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Wohnen: In München geht die Angst vor dem Zwei-Millionen-Dorf um

Wohnen

In München geht die Angst vor dem Zwei-Millionen-Dorf um

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    München ist eine schöne Stadt - und wird immer teurer.
    München ist eine schöne Stadt - und wird immer teurer. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Das Wort von der „Zweimillionenstadt“ hört Elisabeth Merk nicht gern. Am liebsten wäre der Münchner Stadtbaurätin, die Zeitungen würden es überhaupt nicht schreiben. „Es wird derzeit etwas Panik gemacht“, sagt die Städtebau-Professorin, die seit zehn Jahren in der Landeshauptstadt das Bau- und Stadtplanungsreferat leitet. Seit die Stadt ihre neue „Bevölkerungsprognose“ vorgelegt hat, tobt in München eine lebhafte Debatte um das „Zweimillionendorf“: In knapp 20 Jahren wird die Metropole trotz teurer Mieten um 300000 Einwohner wachsen – die Größe von Augsburg. Im Jahr 2035 sollen an der Isar bereits 1,85 Millionen Bürger wohnen. Kann die Stadt das verkraften? Stößt

    Die Stadt baut Infrastruktur und Wohnungen - doch es braucht noch mehr

    Stadtbaurätin Merk hört diese Fragen oft: „Wenn man wie ich jeden Tag mit der Problematik und den Sorgen der Münchner zu tun hat, denkt man manchmal, man stößt an Grenzen. Aber ich glaube, meine damaligen Kollegen hatten 1960 das gleiche Gefühl bei der Nachkriegsentwicklung. Trotzdem haben wir uns über 50 Jahre gut entwickelt und das gut gemanagt.“

    Das Wachstum hat viele Gründe. Vor allem ist es die wirtschaftliche Attraktivität der Stadt: Die Zahl der Arbeitsplätze wächst sogar doppelt so schnell wie die Bevölkerung. Es gibt immer mehr Studenten. Und München ist eine der wenigen Gegenden, wo mehr Kinder geboren werden als Menschen sterben.

    Das Einwohnerwachstum löst bei vielen Münchnern Ängste aus: „Dabei geht es nicht nur um Wohnkosten“, sagt die renommierte Münchner Städtebau-Professorin Sophie Wolfrum. „Es geht auch um die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur und viele Menschen haben einfach Angst, dass sie ihr vertrautes München nicht mehr wiedererkennen.“

    Tatsächlich tue die Stadt jedoch viel, um die Herausforderungen zu bewältigen: „Es gibt ein großes Schulbauprogramm und ähnliches für Kindergärten und Sozialeinrichtungen. Es wird die zweite S-Bahn-Stammstrecke in Form einer zusätzlichen Tunnelröhre unter der Innenstadt gebaut.“ Beim Wohnungsbau wünscht sich Wolfrum aber noch mehr Mut: „Wenn sich Studenten, Feuerwehrleute, Polizisten, aber auch Schauspieler und Künstler die Stadt nicht mehr leisten können, sägt sich München sprichwörtlich seinen eigenen Ast ab.“ Jüngst machte die Professorin mit der Forderung Schlagzeilen, München solle nicht jammern, sondern ein neues Viertel bauen für 80.000 Menschen in der Größe wie einst Neuperlach, nur besser und zeitgemäß. „Eigentlich sollten wir ein modernes Schwabing von heute bauen.“

    Tatsächlich wird der Wohnbau dank der neuen Baurechtskategorie „Urbanes Gebiet“ leichter: „Das ermöglicht endlich wieder eine stärkere Mischung von Wohnen und Arbeiten neben- und übereinander“, sagt Wolfrum. „Das haben wir uns als Stadtplaner immer gewünscht. Meine große Hoffnung ist, dass wir damit jetzt wieder dichtere Stadtviertel bauen können, in denen sich Wohnen und Arbeiten wieder viel stärker mischt.“ Dies mache auch den Charakter der beliebtesten Münchner Stadtviertel aus. „Doch ein neues Schwabing konnte man in den vergangenen Jahrzehnten wegen der strengen Baunutzungsverordnung gar nicht mehr bauen.“

    Trotz des sozialen Baugesetzes explodieren die Wohnkosten

    Das Wohnen wäre noch viel teurer, gäbe es das Münchner Modell namens „Sozialgerechte Bodennutzung, SoBon“ nicht: SPD-Oberbürgermeister Christian Ude hatte es vor gut 20 Jahren gegen heftige Widerstände durchgesetzt. Um eine Genehmigung für Großprojekte zu bekommen, müssen Investoren 30 Prozent der Wohnungen für untere und mittlere Einkommen anbieten. Zudem müssen sie sich an den Infrastrukturkosten für Schulen, Kindergärten oder auch Parkanlagen beteiligen. Auf diese Weise sind ganze neue Wohnviertel auf alten Kasernen, Bahn- und Industriegeländen entstanden. Heute ist „SoBon“ ein Erfolgsmodell, das viele Großstädte wie Berlin, Hamburg, Köln oder Heidelberg zum Vorbild nehmen.

    Dennoch explodieren die Wohnkosten: „Die Wohnungen sind auch deshalb so teuer, weil es die Banken- und Finanzkrise gab, da können wir noch so viele Pläne machen“, klagt Stadtbaurätin Merk. Derzeit verfolgt sie den Neubau großer Wohnviertel im neuen Stadtteil Freiham im Münchner Westen für 20.000 Menschen und bald bei Johanniskirchen für 30.000 Bewohner. „Es ist eine große Herausforderung für die Stadtentwicklung, mit Wachstum verträglich umzugehen, damit es die Bevölkerung gut akzeptiert“, sagt Merk. Dazu gehöre es, dass der Grüngürtel um München erhalten bleibe und auch Ackerfelder als Luftschneisen. Auf der anderen Seite gebe es noch viele Großparkplätze, die sich als Tiefgaragen unter die Erde verbannen ließen, um Platz für Wohnbauten zu schaffen.

    Münchens Wachstum ist auch eine Chance für Augsburg

    Mit München wächst die ganze sogenannte Metropolregion mit Augsburg und Ingolstadt: „Unsere Region profitiert in mehrfacher Hinsicht von der Stärke Südbayerns“, sagt der Geschäftsführer der IHK Schwaben, Peter Saalfrank. „Die Zeiten des Versteckens sind schon lange vorbei, wir sind selbstbewusst und haben unsere eigenen Stärken“, betont er. Nachdem die Industrie langsam aus München verschwindet, steige die Bedeutung Schwabens als Produktions- und Logistikstandort. Auch die Arbeitsmärkte würden sich durch viele Pendler gegenseitig befruchten.

    Und wenn München bald endlich seine zweite S-Bahn-Röhre bekommt, könnte laut Saalfrank ein großer Wunsch wahr werden: „Eine umsteigefreie Verbindung vom neuen Augsburger Hauptbahnhof zum Münchner Flughafen wäre eine Riesenchance für unsere Region.“

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