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Vignette: Händler an der Grenze fürchten die Pkw-Maut

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Händler an der Grenze fürchten die Pkw-Maut

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    Für die umstrittene Pkw-Maut muss Verkehrsminister Dobrindt komplexe Vorgaben unter einen Hut bringen. Dafür plant er eine allgemeine Vignettenpflicht.
    Für die umstrittene Pkw-Maut muss Verkehrsminister Dobrindt komplexe Vorgaben unter einen Hut bringen. Dafür plant er eine allgemeine Vignettenpflicht. Foto: Jens Büttner (dpa)

    Geschäftsleute an der Grenze zu Österreich und Tschechien fürchten negative Auswirkungen der Pkw-Maut auf ihren Umsatz. "Ich kann mir schon denken, dass sich mancher Österreicher oder Tscheche überlegt, ob er bei einer Eintrittsgebühr zum Einkaufen noch hierherkommt", sagte Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern (HBE) am Dienstag. "Das kann ein Hindernis sein."

    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Montag seine Mautpläne bekanntgegeben. Demnach soll die Gebühr von 2016 an auf allen deutschen Straßen erhoben werden. Inländische Autofahrer bekommen sie über einen Freibetrag bei der Kfz-Steuer erstattet.

    HBE-Geschäftsführer Ohlmann glaubt, dass die Gebühr - die billigste Vignette soll zehn Euro kosten - bei Ausländern vor allem eine psychologische Komponente hat. Mancher werde sehr genau abwägen, "ob er auch noch eine Straßenbenutzungsgebühr drauflegt, um für einen Tag zum Shoppen nach München zu fahren", erläuterte er. "Die Kunden sind einerseits sehr mobil geworden, andererseits aber auch sehr sensibel."

    Kunden aus Tschechien könnten abgeschreckt werden, sagen die einen

    Für den Oberbürgermeister der nahe zu Tschechien gelegenen Stadt Selb, Uli Pötzsch (Aktive Bürger), wäre die Vignette "eine Katastrophe". Sie drohe Kundschaft aus Tschechien abzuschrecken, sagte der Rathauschef der oberfränkischen Kommune dem Bayerischen Rundfunk. "Das würde mit Sicherheit bedeuten, dass man sich die Fahrt nach Deutschland dann schon überlegt. Und gerade da wir dieses Thema grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Willkommenskultur wirklich leben, ist es mit Sicherheit ein Schlag ins Gesicht."

    Mautkosten in Europa

    Autofahrer werden in vielen europäischen Ländern auf Autobahnen zur Kasse gebeten. Die Systeme sind unterschiedlich. Einige Beispiele:

    FRANKREICH: Die Autobahnen sind von einigen Ausnahmen abgesehen gebührenpflichtig. Der Tarif hängt von der gefahrenen Strecke ab. So fällt beispielsweise für die 465 Kilometer von Paris nach Lyon für Autos eine Maut von etwa 33 Euro an.

    ITALIEN: Fast alle Autobahnen sind mautpflichtig. Auch hier richtet sich der Preis nach der Entfernung. Die 450 Kilometer lange Strecke von Rom nach Bari kostet etwa 33 Euro.

    ÖSTERREICH: Eine Jahresvignette kostet für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen rund 83 Euro, zwei Monate schlagen mit etwa 25 Euro zu Buche, zehn Tage kosten 8,50 Euro.

    SCHWEIZ: Für die Jahresvignette für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen werden 33 Euro fällig.

    SLOWAKEI: Für zehn Tage kostet die Vignette für Autos 10 Euro, für einen Monat 14 und ein Jahr 50 Euro.

    SLOWENIEN: Eine Sieben-Tage-Vignette ist für 15 Euro erhältlich, für einen Monat kostet sie 30 und für ein Jahr 110 Euro.

    DEUTSCHLAND: Im März 2015 hat der Bundestag die Pkw-Maut für deutsche Autobahnen und Bundesstraßen beschlossen. Ausländer können entweder eine Zehn-Tages-Vignette oder eine Zwei-Monats-Vignette erwerben. Die Preise liegen - je nach Gültigkeitsdauer und Motorgröße sowie Schadstoffausstoß - zwischen fünf und 30 Euro. Für in Deutschland registrierte Fahrzeuge wird ein jährlicher Betrag erhoben, der sich auf maximal 130 Euro beläuft.

    Für den OB ist die Maut ein abschreckendes Signal für die nachbarschaftlichen Beziehungen. Das reiche Bayern habe es nicht nötig, seine Nachbarn zu schröpfen. Pötzsch plädierte für eine reine Autobahnmaut. Sie sei unschädlich für die Grenzregion.

    Im niederbayerischen Landkreis Regen fürchtet man vor allem negative Auswirkungen auf den Wintersport. Der Sprecher des Landratsamtes denkt dabei vor allem an die Tagesgäste aus Tschechien, die am Großen Arber skifahren. Abzuwarten sei auch, wie die hierzulande im Tourismus beschäftigten Arbeitskräfte aus dem Nachbarland auf die Maut reagieren.

    Kunden aus Tschechien hätten kein Problem mit der Maut, sagen die anderen

    Der Landrat von Freyung-Grafenau, Sebastian Gruber (CSU), glaubt hingegen nicht, dass es mit der Maut zu Einbußen im Tourismus im Bayerischen Wald kommt. "Für die tschechischen Nachbarn ist das Mautsystem ein gängiges Verfahren und es ist längst überfällig, dass die Maut in Deutschland kommt." Wichtig sei nur, dass die Maut auf allen Straßen erhoben wird, damit die Kommunen auch ein Stück davon abbekommen.

    Sein Chamer Kollege und Parteifreund Franz Löffler pflichtet ihm bei: "Tschechische Bürger kennen die Straßengebühr aus dem eigenen Land. Es wird für sie deshalb kein Argument sein, nicht nach Bayern zu fahren, und zwar zum Arbeiten, zum Einkaufen und auch in der Freizeit." Straßengebühren seien mittlerweile europäischer Standard. Durch die Pkw-Maut fließe dringend benötigtes Geld in den Straßenbau.

    Die Geschäftsleute in der 60.000-Einwohner-Stadt Rosenheim sind zwar nicht glücklich über die geplante Vignette. "Sie ist sicherlich keine Fördermaßnahme für den Einzelhandel", sagt ihr Sprecher Gerhard Buluschek. Andererseits spielten die Kunden aus Österreich keine so große Rolle mehr wie früher, da sie beim Einkaufen die Mehrwertsteuer nicht mehr erstattet bekommen. Zudem habe der Tiroler Einzelhandel aufgerüstet. "Alle großen Handelsketten sind auch dort vertreten", so Buluschek.

    Die Hoffnung: Viele Österreicher werden die Vignette kaufen

    Dennoch wollen die Rosenheimer Einzelhändler - sie setzen in der oberbayerischen Stadt im Jahr fast 700 Millionen Euro um - auch künftig nicht auf die zahlungskräftige Kundschaft aus Österreich verzichten. "Unser Angebot ist gut", meinte Buluschek. Und deshalb ist er überzeugt: "Viele österreichische Nachbarn werden die Vignette kaufen." dpa

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