Das Flammen-Adonisröschen hat es nicht leicht. Das Pflänzchen mit den orange-roten Blüten und dem auffälligen schwarzen Fleck in der Mitte wird immer seltener. Die Situation ist so schlimm, dass die Blume auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen steht. Mit vielen Artgenossen. Insgesamt sind mehr als 30 Prozent der Wildpflanzen in Deutschland in ihrem Bestand gefährdet. Das geht aus der neuen Rote Liste hervor, die vor kurzem vom Bundesamt für Naturschutz vorgestellt wurde. Für insgesamt 8650 in Deutschland heimische Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Algen haben die Autoren der Studie die Bestandssituation und das Ausmaß der Gefährdung ermittelt. Umweltschützer betrachten das Ergebnis mit großer Sorge.
Für Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, sind die Zahlen der Untersuchung ein „Alarmsignal ersten Ranges“. Die neue Rote Liste gilt für ganz Deutschland, bayerische Zahlen gibt es nicht. Mergner sagt aber: „Wir haben in Bayern dieselben Probleme. Einstige Allerweltsblumen, aus denen man früher einen Blumenstrauß machen konnte, sind nicht mehr da.“ Hinzu kommt: Auch die Tierwelt leidet. 40 Prozent der Tiere in Bayern seien ausgestorben, verschollen oder sehr stark bedroht, sagt der Naturexperte. Seine Schlussfolgerung: „Wir müssen erheblich mehr für die Biodiversität tun.“
Nährstoffbelastungen schaden vielen Wildpflanzen
Es seien vor allem hohe Nährstoffbelastungen, die vielen Wildpflanzen zu schaffen machen. „Die Stickoxide entstehen durch den Verkehr, aber auch durch zu viel Düngung“, sagt Mergner. Ein weiteres Problem ist seiner Ansicht nach: „Die Landwirtschaft ist leider zur Intensivierung gezwungen, die Massenproduktion wird gefördert.“ Durch Flurbereinigung würden die Felder immer größer, Wiesen und Hecken würden verschwinden. „Das müssen wir zurückdrehen“, fordert Mergner. „Wir brauchen Hecken und Grünstreifen. Wir brauchen ein blühendes, lebendes Netz in der Agrarlandschaft.“ Zudem müsse der Chemieeinsatz reduziert werden. „Ackerwildkräuter gibt es eben nicht mehr, wenn Glyphosat gespritzt wird.“
Markus Peters, Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes, findet es nicht richtig, die Schuld immer bei den Landwirten zu suchen. „Die Landwirtschaft als alleinigen Verursacher hinzustellen, wie es oft geschieht, halte ich für sehr gewagt“, sagt er. „50 Prozent der Stickstoffverbindungen kommen aus der Landwirtschaft. Der Rest aus anderen Bereichen, vor allem der Industrie.“ Ihm gehe es nicht darum, von Problemen abzulenken, aber es gebe eben viele andere Faktoren für das Artensterben.
"Bayern ist das Land mit den meisten Biobauern"
In den vergangenen Jahren habe sich in der Landwirtschaft viel getan, um die negative Entwicklung zu stoppen, meint Peters. Mehr als in anderen Bereichen, sagt er. Seit 2015 müsse zum Beispiel jeder Bauer fünf Prozent seiner Fläche als ökologische Vorrangfläche zur Verfügung stellen. Hinzu komme der enorme Aufwind, den die Bio-Landwirtschaft erfahre: „Bayern ist das Land mit den meisten Biobauern. Im nächsten Jahr werden wir die 10.000er-Marke der Bio-Betriebe überschreiten“, sagt Peters. Allerdings müsse auch klar sein, dass auch ein Bio-Bauer einen Acker mit möglichst viel Getreide wolle – und nicht mit Unkraut. „Aber natürlich hat die Bio-Landwirtschaft Vorteile, keine Frage.“
In der Neuauflage der Roten Liste wird auch eine Gesamtbilanz gezogen. Der zufolge sind 119 Pflanzenarten im Verlauf der vergangenen 150 Jahre in Deutschland ausgestorben oder verschollen. Die Studie zeigt aber auch, dass Umweltschutzmaßnahmen durchaus wirken können. Bei 327 Farn- und Blütenpflanzen beispielsweise, die innerhalb der letzten rund 150 Jahre zurückgingen, konnte eine weitere Abnahme in den vergangenen 20 Jahren aufgehalten werden. Bei 18 konnte sie sogar umgekehrt werden. Dies sei, so teilt es das Bundesamt für Naturschutz mit, oft Artenhilfsmaßnahmen wie Ackerrandstreifen zu verdanken. Nicht jede Pflanze also, die derzeit auf der Rote Liste steht, wird verschwinden. Viele aber schon. Zu welcher Gruppe wird wohl das Flammen-Adonisröschen gehören?