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Verkehr: Zugausfälle in ganz Bayern: Warum es an Lokführern mangelt

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Zugausfälle in ganz Bayern: Warum es an Lokführern mangelt

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    Dirk Michel aus Neugreifenberg im Landkreis Landsberg hat mit 49 Jahren eine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer begonnen. Um seine berufliche Zukunft muss er sich keine Sorgen machen.
    Dirk Michel aus Neugreifenberg im Landkreis Landsberg hat mit 49 Jahren eine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer begonnen. Um seine berufliche Zukunft muss er sich keine Sorgen machen. Foto: Ulrich Wagner

    Daniel Martin zuckt mit den Schultern. „Es ging nicht mehr anders“, sagt der 37-Jährige und in seiner Stimme klingt Enttäuschung mit. „Jeder Zug, den wir ausfallen lassen müssen, fühlt sich wie eine persönliche Niederlage an“, erklärt Martin. In den vergangenen Wochen musste er viele Niederlagen einstecken.

    Daniel Martin ist Personalkoordinator bei der Bayerischen Regiobahn (BRB) und mitunter dafür verantwortlich, dass in jedem Zug des Unternehmens ein Lokführer sitzt. Doch zuletzt wurde genau das immer schwieriger. „Mir fehlen aktuell zehn von 72 Lokführern und zusätzlich fallen uns weitere Kollegen wegen Urlaub, Elternzeit oder Krankheit weg. Das ist auf Dauer nicht zu stemmen“, klagt Martin. Wochenlang bestand seine Aufgabe darin, „die Telefonliste von A bis Z durchzutelefonieren“ und Kollegen zu bitten, einzuspringen. Schichten wurden übernommen, getauscht, verschoben, die Überstunden wurden immer mehr – bis die

    Mit Problemen wie diesen ist die Bayerische Regiobahn nicht allein. Im Allgäu sorgen seit Monaten Zugausfälle beim „Alex“ für Ärger. Dessen Betreiber, die Länderbahn, schränkte diese Woche auch in der Oberpfalz den Verkehr ihrer Regionalbahnen ein. Und in Oberfranken hatte im Herbst Agilis vorübergehend Züge gestrichen.

    Grüne sprechen von einem „Bahndesaster“

    Ein Unding, findet Ludwig Hartmann. „Berufspendeln wird so zur Zuglotterie mit geringsten Gewinnchancen“, schimpft der Fraktionschef der Grünen im Landtag. Probleme träten immer dann auf, wenn private Anbieter neue Strecken übernähmen, sagt Hartmann und nennt die BRB dafür als Beispiel. Schon Anfang des Jahres hatte die Tochter des französischen Transdev-Konzerns massive Probleme, Lokführer zu finden. Auf der Ostallgäu-Lechfeld-Bahn, die sie erst seit Dezember 2018 betreibt, fielen vor allem zwischen Kaufering und Landsberg viele Verbindungen aus. „Mit dem neuen Anbieter sollten wir einen besseren Service bekommen. Erhalten haben wir ein Bahndesaster unvorstellbaren Ausmaßes“, sagt Hartmann. Er glaubt, dass private Bahnbetreiber aus Kostengründen teils bewusst mit zu dünnen Personaldecken planten. Den Lokführermangel will er daher als Argument nicht gelten lassen.

    Dennoch gibt es ihn – und über die Gründe für die Notlage wird in der Branche derzeit viel diskutiert. Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel im Allgemeinen sind zwei Argumente, die öfter ins Feld geführt werden. Dazu schrecken die Arbeitsbedingungen – Flexibilität, Schichtarbeit, Überstunden und große Verantwortung bei durchschnittlichem Gehalt – manchen Interessenten ab. Andere scheitern an der anspruchsvollen Ausbildung. Und die ständigen Querelen rund um Tarifverhandlungen hätten dem Bild des Lokführers in der Öffentlichkeit zusätzlich geschadet, glauben Experten. Aber auch von einer jahrelangen Trägheit bei der Ausbildung von Nachwuchs ist die Rede.

    Lokführer ist seit Jahren ein „Engpassberuf“

    „Der Triebfahrzeugführer ist seit mehreren Jahren ein sogenannter Engpassberuf“, bilanziert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Bis eine ausgeschriebene Stelle besetzt werden kann, müssten Arbeitgeber im Schnitt etwa ein halbes Jahr lang suchen. Gerade kürzere Strecken im Nahverkehr seien als Einsatzorte auf Dauer nicht attraktiv, sagt Uwe Böhm von der Gewerkschaft Deutscher Lokführer in Bayern. „Es gibt zwar auch Kollegen, die glücklich sind, wenn sie immer die gleichen zehn Kilometer fahren dürfen – aber eben nicht für 30 Jahre.“

    Dieses Problem kennt auch Daniel Martin von der BRB. „Eisenbahner sind oft auch Abenteurer. Sie suchen sich nach einer gewissen Zeit neue Aufgaben – und hinterlassen bei uns im Dienstplan große Lücken“, sagt der Personalkoordinator. Um diese zu schließen, werden bei der Bayerischen Regiobahn aktuell 21 neue Lokführer ausgebildet – allesamt Quereinsteiger mit abgeschlossenen Berufsausbildungen. In acht Monaten werden sie für den Job im Führerstand fit gemacht.

    Einer von ihnen ist Dirk Michel, 49. „Für mich war das schon immer ein Kindheitstraum“, erzählt der Familienvater aus Neugreifenberg (Landkreis Landsberg), der für diesen Traum seinen Job als selbstständiger Vertriebler an den Nagel hängte. Ende August ist er voraussichtlich mit der Ausbildung fertig. Sorgen um eine Anstellung muss er sich keine machen. Bei der Regiobahn wird er künftig von Buchloe aus quer durch Schwaben und Oberbayern fahren. Was ihn daran besonders reizt? „Bei Sonnenaufgang auf Schloss Neuschwanstein zuzufahren – das hat schon was“, sagt Michel. Das Funkeln in seinen Augen verrät: Für manchen hat der Beruf des Lokführers seinen Reiz noch nicht verloren. (mit dpa)

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