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Wintersport: Der schöne Schein des Ski-Idylls Kitzbühel

Wintersport

Der schöne Schein des Ski-Idylls Kitzbühel

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    Rechts die berühmte Hahnenkamm-Abfahrtsstrecke, links der Friedhof - und mittendrin liegt die Kleinstadt Kitzbühel, in der es gewaltig brodelt.
    Rechts die berühmte Hahnenkamm-Abfahrtsstrecke, links der Friedhof - und mittendrin liegt die Kleinstadt Kitzbühel, in der es gewaltig brodelt. Foto: Andreas Tischler, Kitzbühel Tourismus/dpa, Herbert Günther

    Anfang Januar hat es doch noch angefangen, vom Himmel zu rieseln und nicht nur aus den Beschneiungsanlagen. Der Kitzbüheler Skiklub konnte erst einmal aufatmen. Dass die 76. Hahnenkammrennen in dieser Woche prima organisiert sein werden, ist klar. Doch wie immer kommt es letztlich aufs Wetter an.

    Bloß kein Regen, bitte auch kein Föhn, aber eben auch nicht zu viel Schnee. So halt, dass nichts abgesagt werden muss wie 2007. Die Bilder spektakulärer Skirennen sollen um die Welt gehen und Touristen nach Tirol bringen. Darauf kommt es an.

    Signe Reisch weiß das nur zu gut. Österreichische Journalisten haben die 60-Jährige schon als mächtigste Frau von Kitzbühel bezeichnet. Reisch ist Chefin des Hotels Rasmushof am Fuße der „Streif“, wie die Rennstrecke in der Fachwelt genannt wird. Zugleich ist sie die Tourismuspräsidentin und sagt Dinge wie: „Am Ende des Tages lebt jeder von uns ein bissel vom Tourismus. Aber nicht erst seit gestern.“

    Ihr Urgroßvater Franz Reisch war Skipionier. Er unternahm 1893 die erste Abfahrt vom Kitzbüheler Horn und begründete den touristischen Höhenflug des Ortes. „Er hat Hotels gebaut, die Rettung gegründet, die Feuerwehr, den Skiklub. Er hat das erste Taxi gehabt und ging zweimal am Tag auf das Kitzbüheler Horn. Er war unglaublich“, erzählt Reisch voller Bewunderung. Ganz nebenbei wurde die Großfamilie Reisch zu einem der bedeutendsten Grundbesitzer im Ort.

    Das Zielgebiet der Streif gehört dazu. Vom Rasmushof schaut man direkt auf den Hahnenkamm, wo sich am Wochenende die weltbesten Skifahrer messen werden. Alles Filetgrundstücke hier, für die so mancher Investor Millionen auf den Tisch blättern würde. „Aber die Familie ist eher daran interessiert, zu kaufen als zu verkaufen“, sagt der frühere Chef der Bergbahn AG, Manfred Filzer. „Es verkaufen nur die Leute, die Geld brauchen.“

    Politiker sorgt sich um die Zukunft des Wintersportorts Kitzbühel

    Thomas Nothegger, 30, sitzt für die Jungen Unabhängigen Kitzbühler/innen im Gemeinderat und sorgt sich um die Zukunft des Ortes. Seit Jahren kämpft er für mehr Transparenz, besonders was Flächennutzung und Baugrundstücke angeht. Er kritisiert die Überalterung der Bevölkerung, weil sich hier geborene junge Leute Mieten und Grundstückspreise nicht mehr leisten können und deshalb wegziehen müssen. „Kitzbühel sollte sensibler mit seinem Wohn- und Lebensraum umgehen, da dieser bereits knapp ist“, sagt Nothegger. Junge Bürger und alleinerziehende Mütter bräuchten leistbare Mietwohnungen, sonst steige die Abwanderung und Überalterung noch mehr, schimpft er.

    Die Bevölkerungsstatistik gibt Nothegger recht. Die Zahl der jungen Leute nimmt kontinuierlich ab. Und die Zuzügler sind meist 60 plus. Der frühere grüne Gemeinderat Helmut Deutinger glaubt: „Wenn man nicht gegensteuert, werden hier nur gut situierte Menschen ihren Lebensabend verbringen, die es sich leisten können. Und es wird eine Dienstbotengesellschaft geben, die sie pflegt, ihnen den Haushalt macht und schaut, dass alles gut funktioniert.“

    Das Kitzbühel der österreichischen Ski-Legenden Toni Sailer und Hansi Hinterseer gibt es nicht mehr. Viele, die hier gemeldet sind, kommen nur zum Urlauben in die Gamsstadt. Tatsächlich wird das Tiroler Flächenwidmungsgesetz, wonach nur acht Prozent der Wohnungen als Freizeitwohnsitze an Auswärtige verkauft werden dürfen, längst nicht mehr beachtet. „Schon 1994, als die Grenze eingeführt wurde, waren es in Kitzbühel 17 Prozent. Es gibt für uns kaum eine Handhabe, zu kontrollieren, ob es ein Freizeitwohnsitz ist oder nicht“, sagt Bürgermeister Klaus Winkler.

    Darum lebt der Augsburger Tennisprofi Philipp Kohlschreiber in Kitzbühel

    Wer sehr viel Geld hat, den zieht es gerne nach Österreich, weil man dort Steuern sparen kann, besonders mithilfe von Familienstiftungen. Denn hier gibt es keine Erbschaftsteuer. Kitzbühel macht da keine Ausnahme und ist so etwas wie ein Mekka für diese Klientel geworden.

    Deutsche Superreiche wie die Unternehmerinnen Maria-Elisabeth Schaeffler und Susanne Klatten oder Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp legen Geld in Immobilien an und nutzen den schönen Ort mit bester Infrastruktur in der sanften Gebirgslandschaft mit dem spektakulären Massiv des Wilden Kaisers. Und natürlich hilft es, dass sie dort ihresgleichen treffen, die nicht zurückzucken, wenn die Platin-Kreditkarten herausgeholt werden.

    Die sonnige Ostseite Kitzbühels ist dicht verbaut mit „High-End-Feriendomizilen“, wie Projektentwickler Herbert Günther das nennt. Zahllose mehr oder weniger identische Holzhäuser in Alpenbarock oder Villen, zu denen Privatwege führen. Und an fast jeder Ecke im Ort hängen Vitrinen mit vielen teuren Angeboten von Maklerbüros und Projektentwicklungsgesellschaften. Eine Etage für drei Millionen Euro und mehr.

    Deutschlands bester Tennis-Profi Philipp Kohlschreiber, geboren in Augsburg, aufgewachsen im benachbarten Königsbrunn, hat 2014 zugegriffen. Jetzt ist der 32-Jährige also Wahl-Kitzbüheler, wenn auch meistens in der Welt unterwegs. Er sagt: „Im Winter ist es verdammt schön hier.“ Weil: „Es gibt das Skirennen und viele andere Events. Ich gehe gern zur Rosi rauf. Ihre Sonnwendstubn hat eine tolle Lage und das Essen ist sehr gut.“

    Die blonde Wirtin Rosi Schipflinger, längst jenseits der Pensionsgrenze, singt dort zur Gitarre und fehlt in der Saison in kaum einer Klatschspalte. Ihre Gäste legen Wert auf persönliche Betreuung und bekommen diese auch. Kohlschreiber genießt die Publicity: „Ich werde sehr oft angesprochen. In nettem Rahmen ist das angenehm. Dann schmunzelt man, wenn man erkannt worden ist.“

    ---Trennung _Gibt es bald keine "echten" Kitzbüheler mehr?_ Trennung---

    Sind Sozialwohnungen die Rettung für die Einheimischen?

    Kohlschreiber sagt, er habe seinen Wohnsitz auch deshalb aus der Schweiz nach Kitzbühel verlegt, weil er hier Freunde gefunden hat. 2015 gewann er das örtliche ATP-Turnier. Der Präsident des Tennisklubs, Herbert Günther, ist 1984 aus Brasilien nach Kitzbühel gekommen. Jetzt baut er den Superreichen Häuser im Tiroler Stil. „Wir haben schon Häuser verkauft, die über 20 Millionen Euro gekostet haben. Die Besitzer sind in der Regel viel beschäftigt. Sie haben mehrere Wohnsitze und müssen arbeiten.“

    Natürlich, das sieht er schon ein, werde das für Einheimische zum Problem: „Die Finanzkraft, die hier hineindrückt, treibt die Preise nach oben, und die Einheimischen tun sich sehr schwer mitzuhalten“, gibt er zu. Seine Kunden wollen meist anonym bleiben. „Wir haben viele Industrielle, sehr viel altes Geld. Ich schätze, 60 bis 70 Prozent der Käufer sind Deutsche.“

    In Kitzbühel sind gerade die Bayern gern gesehen. Lieber, so scheint es, als die als streitlustig geltenden Wiener. „Die Bayern sind uns verwandt. Sie sprechen die gleiche Sprache“, sagt Felix Obermoser, der kommunikative Sprecher des Bürgermeisters. Er selbst kann es sich nur leisten, in Kitzbühel zu leben, weil er im Garten des Elternhauses bauen durfte. Obermoser erzählt dann aber gleich, dass die Stadt ja das Projekt „Sonngrub“ entwickelt habe.

