Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Umwelt: Erschossene Luchse, vergiftete Vögel: Wenn die Natur zum Tatort wird

Umwelt

Erschossene Luchse, vergiftete Vögel: Wenn die Natur zum Tatort wird

    • |
    Diese drei toten Mäusebussarde wurden von einer Spaziergängerin entdeckt. Die Tiere wurden vermutlich vergiftet und dann eine Böschung hinuntergeworfen.
    Diese drei toten Mäusebussarde wurden von einer Spaziergängerin entdeckt. Die Tiere wurden vermutlich vergiftet und dann eine Böschung hinuntergeworfen. Foto: Bettina Schröfl, LBV

    Die drei Vögel liegen regungslos auf dem braunen Waldboden. Die Köpfe sind merkwürdig verdreht, die Füße mit den scharfen Krallen verkrampft. Die Mäusebussarde, die eine Spaziergängerin Ende März in der Nähe von Leiblfing in Niederbayern gefunden hat, wurden vermutlich vergiftet und dann eine Böschung hinuntergeworfen. "Wir müssen davon ausgehen, dass mindestens einer der Mäusebussarde zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hat", sagt Andreas von Lindeiner vom bayerischen Landesbund für Vogelschutz (LBV). Denn in den Krallen befanden sich Efeublätter, die in der Umgebung der Fundstelle nur am Fuß der Böschung wachsen und die der Vogel im Todeskampfwohl abgerissen hat.

    Dokumentiert ist dieser Fall beim Projekt "Tatort Natur", das – wie der prägnante Name schon vermuten lässt – gegen die Naturschutzkriminalität in Bayern kämpft. Also: Gegen die illegale Verfolgung oder Tötung geschützter Wildtiere oder die Zerstörung ihrer Lebensstätten. Am Donnerstag wurde nun ein Report des Projektes vorgestellt – mit erschütternden Ergebnissen.

    Ein ganzer Schwarm Stare wurde vergiftet

    Der Bericht listet für die Jahre 2019 und 2020 insgesamt 75 gemeldete Fälle mit 121 Wildtieren aus 17 geschützten Arten auf – aktuelle Fälle wie etwa die drei getöteten Mäusebussarde in Niederbayern tauchen darin noch nicht auf. Opfer wurden dem Report zufolge häufig Greif- oder Eulenvögel wie Rotmilane, Mäusebussarde, Uhus oder Turmfalken. "Wir haben es überwiegend mit Vergiftungen zu tun", sagt von Lindeiner, einer der Projektleiter. Im Landkreis Cham etwa wurde 2019 ein ganzer Schwarm Stare mit dem in der EU verbotenen Insektizid Carbofuran vergiftet – das Mittel taucht in der Übersicht noch häufiger auf. Viele Tiere starben aber auch in Fallen, die mit Ködern bestückt waren, oder wurden erschossen, wie etwa ein Baumfalke im Frühling 2019 im Landkreis Deggendorf. Der tote Vogel wurde "dann provokant an einem Baum kopfüber aufgehängt", wie es im Report der Naturschützer heißt, der auch darauf hinweist, dass es wohl eine hohe Dunkelziffer gib.

    Vögel werden besonders häufig Opfer der Kriminellen, aber auch Biber und Luchse werden verfolgt. Im Report, der die vergangenen zwei Jahre beleuchtet, ist von fünf getöteten Bibern und zwei Luchsen die Rede. Es gibt aber auch aktuelle Vorfälle: Erst am Donnerstag wurden den Naturschützern von "Tatort Natur" drei geköpfte Biber gemeldet. Die Tiere wurden von einer Spaziergängerin in der Nähe von Freising am Rande eines Golfplatzes gefunden.

    Einem toten Luchs werden die Ohren abgeschnitten - als Trophäe

    Für die Taten, die im Report aufgezählt werden, gibt es viele Motive. Oft handele es sich um Jäger, Geflügel- und Taubenhalter, die in Greifvögeln oder Luchsen Konkurrenten oder Gefahren sehen, machen die Verfasser deutlich. "Manchmal sind es auch Trophäensammler", sagt von Lindeiner. Das zeige sich etwa dann, wenn einem toten Luchs die auffälligen Ohren oder die Krallen abgeschnitten wurden. "Es gibt aber auch Menschen, die einfach Spaß daran haben, Tiere zu quälen. Und manche wollen durch solche Taten auch ihren Hass gegen die Naturschützer zum Ausdruck bringen", fügt von Lindeiner hinzu.

    Auch Luchse werden Opfer von Kriminellen.
    Auch Luchse werden Opfer von Kriminellen. Foto: Franziska Gabbert, dpa

    Das Problem der Naturschützer: Die Kriminellen sind nicht leicht zu schnappen. Ein Großteil der Fälle bleibt unentdeckt und für die Täter somit folgenlos. Laut dem "Tatort Natur"-Report hatte nur einer der 75 registrierten bayerischen Fälle aus den vergangenen zwei Jahren Konsequenzen: Das Amtsgericht Rosenheim verhängte wegen eines illegal per Falle gefangenen Bibers eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro.

    Bislang gibt es nur wenige Verurteilungen

    Unterlassene Meldungen, eine lückenhafte und dezentralisierte Dokumentation oder eine mangelnde Datenlage führten bislang dazu, dass Polizei und Staatsanwaltschaft kaum Ermittlungsansätze hatten und so auch keine Verurteilungen stattfinden konnten. Präzedenzfälle seien aber essenziell, um Täter nachhaltig abzuschrecken, schreiben die Autores des Reports. Im Projekt "Tatort Natur", eine Kooperation von LBV und der Gregor Louisoder Umweltstiftung, sei für Bayern erstmalig eine Meldeplattform mit integrierter Datenbank für Naturschutzkriminalitätsfälle geschaffen worden, um solche Lücken im System zu schließen. "Hierbei ist das Projekt jedoch auf regelmäßige und zuverlässige Fütterung der Daten und Untersuchungsergebnisse – nicht nur von der Bevölkerung, sondern insbesondere auch von Behördenseite – angewiesen, was bis dato noch nicht zufriedenstellend geregelt ist", heißt es im Report. Vieles habe sich aber schon getan, sagt Norbert Schäffer, der Vorsitzende des LBV. Die Polizei reagiere heute anders als vor fünf Jahren. "Über diese Entwicklung bin ich sehr froh. Denn dieses illegale Verfolgen und gezielte Töten von hochbedrohten Arten ist unerträglich."

    Die meisten Fälle von Naturschutzkriminalität gab es in den vergangenen beiden Jahren übrigens in Mittelfranken, gefolgt von Niederbayern und der Oberpfalz. Die wenigsten wurden in Schwaben dokumentiert.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden