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Prozess in Augsburg: Ursula Herrmann: Das letzte Gefecht um die Schuld

Prozess in Augsburg

Ursula Herrmann: Das letzte Gefecht um die Schuld

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    Im Prozess um die Entführung der Schülerin Ursula Hermann vom Ammersee geht es jetzt um einen Ex-Polizisten, der jahrelang Hauptverdächtiger war.

    r den Angeklagten Werner M. geht es im neuen Jahr um alles. Noch 2010 wird das Augsburger Schwurgericht sein Urteil fällen: Hat der bärtige Hüne die zehnjährige Ursula Herrmann aus Eching am Ammersee entführt und getötet? Oder war er es nicht?

    Falls der 59-Jährige freigesprochen werden sollte, bliebe die Frage: Wer war es dann? Ungezählte Menschen sind in den 28 Jahren der Ermittlungen in Verdacht geraten. Am Ende blieben für die Strafverfolger zwei Hauptverdächtige: zum einen eben Werner M., der im Mai 2008 festgenommen worden war und angeklagt wurde. Der andere ist Harald W., ein vorzeitig pensionierter Polizist aus München, gegen den fünf Jahre lang als Hauptverdächtigen ermittelt wurde.

    Im Augsburger Prozess steht der Ex-Polizist für die nächsten Wochen im Mittelpunkt. Werner M.s Verteidiger sieht W. als "Alternativtäter" und wird alles daran setzen, Indizien für eine Täterschaft des früheren Polizeibeamten zu finden. Das würde zugleich Zweifel an der Schuld seines Mandanten schüren. Und wenn Zweifel bleiben, könnte das Gericht Werner M. nicht wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge verurteilen.

    Was es für Verteidiger Rubach leichter und für das Gericht schwerer macht, ist die Tatsache, dass der Ex-Polizist Harald W. 1995 gestorben ist. Er trank sich zu Tode. Im Jahr 1974 hatte W. im Dienst einen Bauchdurchschuss erlitten und musste mehrfach operiert werden.

    Warum geriet der Ex-Polizist überhaupt ins Visier der Ermittler?

    Harald W. diente einem Zahnarzt als Jagdhelfer. Dessen Revier befand sich im Waldgebiet "Weingarten" zwischen Schondorf und Eching, wo Ursula verschleppt wurde. W. konnte sich dort frei bewegen und kannte sich gut aus.

    Ein Zeuge behauptete, er habe W.s grünen Ford Transit am Tag der Entführung in der Nähe des Tatorts gesehen.

    W. besaß einen Jagdhund - in der Kiste, in der Ursula Herrmann lebendig begraben worden war, hat man neben Menschen- auch Tierhaare gefunden.

    Was die Staatsanwaltschaft als Indiz gegen Werner M. wertet, trifft auch auf Harald W. zu: Er ist Elektriker und war zudem in einer Fernmeldehundertschaft der Polizei ausgebildet worden.

    Die Ermittler waren damals der Ansicht, dass ihr Ex-Kollege von der Persönlichkeitsstruktur her in der Lage zu einem solchen Verbrechen gewesen wäre. W. und sein Streifenpartner waren berüchtigt dafür, dass sie immer wieder Obdachlose schwer misshandelten, W. wurde dafür sogar zu einem halben Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. W. soll zu einem unsteten Lebenswandel mit ständig wechselnden Freundinnen geneigt haben.

    Die Witwe des Ex-Polizisten zeichnete gestern ein völlig anderes Bild von ihrem Mann. Er sei liebevoll und ausgeglichen gewesen, habe gut mit Kindern und Hunden umgehen können. "Ich habe mit der Entführung nichts zu tun, mein Mann auch nicht", sagte sie. Unter den "ungerechten Beschuldigungen" hätten sie und ihr Mann schwer gelitten. 1984 war das Reihenhaus der Familie durchsucht worden.

    Wer war Harald W.? Das herauszufinden ist keine einfache Aufgabe für das Schwurgericht unter Vorsitz von Wolfgang Rothermel. Für kommenden Dienstag sind als Zeugen der Bruder des Ex-Polizisten und dessen beste Freunde geladen.

    Die Verteidigung hat auch beim Hauptindiz gegen ihren Mandanten, einem Tonbandgerät Grundig TK 248, noch nicht aufgegeben. Eine Gutachterin des Landeskriminalamts hatte es als "wahrscheinlich" bezeichnet, dass der bei Werner M. gefundene Apparat für die Erpresseranrufe verwendet worden ist. Die Verteidiger haben nun ein neues Gutachten zu dem Gerät beantragt. Holger Sabinsky

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