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CSU: Warum zwischen Seehofer und Söder fast Funkstille herrscht

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Warum zwischen Seehofer und Söder fast Funkstille herrscht

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    Doppelspitze mit wenigen Gemeinsamkeiten: Horst Seehofer und Markus Söder, hier beim Parteitag der CSU 2015.
    Doppelspitze mit wenigen Gemeinsamkeiten: Horst Seehofer und Markus Söder, hier beim Parteitag der CSU 2015. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Sie haben nicht mehr viel geredet miteinander – nicht in den vergangenen Tagen, nicht in den vergangenen Wochen und Monaten. Die Kontakte zwischen Horst Seehofer und Markus Söder beschränkten sich aufs Unvermeidliche, zum Beispiel auf Kabinettssitzungen in München. Je nach Empfindsamkeit beschreiben andere Mitglieder des Kabinetts den Umgang der beiden politischen Alphatiere der CSU als „geschäftsmäßig“, „stark unterkühlt“ oder „fast gespenstisch“. Die Reviere sind abgesteckt: Seehofer Berlin, Söder München, dazwischen klafft offenkundig ein tiefer Abgrund.

    Alles halb so wild, heißt es dazu aus der Umgebung der beiden Herren. Die Doppelspitze funktioniere trotzdem, weil beide ja wüssten, worum es für die CSU geht. Die Bundestagswahl im Herbst sei in Berlin verloren gegangen, nicht in München. Stichworte: Merkel, Flüchtlingskrise, AfD. Dort müsse die CSU ab jetzt kraftvoller auftreten – mit dem erfahrenen Parteichef am Kabinettstisch. Die Landtagswahl im Oktober jedoch müsse in Bayern gewonnen werden. Hier habe sich die CSU, was die Entwicklung Bayerns in den zehn Jahren unter Seehofer betrifft, zwar nichts vorzuwerfen. Die Bilanz der Staatsregierung sei ansehnlich. Dem Land gehe es so gut wie nie. Jetzt aber müsse die Partei eine neue politische Dynamik entfalten. Söder will lieber heute als morgen loslegen. Von seiner Regierungserklärung, so sagt er, sei ein „Feuerwerk“ zu erwarten.

    Die Arbeitsteilung, die Seehofer und Söder praktizieren, ist ganz offenkundig nicht das Ergebnis strategischer Planung. Sie ist aus der Not geboren. Seehofer hat das in den vergangenen Tagen in mehreren Interviews indirekt eingeräumt. „Wenn es um so wichtige Fragen geht wie die Macht, dann springt die Logik manchmal aus den Gleisen“, sagte er im Münchner Presseclub. Er beschreibt sich als Opfer einer Demontage. Er nennt seinen Rücktritt als Regierungschef in Bayern paradox und unlogisch. Und seine Enttäuschung über seinen erzwungenen Abschied als Ministerpräsident kann er eher schlecht als recht verbergen. „Sie können eine Partei retten, aber ewig danken wird sie es Ihnen nicht“, sagte er bei einem Besuch in unserer Redaktion.

    Wer in die CSU-Fraktion im Landtag hineinhört, erfährt schnell, dass von „ewig“ tatsächlich keine Rede sein kann. Die meisten Abgeordneten danken es ihm nicht einmal eine kleine Zeit lang. „Er ist vor zehn Jahren hier eingeflogen. Dann war er da. Jetzt fliegt er wieder aus. Dann ist er weg“, sagt ein Abgeordneter, der das kalte Geschäft der Parteipolitik seit drei Jahrzehnten kennt. Abschiedsschmerz? Nullkommanull! Aber wie auch? War es nicht Seehofer, der die Fraktion als „Mäusekino“ verspottet und die Abgeordneten als „Pyjamastrategen“ abqualifiziert hat?

    Was bei der CSU abläuft, ist nicht wirklich logisch

    Das Paradox freilich bleibt: Seehofer hat als Parteivorsitzender eine Bundestagswahl verloren, geht aber hinterher als Parteivorsitzender ins neue Bundeskabinett. Seehofer hat als Ministerpräsident im Wahljahr 2013 der CSU die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag zurückerobert, muss aber im Wahljahr 2018 seinen Hut als Ministerpräsident nehmen – trotz ordentlicher Regierungsarbeit. Logisch ist das in der Tat nicht.

