Es kann schneller passieren, als man denkt: einmal die Tür zu schwungvoll aufgemacht, einmal beim Einparken verschätzt – und schon ist ein Kratzer oder eine Beule in einem anderen Auto. Das Bayerische Innenministerium zählte vergangenes Jahr mehr als 70000 Unfallfluchten. Das bedeutet: Bei fast jedem fünften Unfall machte sich der Verursacher aus dem Staub. Im ersten Halbjahr 2015 waren es knapp 35000 Fälle. Und wieder liegt damit die Quote der Unfallfluchten bei knapp 20 Prozent.
Wieso aber fahren so viele Menschen – nach einem kleinen Unfall – einfach weiter? „Es gibt sicher die, die gleich im Kopf haben, dass der Versicherungsbeitrag jetzt steigt“, erklärt der Augsburger Verkehrspsychologe Marco Schleehuber. Das sei aber nur eine Minderheit. Die Mehrheit wähle spontan aus der Situation heraus den „einfachen Weg“. „Die meisten Menschen haben nach so einem Ereignis nicht den Mut, die Polizei zu rufen und damit den langen und komplizierten Weg zu gehen“, sagt Schleehuber. Denn: „Wenn man beim Ausparken ein Auto anrempelt, dann merkt man das in jedem Fall.“
Genaue Zahlen zu Parkremplern kann das Ministerium dabei gar nicht nennen, so weit wird statistisch nicht aufgegliedert. Fest steht dagegen: Nur bei jeder zwanzigsten Unfallflucht wurden zuvor, bei einem Unfall, Menschen verletzt.
Unfallfluchten sind eine Straftat, die jeden Tag geschieht. Jeden Tag wird auch in unserer Zeitung nach Zeugen gesucht. Wer eine Unfallflucht begeht, riskiert Geldstrafen, Führerschein und den Versicherungsschutz.
Leitplanke geschrammt und weitergefahren? Auch das zählt als Unfallflucht
Das Strafgesetzbuch sieht grundsätzlich vor, dass der Unfallverursacher den Unfallort nicht verlassen darf, bis der Geschädigte zurück zu seinem Auto kommt und alles geklärt werden kann. Begrenzt wird das auf „eine nach den Umständen angemessene Zeit“. Bei einem Supermarktbesuch beispielsweise wird von Juristen oft eine halbe Stunde als Richtlinie angegeben. Wenn der Geschädigte dann noch nicht vorbei gekommen ist, sollte man den Unfall per Handy bei der Polizei melden und erst danach weiterfahren, empfehlen Experten. Ein Zettel unter dem Scheibenwischer reiche nicht.
Um eine Unfallflucht handelt es sich übrigens auch, wenn eine Leitplanke geschrammt wird oder man ein Garagentor anfährt und dann wegfährt. Auch bei solchen Fällen muss gewartet und die Polizei informiert werden, weil Eigentum beschädigt wurde. Seit Anfang 2014 konnte die bayerische Polizei in nur 40 Prozent aller Fälle von Unfallfluchten den Täter ermitteln. Wer erwischt wird, den erwarten Geldstrafen, die schnell in der Höhe eines Monatsgehalts liegen.
Hilft nachträgliche Reue?
Zwei Beispiele von typischen Unfallfluchten aus dem Kemptener Polizeibericht: Ein Lastwagen hat wohl beim Rangieren die Motorhaube eines Ford verkratzt – 600 Euro Schaden, schätzen die Beamten. In einem Parkhaus ist am Heck eine Mercedes C-Klasse angefahren worden – 1500 Euro Schaden. Laut dem Allgemeinen Deutschen Automobil-Club, kurz ADAC, werden Verfahren um Schadenssummen unter 600 Euro oft gegen eine Geldauflage eingestellt. Bei bis zu 1200 Euro Schaden drohe eine Strafe von bis zu einem Monatsgehalt. Wird im Fall des Mercedes der Flüchtige gefunden, muss er wohl mit mindestens einem halben Jahr Führerscheinentzug und mehreren tausend Euro Geldstrafe rechnen.
Im Nachhinein Reue zu zeigen, das hilft dem ADAC zufolge – wenn überhaupt – nur bis zu einer Schadenshöhe von etwa 1200 Euro: Bis zu diesem Betrag könne das vor Gericht strafmildernd ausgelegt werden.