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Verwandtenaffäre: Georg Schmid verteidigt sich auf 50 Seiten

Verwandtenaffäre

Georg Schmid verteidigt sich auf 50 Seiten

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    Nach der Verwandtenaffäre muss sich Georg Schmid nun vermutlich wegen Betrug vor Gericht verantworten.
    Nach der Verwandtenaffäre muss sich Georg Schmid nun vermutlich wegen Betrug vor Gericht verantworten. Foto: Manuel Wenzel

    Kein anderer bayerischer Politiker ist in der Verwandtenaffäre des Landtags so tief gestürzt wie Georg Schmid, der frühere CSU-Fraktionschef aus Donauwörth. Sein Rücktritt ist nun eineinhalb Jahre her. Doch für den 61-jährigen Juristen ist die Affäre noch nicht ausgestanden. Schließlich hat ihn die Augsburger Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung und Abgabenbetrugs angeklagt.

    In den kommenden Wochen wird nun entschieden, ob Schmid sich in einem öffentlichen Prozess für die Anschuldigungen verantworten muss. Seine drei Verteidiger hatten vom zuständigen Amtsgericht Augsburg eine Frist bis 30. Oktober für eine Stellungnahme erhalten. Auf rund 50 Seiten erklären die Anwälte jetzt, weshalb die Vorwürfe gegen Schmid aus ihrer Sicht nicht zutreffen und warum sie sich gegen einen

    Staatsanwaltschaft wirft Georg Schmid Steuerhinterziehung vor

    Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall klar. Sie hat Georg Schmid – und auch seiner Ehefrau Gertrud – im Juli eine Anklage ins Haus geschickt. Demnach soll der Ex-CSU-Politiker mindestens 340.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen haben.

    Das ist Georg Schmid

    Georg Schmid ist ein CSU-Politiker aus Donauwörth. Er war zuletzt Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag.

    Georg Schmid ist katholisch, verheiratet und hat zwei Kinder.

    Geboren wurde er am 20. April 1953 in Donauwörth.

    Das Abitur machte er 1972 in Donauwörth. Danach studierte er Rechtswissenschaften.

    1979 ging er als Jurist zum Landratsamt Dillingen.

    1982 wurde er Vorsitzender der Jungen Union in Donauwörth.

    1987 wurde Schmid Vorsitzender der CSU Donauwörth und 1989 Vorsitzender des CSU-Kreisverbandes Donau-Ries.

    1990 wurde der Unions-Politiker er in den Bayerischen Landtag gewählt.

    1999 wurde Schmid zum Staatssekretär im Bayerischen Sozialministerium berufen.

    Im Jahr 2003 wechselte er als Staatssekretär ins Bayerische Innenministerium.

    2007 wurde er CSU-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag.

    Am 25. April 2013 trat Schmid vom Amt des Fraktionsvorsitzenden zurück, nachdem er wegen der Beschäftigung seiner Ehefrau auf Kosten der Steuerzahler unter Druck geraten war.

    Im März 2015 stand Schmid wegen der Verwandtenaffäre vor dem Augsburger Amtsgericht.

    Am 18. März 2015 verurteilte ihn das Gericht zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Sozialbetrugs und Steuerhinterziehung. Er hatte seine Ehefrau fast 22 Jahre lang als Scheinselbstständige in seinem Donauwörther Abgeordnetenbüro beschäftigt.

    Ihm wird vorgeworfen, seine Frau fast 22 Jahre lang als Scheinselbstständige beschäftigt zu haben. Als Landtagsabgeordneter hatte er seine Ehefrau für Büroarbeiten wie eine Unternehmerin bezahlt und ihr nach eigenen Angaben bis zu 5500 Euro im Monat überwiesen. Tatsächlich soll Gertrud Schmids Firma aber ausschließlich für Georg Schmid gearbeitet haben. Die Kosten trug der Steuerzahler.

    Die Staatsanwaltschaft wertet das als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie als Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Mit dem ehemaligen Fraktionschef ist auch seine Ehefrau angeklagt. Ihr wirft die Anklagebehörde Beihilfe und ebenfalls Steuerhinterziehung vor. Darüber hinaus soll Georg Schmid 13 Jahre lang eine weitere Mitarbeiterin in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigt haben, ohne sie ordnungsgemäß bei der Krankenkasse und dem Finanzamt anzumelden.

    Verteidiger: Georg Schmid hat nicht vorsätzlich gehandelt

    Schmids Verteidiger sehen dagegen kein Verschulden bei ihrem Mandanten. „Dazu müsste Herr Schmid ja vorsätzlich gehandelt haben“, sagt Anwalt Fackler, „das hat er aber nicht“. Vielmehr hätten das Finanzamt und das Landtagsamt über 20 Jahre genau Bescheid gewusst. Die Sozialversicherung habe sogar eine Betriebsprüfung gemacht – ohne Beanstandungen.

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Die brisante Angelegenheit liegt nun bei Richter Michael Nißl. Er wird in den kommenden Wochen prüfen, ob er die Anklage zur Hauptverhandlung zulässt. Ist dies der Fall, wird es zu einem Prozess vor dem Schöffengericht kommen. Berufsrichter Nißl hat dann noch zwei Laienrichter an seiner Seite. Für Georg Schmid dürfte ein demütigender Auftritt in einem Strafprozess einen weiteren Tiefpunkt markieren. Erfahrene Juristen gehen davon aus, dass es so weit kommen wird.

    Eine Frist muss der Richter nicht beachten. Es gilt aber als sicher, dass die Entscheidung über einen Prozess noch in diesem Jahr fällt. Ebenso sicher würde eine Verhandlung erst im neuen Jahr stattfinden. Dem früheren CSU-Fraktionschef droht im Falle einer Verurteilung sogar eine Freiheitsstrafe. Das Strafgesetzbuch sieht für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und für Steuerhinterziehung je eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.

    Die größere finanzielle Belastung droht Georg Schmid jedoch vom Finanzamt und von der Rentenversicherung. Die Rückforderungen von Steuern und Sozialabgaben inklusive Zinsen könnten sich auf einen hohen sechsstelligen Betrag summieren.

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