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Corona-Mutationen: Wie gefährlich sind die mutierten Coronaviren?

Corona-Mutationen

Wie gefährlich sind die mutierten Coronaviren?

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    Eine Mikroskopaufnahme zeigt das neuartige Coronavirus. Sorge breiten im Moment mutierte Versionen des Virus.
    Eine Mikroskopaufnahme zeigt das neuartige Coronavirus. Sorge breiten im Moment mutierte Versionen des Virus. Foto: Centers for Disease Control and Prevention, AP, dpa

    Das Virus, das uns seit mehr als einem Jahr das Leben schwer macht, ändert ständig sein Gesicht. Nun sind zwei Varianten – eine aus Großbritannien, die andere aus Südafrika – in Bayern aufgetaucht, die viele Experten aufhorchen lassen. Wie gefährlich sind diese Viren? Warum stehen gerade sie im Fokus? Und wie viele Fälle sind im Freistaat bereits bestätigt? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den mutierten Coronaviren.

    Was genau versteht man unter einer Mutation? Was unter einer Variante?

    Viren mutieren ständig, das ist quasi Teil ihrer Überlebensstrategie. "Eine Mutation bedeutet die Veränderung des Genoms an einer Nukleotid/Basenpaar-Stelle", erklärt ein Sprecher des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Eine Variante ist demnach eine Linie von SARS-CoV-2, die sich von anderen Linien durch ihr Mutationsprofil abhebt. "In der Regel unterschieden sich Varianten durch mehrere Mutationen an verschiedenen Stellen des Virusgenoms", sagt der LGL-Sprecher gegenüber unserer Redaktion.

    Chronologie der Corona-Pandemie in Deutschland

    Im Januar 2020 ist die erste Corona-Infektion in Deutschland bekannt geworden. Ein Rückblick:

    27. Januar: Erste bestätigte Infektion in Deutschland. Zwei Wochen später ist der Mann aus Bayern wieder gesund.

    25./26. Februar: Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen melden erste nachgewiesene Fälle. Weitere Bundesländer folgen, am 10. März hat Sachsen-Anhalt als letztes Land seinen ersten Fall.

    9. März: In NRW gibt es die ersten Todesfälle innerhalb Deutschlands. Die Zahl der Infektionen steigt bundesweit auf mehr als 1000.

    12./13. März: Immer mehr Theater und Konzerthäuser stellen den Spielbetrieb ein. Die Fußball-Bundesliga pausiert.

    16. März: An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz gibt es Kontrollen und Einreiseverbote. In den meisten Bundesländern sind Schulen und Kitas geschlossen.

    17. März: Mehrere Konzerne kündigen an, ihre Fabriken vorübergehend zu schließen.

    22. März: Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Menschen. Ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Kneipen, Restaurants, aber auch Friseure zum Beispiel schließen.

    15. April: Auf eine schrittweise Aufnahme des Schulbetriebs ab 4. Mai verständigen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs.

    20. April: Geschäfte unter 800 Quadratmetern Fläche dürfen wieder öffnen. Als erstes Bundesland führt Sachsen die Maskenpflicht für ÖPNV und Einzelhandel ein. Alle anderen ziehen nach.

    22. April: Für Firmen, Arbeitnehmer und Gastronomie werden milliardenschwere Hilfen beschlossen.

    6. Mai: Die Länder bekommen weitgehende Verantwortung für die Lockerung von Beschränkungen - etwa für Hotels, Gastronomie, Fahrschulen, Schwimmbäder und Fitnessstudios.

    16. Mai: Sachsen-Anhalt registriert als erstes Bundesland seit Ausbruch der Pandemie keine Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Die Fußball-Bundesliga legt wieder los - ohne Fans in den Stadien.

    16. Juni: Im Kampf gegen das Virus geht eine staatliche Warn-App an den Start. Sie soll dabei helfen, Infektionen nachzuverfolgen. 

