Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

"Voice of Anger": So gefährlich ist die rechte Szene im Allgäu

"Voice of Anger"

So gefährlich ist die rechte Szene im Allgäu

    • |
    Früher eindeutige Merkmale der rechten Szene, heute deutlich seltener zu sehen: Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und Bomberjacken
    Früher eindeutige Merkmale der rechten Szene, heute deutlich seltener zu sehen: Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und Bomberjacken Foto: Bernd Thissen, dpa

    Eine idyllische Urlaubsregion mit Bergen, Kühen und viel Natur. So sehen viele das Allgäu. Aber dort ist auch ein brauner Sumpf zu finden, in dem sich Rechtsextreme wohlzufühlen scheinen: Nach Angaben der Bayerischen Staatsregierung ist die 2002 im Raum Memmingen gegründete Skinhead-Kameradschaft „Voice of Anger“ die größte derartige Gruppierung im ganzen Freistaat. Ihre Fühler reichen bis ins Ausland, erklärt der Journalist Sebastian Lipp, der sich seit Jahren mit der rechten Szene im

    Die Polizei bestätigt, dass sich die rechts-motivierte Kriminalität in der Region im bayernweiten Vergleich auf einem mittleren bis hohen Niveau bewegt. 214 politisch motivierte Straftaten aus dem rechten Spektrum hat das

    Kriminaldirektor Albert Müller betont jedoch, dass die bisher nicht veröffentlichten Zahlen für 2018 leicht rückläufig seien. Außerdem sei die Einschätzung, welche Straftaten tatsächlich politisch motiviert sind, nicht immer eindeutig und könne sich im Laufe der Ermittlungen verändern.

    In einigen Fällen gibt es aber kaum Zweifel, dass es sich um Taten mit rechtsextremem Hintergrund handelt. In der Silvesternacht zum Jahr 2017 beispielsweise ging vor einem Asylbewerberheim in Altusried (Oberallgäu) ein Sprengkörper hoch und verursachte einen Schaden von knapp 3000 Euro. Dass keine Personen verletzt wurden, war nach Einschätzung der Polizei reiner Zufall. Wer hinter alldem steckte, konnte bis heute nicht geklärt werden.

    Diese Rolle spielen die Skinheads von „Voice of Anger“

    Unstrittig dagegen ist: Die größte Skinhead-Kameradschaft Bayerns ist im Allgäu zu Hause. Nach Angaben der Staatsregierung liegt der Aktionsschwerpunkt von „Voice of Anger“ im Raum Memmingen und Kempten. Die insgesamt etwa 60 Mitglieder verteilten sich auf mehrere Sektionen und seien auch international auf einschlägigen Veranstaltungen wie beispielsweise Rechtsrock-Festivals unterwegs, sagt Experte Sebastian Lipp. Zudem seien sie die zentralen Akteure im Allgäu. Die Kameradschaft organisiert laut Lipp unter anderem „Heldengedenken“ und rechtsextreme Konzerte. Auf denen werde dann wiederum darüber informiert, wie ein bewaffneter Kampf der Rechten begonnen werden könne.

    Strukturiert ist die Vereinigung offenbar ähnlich wie eine Rockergruppe. „Wer da rein will, muss sich erst einmal als würdig erweisen“, sagt Lipp. Zu erkennen seien die Rechten auf den ersten Blick nicht mehr so einfach wie es früher oftmals der Fall war. Vereinzelt gebe es zwar noch den „klassischen“ Skinhead mit Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke. Zumeist hätten sich die Mitglieder aber optisch der Masse angepasst. Auch seien Geschäftsleute und Unternehmer unter ihnen. „Seit den 90er Jahren hat sich die rechte Bewegung im Allgäu professionalisiert und stabilisiert“, sagt Lipp.

    Chef von „Oldschool Records“ ist eine der Führungsfiguren

    Die Art, wie um Nachwuchs geworben wird, lasse ebenfalls aufhorchen. Es gebe beispielsweise Tattoo- und Piercingstudios im Allgäu, die von Mitgliedern von „Voice of Anger“ geführt werden und über die Kontakt zur Bevölkerung gesucht werde. Auch die Musik spielt eine große Rolle. Das in Bad Grönenbach (Unterallgäu) ansässige rechtsextreme Label „Oldschool Records“ hat nach Informationen von Lipp unter dem Namen „Subcultural Records“ auch Bands unter Vertrag, die vordergründig unpolitisch sind, aber beizeiten auch auf rechten Konzerten oder Festivals auftreten. So sollten die Fanszenen vermischt werden.

    Ohnehin sei „Oldschool Records“, dessen Betreiber nach Angaben der Staatsregierung eine Führungsfigur von „Voice of Anger“ ist, ein Beispiel dafür, wie stark die rechte Szene im Allgäu sei. Das Label habe, sagt Lipp, sowohl internationale Bands unter Vertrag als auch deutsche Musikgruppen, die weltweit auftreten: „Die rechte Szene in der Region ist massiv vernetzt, auch ins Ausland.“

    Doch ebenso lokal könne schnell viel auf die Beine gestellt werden. 2016 haben Rechte in Obergünzburg (Ostallgäu) innerhalb kürzester Zeit einen ausländerfeindlichen Aufmarsch mit 150 Teilnehmern organisiert. „Das waren keine Wutbürger, das waren randalierende Neonazis“, sagte Lars Leveringhaus, der Bürgermeister der 6000-Einwohner-Gemeinde, damals.

    Ein Expertengespräch – unter anderem mit Sebastian Lipp und Grünenpolitikerin Katharina Schulze – über die bundesweite Bedeutung der Allgäuer Szene findet an diesem Dienstag um 19 Uhr im Antoniersaal der Stadt Memmingen statt..

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden