Augsburg Es ist Mittag, als sich am Dienstag bei der Polizei in Jena eine Frau meldet. Die Frau wird von einem Anwalt begleitet. Sie sagt, ihr Name sei Beate Z. und sie werde gesucht. Endet damit die lange Jagd nach den Mördern der Polizeibeamtin Michéle Kiesewetter, die vor vier Jahren in Heilbronn kaltblütig erschossen wurde? Die Ermittler gehen davon aus, dass die 36-jährige Frau zu einer Gruppe gehört, die für den Mord verantwortlich ist.
Der Heilbronner Polizistenmord könnte damit aufgeklärt sein. Der Tod des Augsburger Polizeihauptmeisters Mathias Vieth (41) gibt den Ermittlern dagegen weiterhin Rätsel auf. Der 41-Jährige wurde vor zwölf Tagen im Augsburger Stadtwald bei einer Verfolgungsjagd erschossen. Eine heiße Spur gibt es offenbar nach wie vor nicht. Die Umgebung des Tatortes wurde tagelang akribisch abgesucht, es gibt ein Telefon für anonyme Hinweise und die Belohnung wurde auf 55000 Euro erhöht – bisher alles vergeblich.
Nun prüft die Kripo sogar, ob es eine mögliche Verbindung zwischen den Polizistenmorden in Heilbronn und Augsburg gibt. „Es ist momentan eine Spur von vielen“, sagt Klaus Bayerl, der Chef der 50-köpfigen Sonderkommission „Spickel“, die seit dem Mord fast rund um die Uhr ermittelt. Die Verbindung zwischen den Fällen ist nur eine von rund 400 Spuren, die von den Fahndern abgearbeitet werden.
Doch nichts scheint mehr unmöglich in einem Kriminalfall, der in den vergangenen Tagen immer neue Wendungen nahm.
Ein Rückblick: Es beginnt am vergangenen Freitag im thüringischen Eisenach. Dort überfallen zwei Männer eine Bank und entkommen mit über 10000 Euro Beute. Drei Stunden später, die Polizei ist den Tätern schon auf den Fersen, explodiert ein Wohnmobil, in dem die Leichen der beiden mutmaßlichen Räuber liegen. Offenbar haben sie sich selbst erschossen, heißt es. Wenige Stunden später folgt die nächste Explosion. Dieses Mal kracht es in einer Wohnung im sächsischen Zwickau. Hier sollen die Männer, angeblich 34 und 38 Jahre alt, mit einer Frau seit längerer Zeit gelebt haben. Die Frau, Beate Z., ist verschwunden. Sie wird gesucht, bis sie sich am Dienstag stellt.
Inzwischen scheint klar: Das Trio hat etwas mit dem Mord an der Polizeibeamtin Michéle Kiesewetter (22) zu tun, die am 25. April 2007 am helllichten Tag auf einem Heilbronner Parkplatz mit einem Kopfschuss getötet wurde. Der Streifenkollege wurde dabei schwer verletzt. Die Dienstwaffen der Beamten waren seither verschwunden. Eine Soko konnte die Bluttat nicht klären. Nun sind die Dienstpistolen, Marke Heckler & Koch, wieder aufgetaucht. Sie lagen, neben weiteren Waffen, in dem explodierten Wohnmobil in Eisenach. Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Karl Pflieger hält den Heilbronner Mord damit für aufgeklärt. Der Fund der Dienstwaffen sei ein gewichtiges Indiz. „Solche Waffen gibt man nicht weiter“, sagte er dem Südwestrundfunk. Die Umstände sind reichlich mysteriös. Das kriminelle Trio soll seit Jahren untergetaucht gewesen sein, es wird auch über Kontakte der drei zur Neonazi-Szene spekuliert.
Weshalb sie die Heilbronner Polizistin Michéle Kiesewetter getötet haben sollen, blieb unklar. Auch sind längst nicht alle Ermittler überzeugt, dass der Fall nun wirklich geklärt ist. Das Trio könnte die Waffen auch gekauft haben.
Die ermordete Heilbronner Beamtin stammte, wie das Trio, aus Thüringen – was allerdings auch purer Zufall sein kann. Ungewöhnlich war der Fall von Anfang an. Dass Polizisten ohne Anlass, tagsüber und auf offener Straße niedergeschossen wurden, erstaunte Fachleute. Häufiger werden Beamte getötet, weil sich die Täter einer Festnahme oder Kontrolle entziehen wollen. Kurz nach dem Mord war wegen des Tatwaffen-Kalibers auch über Verbindungen zur osteuropäischen Mafia gemutmaßt worden.
Spekulationen über eine Verbindung zur „Russenmafia“ gibt es auch im Augsburger Mordfall. Die Ermittler gehen davon aus, dass es zwei Schwerkriminelle waren, die vor zwölf Tagen auf einem Motorrad vor der Polizei flüchteten. Als die Flüchtigen mit dem Motorrad stürzten, eröffnete einer der Männer das Feuer und erschoss den Familienvater Mathias Vieth. Die Ermittler überprüfen jetzt, ob mit den Waffen, die im Eisenacher Fall gefunden wurden, womöglich der Augsburger Mord verübt wurde. Angeblich könnte eine Waffe, die in Eisenach gefunden wurde, vom Typ her zum Augsburger Fall passen. Am Tatort hatten die Ermittler auch DNA gefunden, die von den Tätern stammen könnte. Nun wird abgeglichen, ob das in Augsburg gesicherte Erbgut möglicherweise von den beiden toten Thüringern stammt.
Ergebnisse liegen aber wohl noch nicht vor. Ermittler sprechen nur von einer vagen Spur. An Spekulationen beteilige er sich nicht, sagt Soko-Chef Klaus Bayerl. (mit dapd)