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Wildbad Kreuth: CSU geht mit Angela Merkel hart ins Gericht

Wildbad Kreuth

CSU geht mit Angela Merkel hart ins Gericht

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    Lehnt eine Flüchtlings-Obergrenze weiter ab: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Abgeordneten überschütten sie dafür auf der Winterklausur der CSU mit Kritik.
    Lehnt eine Flüchtlings-Obergrenze weiter ab: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Abgeordneten überschütten sie dafür auf der Winterklausur der CSU mit Kritik. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Angela Merkel kommt zur CSU nach Wildbad Kreuth. Schon wieder. Doch anders als vor zwei Wochen trifft die in der Union mittlerweile heftig umstrittene Bundeskanzlerin auf Frauen und Männer, die sich ihrem Führungsanspruch nicht so brav unterordnen wie die Mitglieder der

    Der Schein der Idylle trügt in Wildbad Kreuth.
    Der Schein der Idylle trügt in Wildbad Kreuth. Foto: Sven Hoppe dpa

    Es ist 16.40 Uhr. Merkels Wagenkolonne fährt vor. CSU-Chef Horst Seehofer sagt kurz Hallo und überlässt Fraktionschef Thomas Kreuzer die Begrüßung. Eine Trachtengruppe ist aufmarschiert. Zwei Kinder überreichen Merkel einen Blumenstrauß. Die bayerische Idylle scheint perfekt. Doch der Schein trügt.

    Merkel: Miteinander Reden gerade in solchen Zeiten von größter Bedeutung

    Die Kanzlerin macht gute Miene, obwohl sie weiß, dass hier ein Spiel gespielt wird, das ihrem Kurs zuwiderläuft. Miteinander zu reden, so sagt sie, sei gerade in solchen Zeiten von größter Bedeutung, gerade dann, wenn man unterschiedlicher Meinung sei. Dann listet sie auf, was in der Flüchtlingspolitik alles auf der Agenda steht: Gespräche mit der Türkei, eine internationale Geberkonferenz für Syrien und Mitte Februar der EU-Rat. „Dann“, so Merkel, „können wir eine Zwischenbilanz ziehen und sehen, wo wir stehen.“ Es klingt wie eine Besänftigung. Und das ist auch nötig.

    Hier in Kreuth wollte sich die CSU schon einmal von der CDU trennen. Der Plan wurde damals – 1976 unter Parteichef Franz Josef Strauß – schon nach wenigen Wochen wieder verworfen. Seither gilt er als der sichere Weg in die parteipolitische Apokalypse. Die CSU müsste sich nach ganz Deutschland ausdehnen, würde ihren Charakter als bayerische Volkspartei verlieren und würde womöglich zu einem Sammelbecken am rechten Rand des demokratischen Spektrums werden. Gleichzeitig würde die

    Die politischen Machtmittel der CSU in Bayern sind begrenzt

    Dass in Kreuth überhaupt wieder darüber spekuliert wird, zeigt die „brutale Hilflosigkeit“, die in der CSU herrscht. Seit Monaten prallt sie mit ihrer Forderung nach Obergrenzen für Bürgerkriegsflüchtlinge an der Wir-schaffen-das-Kanzlerin ab. Doch die politischen Machtmittel der Christsozialen in Bayern sind begrenzt. Trennung von der CDU? Geht nicht. Austritt aus der Bundesregierung? Wäre genauso fatal. Vor dem Verfassungsgericht den Schutz der Staatsgrenze einklagen? Wird vorbereitet, hat aber bestenfalls Symbolcharakter und dauert außerdem zu lange. Ultimaten, Drohungen, Dauerkritik in der Öffentlichkeit? Das mag eine Zeit lang wirken, aber irgendwann braucht die CSU im Bund mit Merkel als Spitzenkandidatin nicht mehr anzutreten.

    Also haben Parteichef Horst Seehofer und Fraktionschef Thomas Kreuzer den Kurs ausgegeben, die Kanzlerin ein weiteres Mal mit den Befürchtungen und Forderungen der CSU zu konfrontieren – „höflich, aber deutlich“. Dahinter steckt die Hoffnung, dass Merkel unter dem Druck der Verhältnisse doch noch die Kurve kriegt. Dahinter steckt auch die Überzeugung, dass – wenn überhaupt – ohnehin nur die CDU die Kanzlerin zu einem Kurswechsel zwingen könnte. Staatssekretär Georg Eisenreich formuliert es so: „Paris war die Chance, etwas zu ändern, Köln war die Pflicht, etwas zu ändern. Jetzt werden die Fakten früher oder später einen Kurswechsel erzwingen.“

    Route nach Italien soll durch Zäune, strenge Küstenwache und konsquente Abschiebungen gesichert werden

