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Wildunfälle: Wo Wild auf die Straße springt

Wildunfälle

Wo Wild auf die Straße springt

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    Ergebnis: Dort, wo das Klima mild ist, leben die meisten Tiere und dort ist es am gefährlichsten.
    Ergebnis: Dort, wo das Klima mild ist, leben die meisten Tiere und dort ist es am gefährlichsten. Foto: dpa

    Sie gilt als Lebensader des Ostrachtals. Schon als Römerstraße überquerte der Oberallgäuer Abschnitt der heutigen Deutschen Alpenstraße den Jochpass in Bad Hindelang. Als Salzstraße verband die Route Handelsregionen, heute als Bundesstraße Feriendomizile. Doch wo sie die Menschen zusammenbringt, zerschneidet sie Lebensraum für das Wild. „Das Wild will ziehen und kümmert sich nicht, ob da eine Straße ist“, sagt Andreas Kaenders vom Landratsamt Oberallgäu. Das Wild könne nicht ausweichen, nur der Mensch.

    Die Zahl steigt stetig und die Gründe sind vielfältig

    Wenn die Tiere im Frühjahr und Herbst durch die Reviere ziehen, passieren am häufigsten Wildunfälle. Und die Zahl steigt stetig. 2002 gab es bayernweit noch rund 30000 Unfälle mit Reh-, Rot- und Damwild. Etwa 41000 registrierte die Polizei 2009. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Gegenmaßnahmen ebenso. Statistiker der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben sich mit dem Thema befasst und eine Risikoschätzung für Wildunfälle in Bayern vorgelegt.

    Pro Kilometer wurde auf den bayerischen Staatsstraßen im Jahr 2009 durchschnittlich 0,91 Reh-, Rot- oder Damwild überfahren, sagt der Münchener Wissenschaftler Torsten Hothorn. Das hat er in seiner Studie herausgefunden. Und hier wurden Hasen, Kaninchen, Schwarzwild, Dachse und Füchse gar nicht mitgezählt. Anhand von Verbissgutachten, die von Wild angeknabberte junge Bäume erfassen, der Anzahl der Wildunfälle und den Abschusszahlen errechnete das Forscherteam Hothorn, Roland Brandl (Universität Marburg) und Jörg Müller (TU München) die Risikoschätzung.

    Am meisten passiert in Bereichen mit Mischbesiedlung

    „Wir wollten Unfallschwerpunkte aufdecken“, sagt Hothorn. Der Risikoatlas soll laut Hothorn helfen, gefährdete Gebiete auszumachen und zu reagieren. Das Ergebnis: In stark besiedelten Gebieten wie Städten und vielen in nächster Nähe liegenden Orten mit freier Sicht über die Landschaft dazwischen sei die Wahrscheinlichkeit gering. Am meisten passiere in Bereichen mit Mischbesiedelung. Also: Wald, Wiese, Weiler, Straße.

    Das Klima spiele neben der Landschaft ebenfalls eine große Rolle beim Unfallrisiko. „In relativ warmen Gebieten mit mittlerem Niederschlag fühlt sich Wild wohl. Mit zunehmender Wilddichte gibt es mehr Unfälle“, erklärt Hothorn.

    Der Bayerische Jagdverband (BJV) hat in einer Stellungnahme auf die Studie reagiert und noch mehr Einflussfaktoren genannt: Immer mehr zugelassene Autos und der wachsende Tourismus würden den Verkehr auf den Straßen erhöhen. Die Zersiedlung Bayerns und die Versiegelung von Freiflächen trage dazu bei, dass der Lebensraum der Wildtiere stetig kleiner würde. „Die Wildtiere werden geradezu auf die Straßen getrieben“, kommentiert BJV-Präsident Jürgen Vocke. Eine bayernweite Statistik könne nicht alles erklären, sagt Forscher Hothorn. „Es ist ein Mittelwert. Wir reden hier über die großen Muster.“ In Schwaben verzeichneten laut LMU-Studie Bad Hindelang im Oberallgäu und die Gegend zwischen Dinkelscherben und Ziemetshausen sowie östlich von Augsburg Adelzhausen, Sielenbach und Schiltberg die höchsten Werte von knapp 1,5 Wildunfällen pro Kilometer 2009.

    Einzäunen bestes Mittel gegen Wildunfälle

    Um das Risiko von Wildunfällen einzudämmen, gibt es laut Statistiker Hothorn nur wenig effektive Möglichkeiten. Einzäunen sei die beste. „Autobahnen haben deswegen ein sehr geringes Wildunfallrisiko“, sagt Hothorn. Von Wildwarnreflektoren hält er nichts und verweist auf einen Bericht des bayerischen Innenministeriums.

    Die vorwiegend blaue, reflektierende Folie an den Leitpfosten soll Wild davon abhalten, auf die Straße zu springen. In dem Papier kommt Innenminister Joachim Herrmann zu dem Schluss, dass die Reflektoren zwar verkehrsrechtlich unbedenklich, aber deren Wirkung kontrovers beurteilt werde. Die Bundesanstalt für Straßenwesen etwa habe festgestellt, „dass sich das Wild an alle visuellen und akustischen Warneinrichtungen gewöhnt, sodass sich nach kurzer Zeit das alte Unfallgeschehen wieder einstellt“.

    Letztlich bringe laut Professor Hothorn auch der Blick ins Ausland neue Erkenntnisse. In Skandinavien gebe es neben den Staatsstraßen breitere Bankette. Die Unfallzahlen seien dadurch zurückgegangen. Ultima Ratio wäre, die Abschusszahlen in den stärker betroffenen Gebieten zu erhöhen. BJV-Präsident Vocke bleibt skeptisch: „Um Wildunfälle auszuschließen, bleibt nur die Möglichkeit, Bayerns Straßen mit Elektrodraht einzuzäunen oder das Wild gänzlich auszurotten. Beides kann doch keiner wollen.“

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