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Verwandtenaffäre: Seehofer schützt sein Kabinett

Verwandtenaffäre

Seehofer schützt sein Kabinett

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    Dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach dem angekündigten Rückzug von Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid aus dem Landtag und dem Rücktritt des schwäbischen CSU-Abgeordneten Georg Winter vom Amt des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses keine weiteren personellen Konsequenzen fordert, geht aus einer Erklärung von Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) hervor.
    Dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach dem angekündigten Rückzug von Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid aus dem Landtag und dem Rücktritt des schwäbischen CSU-Abgeordneten Georg Winter vom Amt des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses keine weiteren personellen Konsequenzen fordert, geht aus einer Erklärung von Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) hervor. Foto: Peter Kneffel (dpa)

     In der Verwandtenaffäre wird es – zumindest vorerst – keine weiteren Rücktritte und auch keine Entlassungen von Kabinettsmitgliedern geben. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (alle CSU), die ihre Ehefrauen noch kurz vor dem Beschäftigungsverbot im Jahr 2000 bei sich angestellt hatten, dürfen im Amt bleiben. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Landtag, Schwabens

    Seehofer fordert keine weiteren personellen Konsequenzen

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach dem angekündigten Rückzug von Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid aus dem Landtag und dem Rücktritt des schwäbischen CSU-Abgeordneten Georg Winter vom Amt des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses keine weiteren personellen Konsequenzen fordert, geht aus einer Erklärung von Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) hervor. Darin wird Brunner, Eck und Sibler bescheinigt, dass die Beschäftigung ihrer Ehefrauen ab dem Jahr 2000 in allen drei Fällen rechtmäßig war. Es gebe, so erklärte Kreuzer nach persönlichen Gesprächen Seehofers mit den drei Politikern, „keine Anhaltspunkte für ein Verhalten, das persönliche Konsequenzen nach sich ziehen müsste.“ Weiter heißt es: „Die drei Kabinettsmitglieder haben sich gegenüber der Öffentlichkeit zu den jeweiligen individuellen Umständen der Beschäftigung ihrer Ehefrauen erklärt und zugleich deutlich gemacht, dass sie aus heutiger Sicht die Beschäftigung ihrer Ehefrauen als unangemessen beurteilen.“

    Affäre längst noch nicht ausgestanden

    Gleichzeitig stellte sich SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher ausdrücklich hinter seinen Geschäftsführer Güller, der die Unrechtmäßigkeit der Beschäftigung seines Stiefsohns nach eigenen Angaben erst jetzt erkannt und sofort die Gesamtkosten in Höhe von rund 7400 Euro der Staatskasse rückerstattet hatte. „Es handelte sich um einen Irrtum, den er sofort eingeräumt, und um einen Fehler, den er sofort ausgeräumt hat“, sagte Rinderspacher unserer Zeitung. Derart umfassende „Transparenz und Konsequenz“, wie Güller sie gezeigt habe, wünsche er sich auch von anderen Betroffenen.

    Das ist Horst Seehofer

    Am 4. Juli 1949 kam Horst Seehofer im bayerischen Ingolstadt zur Welt. Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Bauarbeiter und LKW-Fahrer.

    Nachdem er die Mittlere Reife erworben hatte, schlug er eine Beamtenlaufbahn ein. 1979 macht Seehofer sein Verwaltungsdiplom an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in München. Bis 1980 arbeitet er für die Landratsämter Eichstätt und Ingolstadt.

    Ab 1969 engagiert sich Horst Seehofer bei der Jungen Union. Zwei Jahre später wird er außerdem Parteimitglied der CDU.

    Von 1980 bis 2008 war er Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Ingolstadt. Nach 28 Jahren, am 4. November 2008, legte er sein Mandat nieder.

    Sechs Jahre lang füllte er die Position des sozialpolitischen Sprechers der CSU-Landesgruppe aus. 1989 wurde er zum Staatssekretär des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung berufen.

    Von 1992 bis 1996 verdingte sich Horst Seehofer als Bundesminister für Gesundheit. Ab 1994 bis zu seiner Mandatsniederlegung 2008 war er stellvertretender Vorsitzender der CSU. Außerdem wirkte er als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und als Landesvorsitzender der Christlich Sozialen Arbeitnehmer-Union (CSA).

    2005 wurde Seehofer zum Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gewählt. Er füllte das Amt drei Jahre lang aus.

    Am 25. Oktober 2008 konnte Horst Seehofer die Wahl zum CSU-Vorsitzenden für sich entscheiden. Kurz darauf wurde er Bayerischer Ministerpräsident.

    Die Universität von Qingdao in China ernannte den Bayerischen Ministerpräsident 2010 zum Ehrenprofessor. Für den Realschüler ohne akademischen Grad hat der Titel eine besondere Bedeutung.

    Seehofer hat zweimal geheiratet. Aus der zweiten Ehe mit Karin Seehofer gingen drei Kinder hervor. Seine vierte Tochter wurde im Juni 2007 geboren. Allerdings nicht von Frau Seehofer, sondern von Anette Fröhlich, die über mehrere Jahre seine Geliebte war. Letztendlich blieb er bei seiner Ehefrau.

    Dass die Affäre damit noch längst nicht ausgestanden ist, zeigt ein etwas skurriler Streit über Ereignisse des Jahres 2009. In einer Sitzung des Ältestenrats im Landtag wurde am 8. Juli über die neuerliche Fortschreibung der Regelung über die Beschäftigung von Familienangehörigen auf Staatskosten informiert. Alle fünf Fraktionen des Landtags saßen damals mit am Tisch. Kritische Nachfragen oder gar Widerspruch aber gab es nicht. Rinderspacher und auch Margarete Bause, die Fraktionschefin der Grünen, haben mittlerweile schon eingeräumt, dass sie bei der Sitzung nicht aufgepasst haben beziehungsweise „nicht misstrauisch genug waren“ (Bause). Auch FDP-Fraktionschef Thomas Hacker sagt, das Thema sei „rückblickend nicht mit der nötigen Sorgfalt behandelt worden.“

    Seehofer hätte informiert sein sollen

    Dass seinerzeit auch der damalige Chef der Staatskanzlei, Siegfried Schneider (CSU), bei der Sitzung anwesend war und somit auch Ministerpräsident Horst Seehofer hätte informiert sein sollen, versuchen SPD und Grüne nun zu einem Gegenangriff zu nutzen. „Uns wurde immer vorgehalten, wir seien die Schlafmützen“, schimpft Rinderspacher, „aber wer sagt, die SPD saß mit am Tisch, der muss auch zur Kenntnis nehmen, dass auch die Staatskanzlei mit am Tisch saß.“ Grünen-Chef Dieter Janecek springt ihm bei: „Herr Seehofer muss erklären, wie es sein kann, dass sein Haus informiert ist, aber der Chef keine Ahnung hat.“

    Ein Regierungssprecher sagte dazu: „Wir in der Staatskanzlei wurden nicht intern darüber informiert, dass dieses Thema auf der Tagesordnung stand, demzufolge hat diese Information auch den Ministerpräsidenten nicht erreicht.“

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