    Man habe 80 Grundstücke für Häuser erschlossen und 250 neue Wohnungen für 700 Menschen geschaffen. Sein Chef, der hagere, zurückhaltend wirkende Bürgermeister Winkler von der konservativen Volkspartei ÖVP, hat noch mehr vor: „Für junge Menschen, die das Elternhaus verlassen wollen, planen wir kleine geförderte Wohnungen mit Mietpreisen um acht Euro pro Quadratmeter.“ Er sagt aber auch, er könne nicht ausschließen, dass Sozialwohnungen illegal an Touristen vermietet werden.

    Im Hauptberuf ist Winkler übrigens Steuerberater. So hat er beispielsweise mit den Immobiliengesellschaften von Richard Oetker geschäftlich zu tun. Der Bielefelder Unternehmer baut gerade ein Haus am schönen Schwarzsee.

    „Wenn jemand sagt, er habe seinen Haupt- oder Arbeitswohnsitz und den Lebensmittelpunkt in Kitzbühel, wird die Behörde es glauben müssen und tut sich wahnsinnig schwer, das Gegenteil zu beweisen“, sagt Winkler. Es sei unmöglich, „zu kontrollieren, wann jemand da ist, wie viel Strom verbraucht wird und so weiter. Das geht zu weit.“

    Gegen Winkler ist derzeit ein Gerichtsverfahren anhängig, weil er einen deutschen Interessenten gegenüber einem Einheimischen bei der Zwangsversteigerung eines geförderten Gebäudes begünstigt haben soll. Er selbst sagt: „Es gibt keine Interessenskonflikte.“ Tourismuspräsidentin Signe Reisch winkt auf Nachfrage ab. Sie ist der Meinung, Winkler werde unrecht getan.

    Bald wird es keine "echten Kitzbüheler" mehr geben

    Die Geschichte ist umso mehr brisant, als im Februar Gemeinderatswahlen anstehen. Schon einmal, zwischen 1998 und 2004, besetzte die Rechtspartei FPÖ den Bürgermeistersessel in Kitzbühel. Die Wohnungsfrage ist hier ein Thema, mit dem sich Protestwähler gut mobilisieren lassen. Als Maria-Elisabeth Schaeffler im Oktober mit 23 Millionen Euro ihres Milliardenvermögens die „Schlosswiese“ kaufte, das heißt 8000 Quadratmeter Baugrund, war das gleich ein Riesen-Gesprächsthema.

    Im Jahr 2009 war die Wiese Bauland geworden, weil die Stadt im Gegenzug Grundstücke bekam, die sie für die Erschließung der Wohnsiedlung benötigte. Aus Sicht des Bürgermeisters eine Notwendigkeit.

    Noch ist unklar, was Schaeffler mit der Wiese vorhat. „Vielleicht verkauft sie sie bald für das Doppelte weiter“, mutmaßt der Bürgermeister der „finanzstärksten Bezirkshauptstadt Tirols“ und klingt dabei ein wenig resigniert. Die Stimmung in Kitzbühel ist in Wirklichkeit nicht so gut, wie es während der Hahnenkammrennen scheint.

    Architekt Günther empfindet die Empörung über Grundstücksgeschäfte als Heuchelei. „Wir müssen uns vor Pharisäertum hüten“, sagt er. „Die guten Seiten gern genießen, von den Arbeitsplätzen im Baugewerbe profitieren und dann sagen, die nehmen uns die Grundstücke und die Häuser weg, das geht nicht.“ Wichtig sei vielmehr: „Wir sind Top of the Alpes. Ich kenne keinen Ort in den Alpen, der so gut positioniert ist von der Marke her und der Wirtschaft. Das hat natürlich auch seine Schattenseiten.“

    Im Übrigen, schickt Günther noch hinterher, werde es bald keine „echten Kitzbüheler“ mehr geben. Seit das Krankenhaus geschlossen worden ist, komme nur noch die Hausgeburt infrage, wenn als Geburtsort Kitzbühel im Pass stehen soll.

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