    Die paradoxe Situation ist das Ergebnis eines Machtkampfs. Seehofer hatte das Amt des CSU-Vorsitzenden vor der Bundestagswahl angeboten. Keiner aus der vordersten Riege der Partei meldete sich. Söder lehnte ab, weil er – möglicherweise sogar zu Recht – eine Falle witterte. Er rechnete mit der Niederlage im Bund und wollte nicht der Verlierer sein. Die Begründung des ehrgeizigen Frankens war kurz und knapp: „Mein Platz ist in Bayern.“ Und während Seehofer es gar nicht erst versuchte, sich in der Landtagsfraktion eine Gefolgschaft zu sichern, umgarnte Söder die Abgeordneten und bereitete sich auf diese Weise sein Feld. Jetzt will er durchstarten – mit einem „Feuerwerk“.

    Pulver ist dafür genug da. Die Staatskasse in Bayern ist prall gefüllt. Rund fünf Milliarden Euro hat der Finanzminister auf der hohen Kante. Er kann die Wahlversprechen und Projekte, die er in Kürze präsentieren wird, mit Geld unterlegen. Ob das reichen wird, um sich im Freistaat bis zum 14. Oktober vom Gesamttrend abzukoppeln, der CDU und CSU die dramatischen Verluste bei der Bundestagswahl bescherte? Das ist die ganz große Frage, welche die CSU im ausgehenden Winter 2018 umtreibt.

    Eines der wenigen Fotos aus jüngster Zeit, das Seehofer und Söder gemeinsam zeigt, stammt vom 16. Dezember 2017. CSU-Parteitag, Messehalle Nürnberg: Die beiden Herren hatten noch einmal mühsam zusammengekratzt, was an Gemeinsamkeit da war. Seehofer hatte seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt und Söder als Nachfolger vorgeschlagen. Söder hatte den Delegierten im Gegenzug Seehofer zur Wiederwahl als Parteichef vorgeschlagen. Jetzt standen sie nebeneinander auf der Bühne. Der Ältere nahm die Hand des Jüngeren und zog sie hoch. Der Jüngere ballte zum Zeichen des Triumphs die Faust. Die Doppelspitze war da. Die Partei war erleichtert nach all den Hässlichkeiten der vergangenen Monate.

    High Noon in der CSU - vergangene Woche auf dem Nockherberg mit Stephan Zinner (links als Söder) und Christoph Zrenner als Seehofer.
    High Noon in der CSU - vergangene Woche auf dem Nockherberg mit Stephan Zinner (links als Söder) und Christoph Zrenner als Seehofer. Foto: Matthias Balk, dpa (Archiv)

    Seehofer und Söder: Von "wir" ist nicht die Rede

    Von „wir“ war in der Folgezeit freilich nicht die Rede, nur von „ich“ und „ich“. Seehofer überließ Söder in München das Feld der Landespolitik. Er kam nicht mehr in den Landtag und ließ sich auch in den Pressekonferenzen nach den Kabinettssitzungen nicht mehr blicken. Söder wiederum ließ Seehofer in Berlin machen. Er ging schon vorab auf größtmögliche Distanz zur neuen Bundesregierung und beschränkte seine Anwesenheit bei den Koalitionsverhandlungen auf das Nötigste.

    In der Zeit des Übergangs war die Regierungstätigkeit hier wie dort auf ein Minimum reduziert. Söder überlegte sich einen „Zehn-Punkte-Plan“ für Bayern, den er in seinen Grundzügen der CSU-Landtagsfraktion bei der Klausur in Kloster Banz präsentierte, ohne schon irgendwelche Beschlüsse herbeiführen zu können. Seehofer schaute dort nur für ein paar Stunden vorbei, mischte sich aber nicht mehr groß ein und kümmerte sich ansonsten um die Koalitionsverhandlungen im Bund. Es war ein Nebeneinander, kein Miteinander.

    Auch am Montag beschränken sich die Kontakte zwischen den beiden Teilen der Doppelspitze auf das Allernotwendigste. In der Früh, unmittelbar vor der Sitzung des Vorstands, informiert Seehofer in kleiner Runde über das Datum seines Rücktritts vom Amt des Ministerpräsidenten: Dienstag, 13. März, abends – der letztmögliche Termin vor seiner Vereidigung als Bundesinnenminister am Mittwoch, 14. März. Seine Begründung: Er wolle sich am kommenden Dienstag noch von seinem Kabinett in München verabschieden.