    29. August: Etwa 40.000 Menschen protestieren in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen. Demonstranten durchbrechen die Absperrung vor dem Reichstag und stürmen auf die Treppe.

    30. September: Angesichts wieder steigender Infektionszahlen fordert die Kanzlerin zum Durchhalten auf. "Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben", sagt Merkel im Bundestag.

    7./8. Oktober: Die Bundesländer beschließen ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Risikogebieten. 

    22. Oktober: Die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) macht vor allem private Treffen dafür verantwortlich.

    2. November: Ein Teil-Lockdown mit Einschränkungen bei Kontakten und Freizeitaktivitäten soll die zweite Infektionswelle brechen.

    9. November: Als erste westliche Hersteller veröffentlichen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer vielversprechende Ergebnisse einer für die Zulassung ihres Corona-Impfstoffs entscheidenden Studie.

    18. November: Unter dem Protest Tausender in Berlin machen Bundestag und Bundesrat den Weg für Änderungen im Infektionsschutzgesetz frei.

    25. November: Die Beschränkungen für persönliche Kontakte werden für weitere Wochen verschärft. Darauf verständigen sich Bund und Länder.

    27. November: Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in Deutschland hat nach RKI-Daten die Millionenmarke überschritten. 

    2. Dezember: Als erstes Land der Welt erteilt Großbritannien dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung und startet seine Impfkampagne wenige Tage später. 

    16. Dezember: Der seit November geltende Teil-Lockdown reicht nicht aus. Der Einzelhandel muss mit wenigen Ausnahmen schließen.

    18. Dezember: Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Infektionen in Deutschland ist erstmals auf mehr als 30.000 gestiegen.

    21. Dezember: Zum Schutz vor einer infektiöseren Virus-Variante dürfen keine Passagierflugzeuge aus Großbritannien mehr in Deutschland landen. Der Corona-Impfstoff von Biontech erhält von Brüssel die bedingte Marktzulassung. Somit können die Impfungen in der EU beginnen. Am 6. Januar wird auch der von Moderna zugelassen.

    24. Dezember: Heiligabend im Zeichen der Pandemie. Familienfeiern sollen klein bleiben, Christmetten wenn überhaupt nur auf Abstand stattfinden. Zudem wird die in Großbritannien aufgetretene Variante des Coronavirus erstmals auch in Deutschland nachgewiesen.

    26. Dezember: Einen Tag vor dem offiziellen Impfstart werden in einem Seniorenzentrum in Sachsen-Anhalt eine 101 Jahre alte Frau und etwa 40 weitere Bewohner geimpft. 

    27. Dezember: In allen Bundesländern beginnen die Impfungen. Zuerst sollen Menschen über 80, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden.

    1. Januar 2021: Deutschland kommt vergleichsweise ruhig ins neue Jahr. Der Verkauf von Silvesterfeuerwerk war verboten. 

    14. Januar: Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 5,0 Prozent eingebrochen ist.

    15. Januar: Mehr als zwei Millionen Corona-Fälle sind hierzulande bekannt geworden, knapp 45.000 Menschen sind an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Sars-CoV-2-Infektion gestorben.

    19. Januar: Bund und Länder verlängern den Lockdown bis Mitte Februar. Zudem werden die besser schützenden FFP2-Masken oder OP-Masken in Bus und Bahn sowie beim Einkaufen obligatorisch.

    21. Januar: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben in Deutschland bereits ihre erste Corona-Impfung erhalten, etwa 77.000 auch schon die zweite. (dpa)

    Wie viele Mutationen gibt es bisher und warum stehen manche davon besonders im Fokus?

    Im Laufe der Pandemie gab es bereits Tausende von Mutationen. Im Fokus stehen die sogenannten VOC, die "Variants of Concern" – also Varianten, die Anlass zur Sorge geben. "Uns interessieren keine Mutationen an einer x-beliebigen Stelle, die funktional unbedenklich sind", sagt Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt und Infektiologe an der München Klinik Schwabing. "Solche Mutationen gibt es tatsächlich im fünfstelligen Bereich." Das Augenmerk liegt derzeit vor allem auf der britischen und der südafrikanischen Variante. Über beide Varianten wurde dem LGL zufolge erstmals im Dezember des vergangenen Jahres berichtet.

