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Würzburg: Gericht verringert Haft für Autobahnschützen um drei Monate

Würzburg

Gericht verringert Haft für Autobahnschützen um drei Monate

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    Das neue Straßmaß gegen den Autobahnschützen soll heute bekannt gegeben werden.
    Das neue Straßmaß gegen den Autobahnschützen soll heute bekannt gegeben werden. Foto: Daniel Karmann/Archiv (dpa)

    Das Landgericht Würzburg setzte die Haftstrafe des Ersturteils um drei Monate auf zehn Jahre und drei Monate herab. "Geschätzt 95 Prozent" des ersten Urteils seien bereits rechtskräftig - "wir hatten nur über Einzelfälle zu urteilen", sagte der Vorsitzende Richter am Dienstag in der Urteilsbegründung. 

    Der Fernfahrer aus der Eifel war im Oktober 2014 für die jahrelangen und wahllosen Schüsse auf Anhänger und Aufbauten von Lastwagen zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Dabei wurden auch Menschen verletzt. Weil der Angeklagte in Revision ging und der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil in Teilen aufhob, musste das Landgericht Würzburg neu verhandeln.

    Der 59 Jahre alte Angeklagte hatte von seiner Fahrerkabine aus während der Fahrt auf andere Lastwagen geschossen und dabei auch Menschen durch Querschläger verletzt. Mehr als 700 Schüsse soll er abgegeben haben. Als Grund dafür gab er Frust im Straßenverkehr an.

    Gemütlicher älterer Typ

    Der bullige Fernfahrer wirkte während der Verhandlung irritierend ungefährlich, als ihn zwei Polizisten in Handschellen in den Sitzungssaal bringen – ein gemütlicher älterer Typ in Sweatshirt und Jeans, mit Knopf im Ohr. Höflich gibt Michael K. – wie stets vor Gericht – zur Begrüßung selbst Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen die Hand. Er setzt sich, greift zur Brille und liest in einem Schriftstück.

    In solchen Momenten kann man sich schwer vorstellen, dass Michael K. über 700-mal auf Autos, Lkw oder Wohnwagen schoss – zunächst aus Wut, später des prickelnden Vergnügens wegen. Der Vorsitzende Richter Michael Schaller machte deutlich: Ein Großteil des Urteils einer anderen Strafkammer von 2014 ist rechtskräftig – gerade die Verurteilung wegen Schüssen auf Autofahrer, die als vier versuchte Morde gewertet worden waren.

    Es gehe nur noch um jene 108 Fälle, in denen Michael K. erkennbar nur auf Ladeflächen oder Ladung geschossen hatte. „Wenn Sie sich Ihren Fall als die Würzburger Residenz vorstellen, geht es jetzt nur noch um ein Durchgangszimmer“, machte der Vorsitzende dem Angeklagten mit einem Vergleich klar.

    Suche mit immendem Aufwand

    2008 bis 2013 suchte die Polizei mit immensem Aufwand nach dem Mann, der über 700-mal an Tatorten entlang der Fernstraßen auf andere Fahrzeuge schoss. K. bestritt aber jede Absicht, Menschen treffen zu wollen. Doch bei vier Schüssen gerieten Menschen in Lebensgefahr. Bei Würzburg entging eine Autofahrerin haarscharf dem Tod. Wäre ihr Auto in Höhe der Raststätte ins Schleudern geraten, als die Kugel sie im Nacken traf, hätte es zur Massenkarambolage kommen können – eine Möglichkeit, die der Lkw-Fahrer im Blick haben musste.

    Bedenken hatten die BGH-Richter wegen des Strafmaßes zu den Schüssen, mit denen K. nur Lkw-Ladung traf. Da wäre ein Abschlag von der Strafe fällig. Laut Gesetz läge das neue Strafmaß zwischen sechs Jahren und neun Monaten (bisher höchste Einzelstrafe) und zehn Jahren und sechs Monaten (bisherige Gesamtstrafe). In Vorgesprächen hatten die Verteidiger eine Haftstrafe von achteinhalb bis neun Jahren ins Gespräch gebracht – „das gibt Michael K. eine Perspektive“. Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen geht von einer „Korrektur im kosmetischen Bereich“ aus.

    Der Angeklagte wollte sich im Prozess nicht mehr äußern. Aber mit sanfter Entschlossenheit brachte ihn Richter Claus Barthel – der die Briefe von Michael K. aus der Haft kennt – dazu, sich zu öffnen und Fakten in den Prozess einzuführen, die sich strafmildernd auswirken könnten.

    Er zeigt Einsicht und Reue. „Ich bedaure sehr, was ich Ihnen angetan habe,“ schrieb er einem Opfer. „Ich kann es nicht wiedergutmachen.“ In den 31 Monaten Haft musste er den Tod seiner Mutter erleben – und die Sorgen um die Gesundheit des Vaters sowie um die finanziellen Folgen seiner Taten für seine Frau: Haus verloren, keine Arbeit, keine Einkünfte, die Aussicht auf Hartz IV, wenn er freikommt. „Die Liebe meiner Frau hält mich aufrecht“, sagt er schwer schluckend. Der Vorsitzende Michael Schaller betont später: „Das war echte Schuldeinsicht, keine gespielte für die Galerie.“ AZ/dpa

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