    Großen Wert legt die CSU in Kreuth darauf, dass sie nicht einfach nur Forderungen erhebt. Sie nimmt für sich in Anspruch, einen sehr konkreten Plan zu haben, wie die Grenzen für Bürgerkriegsflüchtlinge geschlossen werden könnten, ohne dass es zu humanitären Katastrophen oder zu Rückstaus in den Balkanländern kommt. Auf dieser Route, so heißt es, müssten einfach nur die fünf Grenzen nördlich von Griechenland gleichzeitig für Flüchtlinge dichtgemacht werden. Der erhoffte Effekt: Wenn klar sei, dass es nach Deutschland ohne gültige Papiere kein Durchkommen mehr gibt, sei auch der Anreiz weg, den Weg übers Meer nach

    Realistisch sei dieser Plan auch deshalb, weil die Regierungen Österreichs und der Balkanländer bereits signalisiert hätten, dass sie mitmachen würden. Die Botschaft des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz, der in Kreuth zu Gast war, sei eindeutig gewesen: „Ich kann die Grenze nicht zumachen, solange ihr alle nach Deutschland reinlasst.“ Ein Vertreter der Regierung in Mazedonien, so heißt es, soll sogar dringend darum gebeten haben, rechtzeitig informiert zu werden, um einem Rückstau in seinem Land vorzubeugen. Und am Geld sollte es auch nicht scheitern. Zur Not müsse Deutschland den

    Die Route übers Meer nach Italien sollte nach Vorstellung der CSU so gesichert werden, wie das in Spanien mit Erfolg praktiziert werde: durch hohe Zäune, eine strenge Küstenwache und konsequente Abschiebungen. Kardinal Reinhard Marx mahnte zwar gestern Vormittag in Kreuth: „Die Außengrenze der EU darf keine Grenze des Todes werden.“ In der CSU aber macht diese Mahnung angesichts der sich täglich steigernden Ängste vor immer mehr Flüchtlingen nicht mehr viel Eindruck. Sie wird beantwortet mit dem Hinweis, dass sogar klassische Einwanderungsländer ihre Grenzen strikt schützen und unerwünschte Zuwanderer zur Not auch mit Gewalt abweisen. Seehofer beschwichtigt: „Niemand in der CSU nimmt billigend in Kauf, dass auch nur ein Flüchtling ertrinkt.“

    Abgeordneter Klaus Holetschek überreicht Merkel den Brandbrief zur Flüchtlingspolitik

    Den Einwand, dass strenge Grenzkontrollen den freien Reise- und Warenverkehr innerhalb Europas beeinträchtigen könnten, lassen sie bei der CSU auch nicht gelten. Seien die EU-Außengrenzen erst einmal gesichert, könne der Verkehr innerhalb

    Merkel macht sich kurz vor 17 Uhr auf den Weg in den Tagungsraum. Der Allgäuer Abgeordnete Klaus Holetschek bekommt die Gelegenheit, ihr den Brandbrief zur Flüchtlingspolitik zu übergeben, den rund 30 Landtagsabgeordnete unterschrieben haben. Dann schließt sich hinter der Kanzlerin die Tür zur Molkehalle, wo die versammelte CSU-Fraktion schon auf sie wartet. Zunächst dringt von dem Gespräch nur wenig nach draußen. Der Applaus, so heißt es, sei mäßig gewesen. Merkel sagt drinnen, was sie draußen auch schon gesagt hat: Miteinander reden sei wichtig. Sie lobt die Leistungen Bayerns für Flüchtlinge. Sie betont das gemeinsame Ziel, die Zahl der Flüchtlinge „spürbar“ zu reduzieren, und sie versucht, wie Teilnehmer berichten, der CSU zumindest in kleinen Schritten entgegenzukommen – etwa bei der Ausweitung der Zahl der sicheren Herkunftsländer. Die Reaktion laut einer SMS aus dem Saal: „Nur Höflichkeitsapplaus“. Ganz anders bei Kreuzer. Der Vortrag des Fraktionschefs und die Forderungen der CSU seien heftig beklatscht worden.

    26 Abgeordnete überschütten Kanzlerin Merkel mit Kritik

    Dann geht es zur Sache. 26 Abgeordnete melden sich zu Wort und überschütten Merkel mit Kritik. Staatssekretär Eisenreich spricht aus, was viele in der CSU denken: „Wenn es in absehbarer Zeit nicht eine andere Flüchtlingspolitik gibt, gibt es bald eine andere Kanzlerin und Bundesregierung.“ Merkel reagiert mit einer Warnung vor einem Zerwürfnis in der Union. Das könne nur „ins Verderben führen“.

    Eine Verständigung ist offenbar in weite Ferne gerückt. Merkel reist wieder ab. Der Münchner Abgeordnete Markus Blume stellt ernüchtert fest: „Jetzt wissen wir, dass das ein hoffnungsloser Fall ist.“ Fraktionschef Kreuzer räumt ein: „Ich habe kein gutes Gefühl, weil ich nicht glaube, dass der europäische Weg in absehbarer Zeit Erfolg verspricht.“

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