    Wie gefährlich sind diese Coronavirus-Varianten?

    Die britische Variante B. 1.1.7 bindet Infektiologe Wendtner zufolge besser an den sogenannten ACE-2-Rezeptoren, weswegen sie leichter übertragen werden kann und somit ansteckender ist. Die südafrikanische Variante indes hat eine veränderte räumliche Konfiguration. Die Folge: neutralisierende Antikörper können nicht mehr so gut andocken, um das Virus unschädlich zu machen. "Das heißt, dass auch die Impfstoffe eventuell nicht mehr so gut funktionieren. Und auch Menschen, die bereits erkrankt waren, könnten sich leichter mit dieser neuen Variante infizieren", sagt Wendtner im Gespräch mit unserer Redaktion. Hinzu kommt: Auch die monoklonalen Antikörper, auf denen derzeit große Hoffnungen ruhen, könnten gegen die südafrikanische Variante schlechter wirken. Das, so Wendtner, zeigten auch jüngste Labortests der University of Columbia. "Deswegen mache ich mir derzeit größere Sorgen um die südafrikanische Variante als um die britische." Auch das LGL erklärt, dass erste Studien veröffentlicht wurden, die vermuten ließen, dass bei Personen, die an der ursprünglichen Variante erkrankt waren oder einen auf dieser beruhenden Impfstoff erhalten haben, der Schutz durch neutralisierende Antikörper gegenüber der Variante aus Südafrika reduziert sein könnte.

    Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, sorgt sich vor allem wegen der südafrikanischen Variante.
    Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, sorgt sich vor allem wegen der südafrikanischen Variante. Foto: dpa, München Klinik

    Die Münchner Virologin Ulrike Protzer warnt angesichts der Virus-Varianten aber vor Panikmache. Nach ersten Ergebnissen seien hierzulande höchstens zwei Prozent der zirkulierenden Viren entsprechend mutiert. "Also noch kein Grund zur Sorge. Aber man muss es halt im Auge behalten", sagte die Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz Zentrum München und an der Technischen Universität München. "Es kann schon sein, dass die Zahl der nachgewiesenen Varianten zunimmt, wenn man jetzt genauer hinschaut", erläuterte die Virologin. Die Varianten aus Großbritannien und aus Südafrika seien ansteckender – aber nur bei direktem Kontakt ohne Schutz. "Auch die neuen Varianten können ja nur auf den Nächsten übertragen werden, wenn man sie lässt." Konsequente Hygienemaßnahmen wie das Tragen von Masken würden alle Viren abhalten, selbst die neuen Varianten. Protzer glaubt auch, dass es keine Probleme mit dem Impfen geben wird. Damit der Impfstoff nicht mehr helfe, "müsste noch viel passieren, das halte ich für unwahrscheinlich."

    Vor wenigen Wochen hatte Großbritanniens Premierminister verkündet, die Variante in seinem Land sei nicht nur ansteckender, es gebe auch eine erhöhte Fallsterblichkeit. Was ist da dran?

    Auch das Robert-Koch-Institut teilt mit, dass es erste Hinweise gebe, dass B.1.1.7. "mit einer erhöhten Fallsterblichkeit einhergehen könnte." Mit endgültigen Bewertungen müsse man aber vorsichtig sein, sagt Infektiologe Wendtner. Ob die Variante tatsächlich tödlicher sei, "das kann man derzeit noch nicht belastbar belegen." Denn man dürfe nicht außer Acht lassen, dass das Gesundheitssystem in England völlig überlastet sei – somit sei es schwierig zu beantworten, ob es mehr Tote wegen des mutierten Virus gebe oder wegen einer unzureichenden Versorgung.

    Wo wurden die britische und die südafrikanische Corona-Variante in Bayern bereits nachgewiesen?

