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Unterallgäu: Die Bücherstube ohne Internet

Unterallgäu

Die Bücherstube ohne Internet

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    Seit 66 jahren betreibt Gustav Träber seinen Laden ganz ohne Internet. Bestellungen schreibt er mit der Schreibmaschine.
    Seit 66 jahren betreibt Gustav Träber seinen Laden ganz ohne Internet. Bestellungen schreibt er mit der Schreibmaschine. Foto: Ralf Lienert

    Wenn man Gustav Träbers Geschäft auf Miniaturformat verkleinern würde, gäbe es einen schönen Kinderkaufladen aus den 1960er Jahren ab. Die Bücherstube in einem Bauernhaus in Erkheim (Kreis Unterallgäu) ist „ein Fossil“, weiß der 68-jährige Inhaber selbst. Eine Art Tante-Emma-Laden mit vollen Regalen bis unter die niedere Decke. Neben Büchern gibt es Zeitschriften, Schreibwaren, Büroartikel, Geschenkutensilien, Fotokarton und Tonpapier in allen Farben.

    Ganz hinten in dem verwinkelten Laden schrillt eine Glocke, sobald die hölzerne Eingangstüre aufgeht. Der Chef ist dann vielleicht gerade dabei, an seinem schmalen Schreibtisch neben dem Ölofen per Fax eine Bestellung abzuschicken, die er mit der mechanischen Schreibmaschine getippt hat. Seit 66 Jahren hält sich die Bücherstube in dem 3000-Einwohner-Markt. Bis heute kommt sie ohne Internet aus.

    Dabei ist das Angebot durchaus weltläufig. Gleich am Eingang fällt der Blick auf Navid Kermanis „Ungläubiges Staunen über das Christentum“. Für das Buch erhielt der Autor den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Eine Auswahl an Neuerscheinungen ist immer am Lager, sagt Träber. Was neu auf dem Markt ist, kenne er aus Katalogen. Was sonst noch gewünscht wird, bestellt er zumeist telefonisch. „In zwei Tagen ist es da.“ Das aktuelle Buch von Kermani bedeutet auch ihm persönlich etwas: „Haben Sie seine Rede in der Paulskirche gehört? Erschütternd“, findet er.

    Niemand kauft mehr Bastelbücher für Kinder

    Träbers Bestseller aber sind von ganz anderer Art: Bücher über das Stricken, Häkeln und Nähen, von denen er viele vorrätig hat. „Schon seit ein paar Jahren sind sie gefragt.“ Er sei froh darüber, wo doch ständig etwas wegbricht. Bastelbücher für Kinder gehen kaum noch und Schulhefte gebe es ja auch im V-Markt. Als der aufmachte, seien viele Schüler weggeblieben. Hinzu kommt die Konkurrenz im Internet. „Es wird immer schwieriger, noch eine Nische zu finden.“ Weihnachtskrippen aus Oberammergau hat er zuletzt ins Sortiment genommen. Im ungeheizten ersten Stock, wo in Träbers Kindheit das Schlafzimmer der damals vierköpfigen Familie war, sind sie aufgebaut.

    Zum Glück habe er viele „denkende Kunden“ aus der Umgebung, die den Wert eines Geschäfts am Ort noch zu schätzen wissen. Neben dem Bäcker und dem Metzger ist er der letzte alteingesessene Einzelhändler in Erkheim. Seit einigen Jahren bringt Träber zusammen mit einem Freund Kalender mit alten Fotos heraus. In einem davon ist zu sehen, was es hier früher sonst noch gab: die Gemischwarenhandlung Hengeler, das Kaufhaus Kusterer, die Tankstelle, die Genossenschaftsmolkerei. Alle sind weg.

    Als Gustav Träbers Vater Fritz, der aus Dresden stammte, sich nach dem Krieg mit einer Leihbücherei selbstständig machte, brauchte er eine Genehmigung des Bürgermeisters und ein Zeugnis des Pfarrers, dass er „ehrenhaft und zuverlässig“ sei. Gustav Träber erzählt voller Hochachtung von seinem Vater. Dieser war Barmixer in dem

    Viele Kunden kaufen noch in seinem Tante-Emma-Bücherladen - doch bald wird er sein Geschäft für immer schließen

    Als er mit 63 Jahren einen Schlaganfall erlitt und nicht mehr sprechen konnte, übernahm Sohn Gustav bald nach einer Lehre als Bürokaufmann mit seiner Mutter den Laden. Bis zum 80. Lebensjahr arbeitete Dina Träber, mit 98 starb sie.

    Gustav Träber war immer ein Kämpfer für seinen Laden – wie der Vater. Aber es sei bald Zeit aufzuhören, damit er noch andere Dinge bewegen könne. Sein Garten ist ihm wichtig, der Naturschutz, der Chorgesang. „Aber ich werde meine lieben, netten Kunden vermissen“, weiß er schon jetzt. Und es tue ihm so leid, wenn die künftig für jeden Bogen Fotokarton 13 Kilometer nach Memmingen fahren müssen.

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