    Mit am Tisch sitzt in der Früh neben Landtagspräsidentin Barbara Stamm und CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer auch Söder. Er hätte sich, wie es heißt, ganz gut ein früheres Datum vorstellen können, um die Regierungsbildung bis zu den Osterferien entspannter über die Bühne bringen zu können. Dennoch willigt er ein. Auch Stamm und Kreuzer stimmen zu, obwohl sie, wie aus Vorstandskreisen verlautet, über Seehofers Ausstieg in letzter Minute „nicht amüsiert“ sind. Doch nach allem, was sich zuletzt ereignet hat, soll es auf die paar Tage jetzt offenkundig auch nicht mehr ankommen. Nach der Sitzung des Vorstands, die nach Aussagen von Teilnehmern weitgehend freundlich und harmonisch verlaufen ist, gehen Seehofer und Söder wieder getrennte Wege.

    Söder über Seehofer: "Er ist in Berlin, ich bin in München, das ist doch gut"

    Seehofer präsentiert bei einer Pressekonferenz am Nachmittag seine Mannschaft für Berlin. Dabei weist er jede Kritik an dem Zeitplan für seinen Rücktritt zurück. Mit dem Plan, so betont er, „löse ich eine Zusage ein, dass das alles vor Ostern seinen Abschluss finden kann.“ Unter Anspielung auf den langen Abgang von Edmund Stoiber im Jahr 2007 fügt er noch hinzu: „Früher hat man sich da neun Monate Zeit genommen, jetzt geschieht das in einer Woche.“

    Söder tut das, was er seit Wochen tut: Gespräche führen, die Regierungserklärung vorbereiten, Kontakt zu den Wählern suchen. Im Cinedrom in Donauwörth erzählt er die Geschichten, mit denen er derzeit durch Bayern tourt: Wie stark sein Vater ihn geprägt hat. Wie seine Frau ihn einst auf den Hund brachte. Er spricht von seiner Liebe zum Kino, von der Leidenschaft für Faschingskostüme, den Leiden eines Club-Fans. „Markus Söder persönlich“ heißt die Vorwahlkampftour, Donauwörth ist die einzige Station in Schwaben. Vor 200 Gästen gibt Söder schon mal den tatkräftigen Landesvater, plaudert ein bisschen aus dem eigenen Leben, über das Land und erklärt beiläufig noch, was sich ändern muss. Dass es bezahlbares Bauland für Familien braucht und eine eigene bayerische Grenzpolizei. Dann sagt er noch: „Es ist einiges liegen geblieben in Bayern.“

    Um Horst Seehofer kommt er an diesem Abend nicht herum. Nach einer Stunde erscheinen Bilder der beiden auf der Leinwand – alte Aufnahmen in Schwarz-Weiß, neue vom Parteitag im Dezember. Und dazu die Fragen nach dem Übergang. „Wir wissen nun, wann der Wechsel kommt, und es wird auch Zeit“, sagt Söder. Natürlich geht es auch um das Thema Doppelspitze – erst recht an diesem Tag. „Starke Persönlichkeiten können auch gut zusammenwirken“, meint Söder. Und dass man sich eine Doppelspitze nicht vorstellen dürfe, als würden zwei Leute „die ganze Zeit Arm in Arm durch die Gegend laufen“. Später dann frotzelt er noch: „Das wird sicher funktionieren – er ist in Berlin, ich bin in München, das ist doch gut.“

    Viele Verantwortliche in der CSU sind da deutlich weniger optimistisch. „Freunde werden die zwei nicht mehr, aber ich hoffe, dass sie sich irgendwie zusammenraufen, wenn der ganze Zinnober jetzt vorbei ist“, sagt einer. „Das muss zwangsläufig so sein, das geht doch gar nicht anders“, sagt ein anderer. Einige erinnern an die Doppelspitze mit Theo Waigel als CSU-Chef und Edmund Stoiber als Ministerpräsidenten. Die beiden hätten sich mit Leidenschaft gezankt, aber sich in entscheidenden Fragen doch immer wieder verständigt.

    Seehofer habe gerade in der Zuwanderungspolitik künftig eine Schlüsselrolle. Söder will im Oktober eine Wahl gewinnen. Das sollte, so meint ein alter Parteistratege, Motivation genug sein: „Die werden innerhalb weniger Stunden im Amt mitbekommen, dass sie ein Mehr an Gemeinsamkeit brauchen.“ Dass das klappen wird, darauf würden längst nicht alle wetten.

    Lesen Sie zum Thema auch: Exklusiv-Umfrage: Nur jeder Vierte glaubt, dass Horst Seehofer ein guter Innenminister wird

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