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Wiesn 2018: Das Oktoberfest ist genauso beliebt wie größenwahnsinnig

Wiesn 2018

Das Oktoberfest ist genauso beliebt wie größenwahnsinnig

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    Von 22. September bis 7. Oktober wird auf der Wiesn wieder gegessen, getrunken und gefeiert.
    Von 22. September bis 7. Oktober wird auf der Wiesn wieder gegessen, getrunken und gefeiert. Foto: Matthias Balk, dpa

    Die Zelte sind schon wieder aufgebaut auf der Theresienwiese, München bereitet sich routiniert vor auf das größte Bierfest der Welt. Eigentlich sollte man ja nichts mehr über die Wiesn schreiben. Denn mit klarem Verstand betrachtet, lässt sich nur schwer verstehen, warum gut zwei Wochen lang Millionen von „Feierbiestern“, wie ein früherer Trainer eines der örtlichen Fußballklubs diese Spezies Mensch bezeichnen würde, aus aller Welt in Bayerns Hauptstadt strömen, um gemeinsam Bier zu trinken.

    Da stehen dann Frauen und Männer auf Bänken in überfüllten Zelthallen, um zu Nepp-Preisen Bier, Hendl oder Schweinshaxn in sich reinzuschlingen und unabhängig vom gesellschaftlichen Status völlig losgelöst Schlager wie „Hey Baby!“ zur Blasmusik zu grölen.

    Kurz und gut: Wer ein Oktoberfestzelt betritt, trinkt vermutlich auch gerne Kaffee auf dem Markusplatz in Venedig oder genießt die Sonne am liebsten auf Mallorca. Der kauft Paris-Souvenirs direkt am Eiffelturm oder geht als Krankenschwester zum Kölner Karneval. Nüchtern betrachtet ist dieses Fest im Grunde größenwahnsinnig. Aber nüchterne Betrachtungen des Oktoberfests helfen an dieser Stelle nicht weiter.

    Und: 6,2 Millionen Besucher allein im Vorjahr können auch nicht völlig irren. Außerdem ist das Fest in Zeiten von kulinarischen Genussverboten und Selbstoptimierung ein echter Kontrapunkt. Vom 22. September bis 7. Oktober heißt es in München also wieder: Auf geht’s zur Wiesn!

    Eine Wiesn, auf der kein Gras mehr wächst

    Warum aber eigentlich zur Wiesn?, werden manche fragen. Wo doch auf dem Festplatz längst kein Gras mehr wächst. Das wiederum hängt mit der Geschichte dieser größten Kulturveranstaltung Deutschlands zusammen.

    Damals, im Oktober 1810, wurde anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Ludwig (dem späteren König Ludwig I. von Bayern) und der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen ein Pferderennen veranstaltet. Das fand eben auf der Wiese statt, die zu Ehren der Prinzessin in „Theresens Wiese“ und später in „Theresienwiese“ umbenannt wurde. Sie befand sich damals außerhalb der damaligen Stadtmauern. Und so prägte sich der Spruch ein, den die Münchner heute noch nutzen. Nämlich „auf die Wiesn rausgehen“ oder „raus auf die Wiesn“ zu gehen.

    Da das Pferderennen und die Festivität bei der Bevölkerung ziemlich gut ankamen, wurde das Ganze im folgenden Jahr wiederholt. Die Pferderennen hielten sich bis zum Ersten Weltkrieg. Dann war damit Schluss – nicht aber mit dem Feiern.

    Bier und vor allem Wein wurde in dieser Zeit noch an offenen Ständen, dann in schlichten Bretterbuden und erst viel später in Trinkhallen ausgeschenkt. Die ersten Karussells und Schaukeln brachte der Gastwirt Anton Gruber, der auf der heutigen Praterinsel ein Ausflugslokal betrieb, auf das Festgelände. Das waren noch gemütliche Volksfeste.

    Die dunkelste Stunde des Oktoberfests

    Vorbei mit der Gemütlichkeit war es schlagartig am 26. September 1980. An diesem Tag ließ ein Rechtsradikaler am Haupteingang eine Rohrbombe explodieren. 13 Menschen wurden getötet, 211 verletzt, 68 davon schwer. Der Anschlag gilt als schwerster Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte und war eine Art Vorläufer der heutigen Terrorakte. Wurde das Attentat zunächst einem Einzeltäter zugeschrieben, mehrten sich die Hinweise, dass auch rechte Gruppierungen darin verwickelt waren. Seitdem gelten verschärfte Sicherheitsvorschriften auf dem Oktoberfest.

    Doch auch der Terror hielt die Leute nicht vom Vergnügen ab. Zwar wird inzwischen nicht mehr jedes Jahr ein neuer Besucher- oder Bierverbrauchsrekord aufgestellt, aber die jüngsten Zahlen sprechen für sich: Es gibt Zelte mit 6000 bis 7000 Sitzplätzen drinnen und im Außenbereich nochmals mit Platz für 3000 bis 4000 Leute. Davon gibt es 14 Stück, die kleineren nicht mitgezählt. Die Besucher strömen teilweise schon in den frühen Morgenstunden zur Wiesn, um freie Plätze in den Zelten zu ergattern. Den Bierverbrauch hält das stabil: 6,5 Millionen Liter Bier flossen 2017 durch trockene Kehlen und 500.000 Hähnchen rutschten hinterher. 2,98 Millionen Kilowattstunden Strom wurden verbraucht. 2205 mal rückte die Polizei aus. Aber genug der Zahlen ...

    Oktoberfest in München: Auch das Eröffnungsritual hat eine Geschichte

    Zum Schluss muss nämlich kurz ein Ritual angesprochen werden, das „Anzapfn“ des ersten Bierfasses zur offiziellen Eröffnung der Wiesn. Es war, so heißt es, nicht großartig geplant, dass der damalige Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer nach dem Zweiten Weltkrieg einen Zapfhahn im Festzelt „Zum Schottenhamel“ mit einem Holzschlegel in ein Fass drosch. Wimmer wollte in der Nachkriegszeit lediglich ein Zeichen setzen, dass jeder beim Wiederaufbau mit anpacken kann und soll.

    Zu dieser Zeit ahnte niemand, dass sich hieraus das berühmte „Anzapfn“ entwickeln würde, über das heute in aller Welt berichtet wird. Um bei diesem Brauch gut auszusehen, üben Münchens amtierende Oberbürgermeister vorher fleißig. Sie wollen sich nämlich nicht blamieren, indem sie den Zapfhahn nicht sauber treffen – und das Bier unkontrolliert aus dem Fass spritzt. Der ehemalige Münchner OB Christian Ude hat mit zwei Anzapf-Schlägen übrigens die Latte für alle Nachfolger hoch gelegt.

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