sitzt seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft in Würzburg. Er war unter anderem wegen vierfachen versuchten Mordes verurteilt worden, weil auch Menschen durch Querschläger verletzt worden waren.

    Autobahnschütze sagt beim neuen Prozess unter Tränen aus

    Der Fall musste neu aufgerollt werden, weil der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil zum Teil kassierte. "Der BGH hat das Urteil vom Oktober 2014 in weiten Teilen bestätigt, nur einer der Schuldsprüche wurde aufgehoben", sagte der Vorsitzende Richter am ersten Prozesstag. Diese betreffe die 108 Fälle wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Deshalb müsse über die Strafe neu verhandelt werden. "Wir unterhalten uns nicht mehr über Fragen der Zulässigkeit irgendwelcher Ermittlungen oder über die Taten, sondern nur über die Strafzumessung", stellte der

    Der Angeklagte mit den zwei goldenen Ohrringen im linken Ohr erzählte am Dienstag mit tränenerstickter Stimme von den vergangenen Monaten. So habe er seit der Inhaftierung gesundheitliche Probleme, bereits 35 Kilogramm abgenommen, während der Haft seine Mutter verloren und sein Vater sei mittlerweile pflegebedürftig.

    Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wird der Fernfahrer noch immer in Untersuchungshaft untergebracht. Damit hat er weniger Rechte als ein Gefangener im regulären Strafvollzug. "Wie soll ich eine Ehe führen ohne soziale Kontakte?", fragte er vor Gericht. "Da überlegt man manchmal, ob es überhaupt noch Sinn hat, das durchzustehen." Nur die Liebe zu seiner Frau bringe ihn dazu, durchzuhalten. Er bereue seine Taten. "Das ist nicht wieder gut zu machen."

    Die jahrelange Suche der Polizei nach dem Autobahnschützen

    Die Schüsse auf deutschen Autobahnen blieben über mehrere Jahre ein Rätsel, obwohl die Polizei mit großem Aufwand ermittelte. Eine Chronologie des Falls:

    Juli 2008 Der erste Beschuss eines Autotransporters wird festgestellt, bis Ende des Jahres werden neun Fälle bekannt.

    Anfang 2009 Die Fallzahlen steigen deutlich.

    August 2009 Das Bundeskriminalamt richtet die „AG Transporter“ ein, um die Polizeiarbeit zu koordinieren. Bislang sind 127 Fälle bekannt.

    10. November 2009 Auf der Autobahn 3 bei Würzburg schlägt eine Kugel durch die Fahrerscheibe des Autos einer Geschäftsfrau. Die 40-Jährige wird von Projektilsplittern in den Hals getroffen und lebensgefährlich verletzt. Bundesweit sind schon 248 Fälle bekannt. Ob es in allen Fällen einen Zusammenhang gibt, ist unklar.

    1. Februar 2010 Als zwei Männer mit ihrem Kleintransporter einen Autotransporter überholen wollen, trifft ein Schuss die Scheibe der Fahrertür. Das Projektil tritt durch das Beifahrerfenster wieder aus. Die Insassen erleiden Schnittverletzungen vom splitternden Glas.

    Juli 2011 Die Ermittler lassen an Tankstellen und Raststätten entlang der betroffenen Routen Fahndungsplakate anbringen und loben eine Belohnung in Höhe von 27 000 Euro aus.

    Juni 2012 Der Täter verwendet erstmals statt einer Kleinkaliberwaffe eine Pistole des gefährlicheren Kalibers neun Millimeter.

    Oktober 2012 Das BKA richtet die Sonderkommission „Transporter“ ein. Unter Federführung der Bundesbehörde ermitteln Polizisten aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

    20. November 2012 Mittlerweile sind mehr als 700 Fälle bekannt. BKA-Präsident Jörg Ziercke warnt in einer Pressekonferenz: „Wir müssen diese Tatserie stoppen, bevor Schlimmeres passiert.“ Die Belohnung wird auf 100 000 Euro erhöht.

    3. Dezember 2012 Die Ermittler beginnen, an sieben Autobahnabschnitten automatisch Kennzeichen zu erfassen und diese auszuwerten, wenn in der fraglichen Zeit Schüsse fallen.

    April 2013 Bei einer Serie von Schüssen ist klar, dass der Lastwagen des Täters binnen 18 Minuten eine Kamera passiert haben muss. Das führt die Beamten auf die Spur eines Fernfahrers aus der Eifel.

    23. Juni 2013 Polizisten nehmen den Tatverdächtigen in seinem Wohnort in der Eifel fest. Die Fahnder finden in einer Hecke zwei Waffen sowie mehrere 100 Schuss Munition. Der Mann gibt die Schüsse zu.

    11. August 2014 Unter großem öffentlichen Interesse beginnt am Landgericht Würzburg der Prozess gegen den 58-Jährigen. (dpa)

    Staatsanwalt und Verteidigung wollen am 12. Januar (9.00 Uhr) plädieren, dann wird auch das Urteil zum neuen Strafmaß erwartet.

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