    Die britische Variante ist laut den bisher vorliegenden Informationen in Proben aus Erding, Bayreuth, Passau, München sowie in den Landkreisen Landsberg am Lech, Dingolfing und Dachau aufgetreten, wie das LGL gegenüber unserer Redaktion erklärt. Die südafrikanische Variante ist im Landkreis Rosenheim bestätigt. Im Krankenhaus in Buchloe wird derzeit ein Patient behandelt, der ebenfalls eine Virus-Variante in sich trägt, die Klinik hat sich komplett abgeschottet. Um welche Variante es sich genau handelt, dazu liegen dem LGL bisher keine gesicherten Informationen vor.

    Keine Neuaufnahmen, keine Entlassungen. Stillstand herrscht im Buchloer Krankenhaus St. Josef, nachdem dort eine Mutation des Coronavirus aufgetaucht ist.
    Keine Neuaufnahmen, keine Entlassungen. Stillstand herrscht im Buchloer Krankenhaus St. Josef, nachdem dort eine Mutation des Coronavirus aufgetaucht ist. Foto: Mathias Wild

    Eine mutierte Form des Coronavirus hat auch den Landkreis Augsburg erreicht. Auch hier ist noch unklar, um welche Form es sich handelt. Genaueres soll eine Laboruntersuchung zeigen. Im Landkreis Dillingen gibt es derzeit vier Corona-Fälle, hinter denen die britische Variante stecken soll. Nun folgen Untersuchungen. Auch im Aichacher Krankenhaus gibt es einen Patienten, der sich mit einer Mutante angesteckt hat - auch hier ist noch unklar, mit welcher. Vor Kurzem sorgte die Meldung des Krankenhauses in Garmisch-Partenkirchen für Aufsehen, man habe eine neue Mutation entdeckt. "Allerdings war das nur eine von vielen Mutationen, die harmlos sind", sagt Corona-Experte Wendtner.

    Wie lange dauert es, bis man sicher weiß, um welche Coronavirus-Variante es sich denn nun handelt?

    Das Verfahren ist langwierig. Die Bestimmung von Mutationen erfolgt gestuft aus initial SARS-CoV-2-positiv getesteten Proben mittels mutationen-spezifischer PCR. Die Gesamtgenomsequenzierung ist nach Angaben des LGL ein sehr aufwendiges und kostenintensives Verfahren und dauert je nach Labor und Probenumsatz zwischen 7 und 14 Tagen.

    Wie wird es in Bayern wohl weitergehen?

    Das Problem sei, dass es mittlerweile Fälle der britischen Variante gebe, die keinen Bezug zu England hätten, macht Mediziner Wendtner deutlich. "Das fängt klein an und breitet sich dann immer mehr aus. Mich erinnert das an die Zeit vor einem Jahr, als wir eine Handvoll Patienten hatten." Wendtner glaubt, dass sich die britische Variante festsetzen wird – "und auch durchsetzen, wenn wir nicht aufpassen." Die Verbreitung der südafrikanischen Variante werde hingegen länger dauern, allein schon der Entfernung wegen. "Ich halte es deshalb für sinnvoll, jetzt Flüge aus Südafrika zu kontrollieren, um Eintragungen zu verhindern." Angesichts der neuen Virusvarianten hält Wendtner es für wichtig, die derzeit ergriffenen Infektionsschutzmaßnahmen weiter aufrecht zu erhalten. "Denn wenn sich die britische Variante durchsetzt, dann wird der R-Wert steigen." Man müsse mit einer Zunahme um etwa 0,4 rechnen. "Und dann sind wir wieder deutlich über einem R-Wert von 1." Der Blick nach Portugal zeige, wie schnell die Kurve wieder nach oben gehen kann. In Deutschland müsste der Lockdown so lange durchgezogen werden, bis "wir deutlich unter einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern liegen", sagt Wendtner. Besser noch sei eine Inzidenz von 25 – mit einem R-Wert unter 0,7.

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