Verstopfte Straßen, überfüllte U-Bahnen, lahmgelegte S-Bahnen, Chaos im Berufsverkehr – auf der Suche nach einer Lösung für ihre irdischen und unterirdischen Verkehrsprobleme geht die Stadt München immer öfter auch in die Luft. So wird überlegt, ob künftig Flugtaxis die Menschen von der Innenstadt bis zum Flughafen chauffieren können. Oder ob eine Seilbahn quer durch die Stadt eine geeignete Alternative zu Bus und Bahn sein kann. Um Letzteres herauszufinden, nimmt die Stadt nun gut eine halbe Million Euro in die Hand. Der Stadtrat brachte eine Machbarkeitsstudie auf den Weg, die den Plan einer gut vier Kilometer langen und rund 50 Millionen Euro teuren Seilbahn im Norden der Stadt auf den Prüfstand stellen soll.
Die Hälfte der Kosten für die Studie übernimmt der Freistaat Bayern. Das sagte der neue Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) der Stadt zu und steigt damit bildlich in die gleiche Gondel, in der schon seine Vorgängerin Ilse Aigner (CSU) Platz genommen hatte. Diese hatte in ihrer kurzen Amtszeit von März bis November das Thema urbane Seilbahnen mit viel Schwung vorangetrieben, Fördergelder versprochen, Broschüren drucken lassen und Städte und Gemeinden angehalten, auch in diese Richtung zu denken.
Und ihr Nachfolger? Er zeigt sich im Gespräch mit unserer Redaktion ebenfalls begeistert von der Idee urbaner Seilbahnen. „Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, müssen wir kreativer denken, als wir es in der Vergangenheit getan haben“, sagte Reichhart. Wohin das schließlich führe, könne er nicht vorhersagen: „Ich bin kein Prophet, der weiß, wie wir uns in 20 Jahren fortbewegen werden. Deswegen müssen wir Dinge auch einfach mal ausprobieren, um zu sehen, ob sie funktionieren.“
Verkehrsminister Reichhart: „Querdenken, gerne auch herumspinnen“
In seinem Ministerium befasse sich ein Referat ausschließlich mit der Frage der künftigen Mobilität. „Die Kollegen dort sollen querdenken, gerne auch herumspinnen. Wenn wir mit Scheuklappen an die Sache herangehen, bremsen wir uns nur selbst aus“, sagte Reichhart. Seilbahnen allein würden die Verkehrsprobleme der Zukunft freilich nicht lösen, sagt er. Sie könnten aber ein Teil der Lösung sein.
Ähnlich sieht das Alina Steindl, Mobilitäts-Expertin am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Prien am Chiemsee. Seilbahnen hätten gegenüber U-, S- und Trambahnen deutliche Vorteile. Ihr Bau sei weniger aufwendig, deutlich günstiger und schneller zu bewerkstelligen. Dazu seien sie elektrobetrieben, benötigten wenig Platz und stünden in keiner räumlichen Konkurrenz zu anderen Verkehrsmitteln. Ob eine Seilbahn jedoch für die tägliche Mobilität genutzt werde, hänge vielmehr vom Menschen, aber auch von der Einbindung des Angebots in ein Gesamtmobilitätssystem ab. Der Mensch sei ein Gewohnheitstier. Ihn zum – im wahrsten Sinne des Wortes – Umsteigen zu bewegen, sei schwierig: „Wir wollen beim Pendeln nicht lange nachdenken. Es muss einfach, schnell und kostengünstig sein und besser als die Alternativen“, sagt Steindl. Erfülle eine Seilbahn diese Kriterien, könne sie funktionieren – in großen, aber auch in kleineren Städten.
Daher sei München auch nicht die einzige Kommune, für die ein derartiges Projekt infrage komme, sagte Verkehrsminister Reichhart. So gibt es beispielsweise in Würzburg oder in Passau seit Jahren Diskussionen über Seilbahnen – die aber eher dem Tourismus als dem öffentlichen Nahverkehr dienen würden. Zuletzt bekundeten auch Kommunen aus dem Münchner Umland ihr Interesse, sich per Gondelverkehr an die Landeshauptstadt anzuschließen.
Diskussionen in Augsburg und Neu-Ulm
Und wie sieht die Situation in Schwaben aus – der Heimat des neuen Verkehrsministers, der aus Jettingen-Scheppach im Landkreis Günzburg kommt? Er wolle nicht ausschließen, dass es mancherorts Ideen für Seilbahnen gebe. Bei ihm habe sich jedoch noch kein schwäbischer Bürgermeister gemeldet. „Ich glaube auch, dass es in den meisten Kommunen in Schwaben eher darum geht, Dinge wie Radwege oder Busverbindungen zu verbessern“, sagte Reichhart.
Eine Ausnahme könnte die Stadt Neu-Ulm sein. Nicht, dass es dort nicht auch andere verkehrspolitische Probleme zu lösen gebe. Es gibt aber seit vielen Jahren Überlegungen für den Bau einer Straßenbahnlinie, die mehrfach wieder verworfen wurden. Ebenso wie Gedanken für den Bau einer Seilbahn. Nun – möglicherweise auch angesichts der ministerialen Werbeaktion – könnte die Debatte aber neuen Schwung erhalten. So äußerte sich Oberbürgermeister Gerold Noerenberg (CSU) unlängst aufgeschlossen über die Idee, das bayerische Neu-Ulm mit dem baden-württembergischen Ulm per Seilbahn zu verbinden. Mit seinem Amtskollegen vom anderen Donau-Ufer soll er darüber immerhin schon gesprochen haben.
In Augsburg hatte schon vor Jahren ein Unternehmer den Bau einer Seilbahn angeregt, bei der die Gondeln von der City-Galerie über die Alt- in die Innenstadt schweben würden. Die Idee wurde aber nicht weiterverfolgt.