Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Vor 50 Jahren: Gundremmingen A läutete kommerzielle Atomstrom-Ära ein

Vor 50 Jahren

Gundremmingen A läutete kommerzielle Atomstrom-Ära ein

    • |
    Das erste Groß-AKW in Deutschland: Das Atomkraftwerk Gundremmingen.
    Das erste Groß-AKW in Deutschland: Das Atomkraftwerk Gundremmingen.

    Vor fünf Jahrzehnten wurde in Bayern der Beginn der kommerziellen Atomstrom-Ara in Deutschland besiegelt. Am 24. Juli 1962 gründeten der Stromkonzern RWE und das damalige

    Block A war einige Zeit das weltweit leistungsstärkste Kernkraftwerk

    "Der Block A diente als großtechnisches Demonstrationskraftwerk und erbrachte den Nachweis, dass die Nutzung der Kernenergie auch im industriellen Maßstab möglich ist. Er war für einige Zeit das leistungsstärkste Kernkraftwerk der Welt", sagt eine RWE-Sprecherin. Doch die von den Stromkonzernen erhoffte langfristige Erfolgsgeschichte blieb aus: Nach zwei schweren Unfällen in den 1970er Jahren mit zwei Toten und einem wirtschaftlichen Totalschaden wird Block A wieder zurückgebaut. An dem Standort gehen 1984 Block B und C ans Netz.

    Schon 1961 ging im Freistaat das erste deutsche AKW ans Netz. Im unterfränkischen Karlstein (Landkreis Aschaffenburg) wurde der erste Atomstrom produziert. Das Versuchskraftwerk Kahl arbeitete mit einer 16-Megawatt-Anlage. Es diente vor allem dazu, Erfahrungen mit der Technik zu sammeln und Personal zu schulen.

    In der Branche machte sich damals Euphorie breit. Die Regierung drängte darauf, dass die Industrie in die Atomstromproduktion einsteigt. Die Energieerzeuger folgen dem Ruf. Bis heute wurde Kernenergie laut einer Greenpeace-Studie mit weit über 100 Milliarden Euro subventioniert - das von der Energiewirtschaft unterstützte Deutsche Atomforum  hingegen hält das für völlig überzogen und geht von weniger als 20 Milliarden Euro aus. Das Forum argumentiert damit, dass mit den Atommeilern Jahrzehnte lang günstiger Strom ohne den Ausstoß von Kohlendioxid gewonnen werden konnte.

    Atomkraft spaltete bayerische Bevölkerung

    Da in Bayern Atomstrom in dem halben Jahrhundert besonders gefördert wurde, gab es im Freistaat auch turbulente Zeiten. Denn die Atomkraft spaltete die Bevölkerung: Die einen kämpften mit aller Macht dagegen und fürchten Unfälle und Umweltkatastrophen, die anderen sahen darin die Schaffung sicherer Arbeitsplätze, verbunden auch mit der Ansiedelung weiterer Industrie.

    50 Jahre Atomkraft in Bayern - das ist daher auch die Geschichte von missglückten Projekten. Dazu gehört insbesondere der geplante Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) im oberpfälzischen Wackersdorf. Es gibt erbitterte Proteste der Bevölkerung, zunächst friedliche. Doch nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 eskalierte die Situation. Bei blutigen Krawallen am Bauzaun werden knapp 400 Menschen verletzt, es gab mehrere Tote. Einmal stürzte ein Polizeihubschrauber bei der Verfolgung von Demonstranten ab - ein Beamter starb.

    Im Jahr 1989 kommt für das umstrittene Projekt das Aus, weil in Frankreich der deutsche Atommüll zu einem Drittel der Kosten entsorgt werden kann. Rund 3,2 Milliarden Mark (etwa 1,63 Milliarden Euro) hat die deutsche Energiewirtschaft das WAA-Debakel gekostet. Heute steht auf dem Gebiet ein moderner Industriepark.

