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Verwandtenaffäre: Kabinettsmitglieder zahlten Verwandten über 1,3 Millionen Euro

Verwandtenaffäre

Kabinettsmitglieder zahlten Verwandten über 1,3 Millionen Euro

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    Die betroffenen Kabinettsmitglieder der Verwandtenaffäre zahlten nur rund 126.000 Euro zurück.
    Die betroffenen Kabinettsmitglieder der Verwandtenaffäre zahlten nur rund 126.000 Euro zurück. Foto: Ralf Lienert

    Erst über eine Verfassungsklage gelang es der SPD im Landtag, ihre Veröffentlichung zu erzwingen. Am Mittwochabend nun wurde offiziell bekannt gegeben, wie viel die fünf in die Verwandtenaffäre des Landtags verwickelten Kabinettsmitglieder ihren Ehefrauen oder nahen Verwandten für die Mitarbeit in ihren Abgeordnetenbüros bezahlt und wie viel sie nach Aufforderung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an die Staatskasse zurück überwiesen haben.

    Die Beschäftigung der nahen Verwandten war den Kabinettsmitgliedern nicht verboten. Die Rückzahlung rechtlich nicht verpflichtend. Dennoch steht der CSU-Staatsregierung vermutlich noch einmal Ärger ins Haus. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher nämlich hat schon Anfang dieser Woche klargemacht, dass er eine Rückzahlung der Bruttoverdienste inklusive Sozialabgaben erwarte.

    Zurückgeflossen sind aber offenbar nur Nettobeträge. Einzige Ausnahme ist das sechste Kabinettsmitglied, das von der Verwandtenaffäre nur in einem weiteren Sinn betroffen war: Die schwäbische Ministerin Beate Merk (Neu-Ulm) hatte bei der Firma ihrer Schwester Projektdienstleistungen eingekauft und ordnungsgemäß abgerechnet. Den Gesamtbetrag einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 52 561 Euro hat sie zurückerstattet.

    Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro. Rückerstattet wurde für ihre Zeit der Zugehörigkeit zum Kabinett Seehofer (seit 2008) ein Gesamtbetrag von rund 126 000 Euro. Die Betroffenheiten sind sehr unterschiedlich.

    Spitzenreiter ist Kultusminister Spaenle mit über 600.000 Euro

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Agrarminister Helmut Brunner beschäftigte in den Jahren 2000 bis 2009 seine Ehefrau (in Teilzeit) und über längere Zeiträume auch seine Schwester und seine Nichte (in Minjobs). Der Staat zahlte seinen Verwandten für ihre Arbeit brutto rund 318 000 Euro. Für die Zeit im Kabinett Seehofer erstattete Brunner 13 666 Euro zurück.

    Kultusminister Ludwig Spaenle beschäftigte von 1997 bis Anfang 2013 seine Ehefrau, eine Diplom-Volkswirtin, als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Der Staat zahlte Frau Spaenle dafür rund 635 000 Euro. Für die Zeit im Kabinett Seehofer erstattete Spaenle 37 343 Euro zurück.

    Innenstaatssekretär Gerhard Eck beschäftigte seine Frau im Zeitraum von September 2000 bis April 2013 ganz überwiegend in Teilzeit. Der Staat zahlte Frau Eck dafür rund 200 000 Euro. Für die Zeit im Kabinett Seehofer erstattete Eck 31 416 Euro zurück.

    Kultusstaatssekretär Sibler kam um eine Rückzahlung herum

    Der frühere Finanz- und jetzige Wirtschaftsstaatssekretär Franz Pschierer (Mindelheim) hat seine Ehefrau von Oktober 1994 bis Dezember 2006 im Umfang von 35 Stunden pro Monat geringfügig beschäftigt. Beträge für diesen Zeitraum wurden nicht genannt. Von Januar 2007 bis Februar 2013 arbeitete Frau Pschierer für ihren Mann in Teilzeit und bekam dafür ein Gesamtbruttogehalt von rund 136 000 Euro. Pschierer erstattete den gesamten Nettoverdienst seiner Frau seit seinem Eintritt ins Kabinett in Höhe von 44 202 Euro zurück.

    Kultusstaatssekretär Bernd Sibler beschäftigte seine Ehefrau in Teilzeit vom September 2000 bis Oktober 2007. Sie erhielt dafür rund 90 000 Euro. Außerdem beschäftigte Sibler in den Jahren 1998 bis 2000 kurzfristig im Rahmen eines Minijobs auch seine Mutter. Weil Sibler die Arbeitsverhältnisse vor seinem Eintritt ins Kabinett Seehofer beendete, musste er nichts zurückzahlen.

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