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Würzburg-Attentat: Der Täter von Würzburg war schon fünfmal in der Psychiatrie

Würzburg-Attentat

Der Täter von Würzburg war schon fünfmal in der Psychiatrie

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    Als gesichert gilt, dass der Mann sowohl die synthetische Droge Crystal Meth wie das Opioid Heroin nahm.
    Als gesichert gilt, dass der Mann sowohl die synthetische Droge Crystal Meth wie das Opioid Heroin nahm. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Der Täter, der am 25. Juni in Würzburg drei Menschen getötet und sieben Menschen verletzt hat, war weitaus häufiger Patient in der Psychiatrie als bislang bekannt. Fünf Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland sind bislang dokumentiert und nicht, wie bislang kommuniziert, zwei. Das geht aus den Arztbriefen des 24-jährigen Somaliers hervor.

    Professor Dominikus Bönsch, der das psychiatrische Bezirkskrankenhaus Lohr und das Zentrum für Seelische Gesundheit in Würzburg leitet, bestätigt dies. Recherchen unserer Redaktion zufolge diagnostizierten behandelnde Ärzte bei dem Mann über Jahre hinweg „drogeninduzierte Psychosen“ und „wahnhafte Störungen“. Als gesichert gilt, dass er regelmäßig und häufig Drogen nahm.

    Der Täter von Würzburg wurde mehrmals zwangsweise eingewiesen

    Was bislang nicht bekannt war: Ärztlichen Unterlagen zufolge begannen die psychiatrischen Episoden in Chemnitz, wo der Asylbewerber nach seiner Einreise nach Deutschland 2015 zunächst lebte. Im Jahr 2019 ist eine erste stationäre Behandlung in der sächsischen Stadt für 13 Tage belegt.

    Genauer dokumentiert ist die darauffolgende zweite psychiatrische Behandlung des Somaliers noch im selben Jahr – und zwar vom 13. bis 27. September 2019. Diese Behandlung erfolgte bereits in Würzburg, im erst 2017 eröffneten Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Haus. Das Zentrum soll mit seinen 60 vollstationären Betten und 24 Tagesklinikplätzen die beiden Psychiatrien des Bezirks in Lohr (Kreis Main-Spessart) und Werneck (Kreis Schweinfurt) entlasten. Dabei hat das Zentrum die Aufgabe, „Patienten aus dem Raum Würzburg heimatnah zu versorgen“. Der Flüchtling war seit dem 4. September 2019 in Würzburg gemeldet.

    Ärztlichen Dokumenten zufolge wurde der Somalier im Würzburger Zentrum für Seelische Gesundheit danach drei weitere Male dort aufgenommen: von 10. bis 13. Februar 2020 und – wie bereits bekannt – von 13. bis 21. Januar 2021 sowie letztmals von 14. bis 15. Juni 2021. Während die ersten zwei Behandlungen in Würzburg freiwillig erfolgten, wurde der Mann in diesem Jahr Bönsch zufolge in beiden Fällen zwangsweise eingewiesen.

    Der Täter soll außerdem Drogen wie Crystal Meth und Heroin konsumiert haben

    Wie wurde in der Würzburger Psychiatrie der Geisteszustand des 24-Jährigen beurteilt? Nach Recherchen unserer Redaktion diagnostizierten die behandelnden Ärzte bei den vier stationären Aufenthalten seit 2019 jeweils „drogeninduzierte Psychosen“ sowie „wahnhafte Störungen“, wobei sich über die zwei Behandlungsjahre offenbar kaum Veränderungen ergaben.

    Als gesichert gilt, dass der Mann sowohl die synthetische Droge Crystal Meth wie das Opioid Heroin nahm. Vor allem konsumierte der Somalier neben Alkohol regelmäßig Cannabis, einen Stoff, der Psychosen auslösen und deutlich verstärken kann. Im Januar 2021 attestierten Würzburger Ärzte den Recherchen unserer Redaktion zufolge eine „drogeninduzierte psychische Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch“. Dokumentiert ist, dass der 24-Jährige zur Verbesserung seines Zustands wiederholt das Neuroleptikum Olanzapin verschrieben bekam. Olanzapin ist ein Medikament, das auch zur Behandlung schizophrener Psychosen eingesetzt wird.

    Warum aber haben Würzburger Ärzte einen Mann, von dem sie wussten, dass er drogensüchtig, wahnhaft und potenziell gewaltbereit ist, jeweils wieder nach einigen wenigen Behandlungstagen entlassen? „Unter der Behandlung stellte sich rasch eine deutliche Besserung der Symptomatik ein, sodass nach wenigen Tagen keine Selbst- oder Fremdgefährdung mehr vorhanden war, die eine weitere Behandlung gegen seinen Willen erlaubt oder auch nur sinnvoll gemacht hätte“, erklärt Psychiatrie-Chef Bönsch.

    Gesetzlich ist es schwierig, einen Patienten gegen seinen Willen in der Psychiatrie zu behandeln

    Bönsch verweist im Gespräch mit unserer Redaktion außerdem darauf, dass es pro Jahr allein in Unterfranken rund 2400 „Unterbringungen“ in der Psychiatrie gebe – zwangsweise Einweisungen von Patienten also, wenn Behörden von Selbst- oder Fremdgefährdung ausgehen. Rund 1500 dieser Unterbringungen finden in Lohr statt, rund 500 in Werneck und 400 in Würzburg. „Wollte man hundertprozentig auf Nummer sichergehen, müsste man mindestens die Hälfte dieser 2400 Patienten über viele Monate in der Psychiatrie behalten“, sagt Bönsch. Dies aber sei nicht leistbar und nicht gesetzeskonform.

    Mehrere Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren sowohl im Bund und als auch in Bayern hätten bewirkt, dass es „extrem hohe Hürden“ gebe, einen Patienten gegen seinen Willen in der Psychiatrie zu behandeln, sagt der Leiter der Psychiatrie. Mit dem somalischen Patienten hätten die Mitarbeiter der Klinik bei seinem letzten Aufenthalt im Juni 2021 „mehrfach und ausführlich“ gesprochen, „um ihn zu einer Fortsetzung der Behandlung zu motivieren“, erklärt Dominikus Bönsch weiter. „Der Patient drängte jedoch auf eine Beendigung der Behandlung. Da in diesem Moment keine Eigen- oder Fremdgefährdung mehr erkennbar war, musste damit auch die Behandlung beendet werden.“

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