    Diese Atomkraftwerke werden in Deutschland betrieben

    Wo stehen welche Atomkraftwerke in Deutschland, wer betreibt sie und wann werden oder wurden sie abgeschaltet? Eine Übersicht:

    Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein wird von E.ON betrieben. Baubeginn war im Januar 1976, im kommerziellen Betrieb ist das AKW seit Dezember 1986. Brockdorf ist ein Druckwasserreaktor und soll 2021 abgeschaltet werden.

    Das Kernkraftwerk Isar liegt nahe Landshut und wird von E.ON betrieben. Isar/Ohu 1 ist ein Siedewasserreaktor. Bauzeit war von 1972 bis 1979. Isar/Ohu 2 ist ein Druckwasserreaktor und ging nach sechsjähriger Bauzeit im April 1988 ans Netz. Isar 2 soll im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Der Atommeiler Isar 1 wurde bereits im August 2011 vom Netz genommen.

    Das Atomkraftwerk Philippsburg steht im Landkreis Karlsruhe (Baden-Württemberg). Betreiberin ist die EnBW. Philippsburg 2, ein Druckwasserreaktor, ging nach achtjähriger Bauzeit 1985 in den kommerziellen Betrieb, der Siedewasserreaktor Philippsburg 1 im Jahr 1980. 2011 wurde Philippsburg 1 vom Netz genommen.

    Das Kernkraftwerk Grohnde (KWG) ist ein Druckwasserreaktor und steht im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. Betreiben wird es von der Firma E.ON. Baubeginn für Grohnde war im Jahr 1986, Betriebsstart 1985, Ende soll 2021 sein.

    Das Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen wird von RWE betrieben. Es wurde in den Jahren 1982 bis 1988 gebaut. In Betrieb bleiben soll der Druckwasserrreaktor bis zum Jahr 2022.

    Das Atomkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg wird von enBW betrieben. Es hat zwei Druckwasserreaktoren, von denen derzeit noch einer in Betrieb ist. Neckarwestheim II soll als eines der letzten deutschen AKW 2022 vom Netz gehen.

    Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld liegt südlich von Schweinfurt am Main. Baubeginn für Grafenrheinfeld war 1974, die Inbetriebnahme war 1981. Das Atomkraftwerk wird von der E.ON Kernkraft GmbH betrieben und wurde 2015 abgeschaltet.

    Gundremmingen B und Gundremmingen C im Landkreis Günzburg sind zusammen das leistungsfähigste Atomkraftwerk Deutschlands. Betrieben werden die Siedewasserreaktoren von der RWE. Baubeginn war im Jahr 1976, Gundremmingen B ging 1984 ans Netz, Gundremmingen C ein Jahr später. Block B soll spätestens 2017 vom Netz gehen, Block C spätestens im Jahr 2021.

    Auch die erste AKW-Demontage gab es in Bayern

    Geschichte schrieb der Freistaat auch mit der Demontage des Atomkraftwerks im niederbayerischen Niederaichbach. Als erstes Kernkraftwerk weltweit war es 1995 mit der Zerkleinerung des Reaktorkerns vollständig demontiert. Die Landtags-SPD und die bayerischen Grünen wollten das AKW eigentlich als "Denkmal einer verfehlten Atompolitik" erhalten.

    Das Kraftwerk erwies sich nämlich als Flop. Die Technik - ein Druckröhrenreaktor - war schon unmittelbar nach Betriebsstart überholt. Am Ende war der Meiler nur zwei Jahre (1973 bis 1974) am Netz. In dieser Zeit lieferte er gerade einmal soviel Strom wie er in 18 Tagen unter Volllast hätte produzieren können.

    Dem Atomkraftwerksboom in den 1970er-Jahren folgt nun der Abschied bis ins Jahr 2022. Von der Bildfläche werden die Meiler jedoch erst Jahrzehnte später verschwunden sein. Der Atommüll jedoch bleibt. Im Moment stehen die Castorbehälter noch in den kraftwerkseigenen Zwischenlagern. Die Endlagersuche ist auch 50 Jahre nach dem Start in die kommerzielle Atomstrom-Ära noch immer nicht abgeschlossen. Sie soll jetzt nach dem Streit um Gorleben bundesweit neu aufgerollt werden - auch in Bayern soll nach einem geeigneten Endlager gesucht werden. dpa-lby/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden