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Tragödie: Busunglück in China: Allgäuer Arzt hat Lebensfreude nicht verloren

Tragödie

Busunglück in China: Allgäuer Arzt hat Lebensfreude nicht verloren

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    Thomas Neuerer und Dorothea Hess im Krankenhaus in Murnau.
    Thomas Neuerer und Dorothea Hess im Krankenhaus in Murnau. Foto: Anna Feßler

    Eine tiefschwarze dunkle Nacht – dieses Bild erscheint Dorothea Hess und Thomas Neuerer vor Augen. Immer wenn sie an ihre Reise nach China denken. Eine Reise, die schon kurz nach ihrem Beginn in Peking in einer Katastrophe endet. Der Reisebus mit 19 Frauen und Männern aus dem Allgäu und Bodenseeraum prallt Anfang Oktober auf der Autobahn mit voller Wucht gegen einen Containerlaster und geht in Flammen auf. Sechs Menschen sterben.

    Im Bus sitzen Thomas Neuerer, ein Scheidegger Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und seine Lebensgefährtin Dorothea Hess. Auch sie ist Ärztin. Die Westallgäuer, beide Mitte 40, erleiden schwere Beinverletzungen. Seit Mitte Oktober liegen sie in der Unfallklinik in Murnau. „Es ist mit das Schlimmste, was uns je passiert ist“, sagt Hess. Sie kann ihr Bett nicht verlassen, er sich nur mit einem Rollstuhl bewegen. Wann sie entlassen werden, ist noch nicht klar.

    Mit seiner Begeisterung für die Chinesische Medizin und das asiatische Land wollte Neuerer die Teilnehmer der Reisegruppe – viele Patienten oder Bekannte – anstecken. Das Reiseunternehmen Ultramar aus Scheidegg hatte ein Kulturprogramm vorbereitet. Neuerer, der seit Jahren enge Kontakte zur Universitätsklinik in Tianjian hält, wollte Einblicke in die Traditionelle Chinesische Medizin ermöglichen.

    Neuerer merkt, dass beide Beine gebrochen sind

    Mit einem Nachtflug kommt die Gruppe in Peking an. „Deshalb haben wir im Bus nach Tianjin alle geschlafen“, sagt Neuerer. Das Erste, woran er sich erinnern kann, ist ein heftiger Aufprall. Er will aufstehen, merkt, dass beide Beine gebrochen sind. Direkt vor ihm ragt die Seite des Containerlasters in die Höhe. Der Busfahrer, der links vor ihm sitzt, stirbt bei dem Unfall.

    Mit den Armen hangelt sich Neuerer vom Sitz, die Stufen hinunter. Von Mitreisenden wird er aus dem brennenden Bus geschleppt. Im Straßengraben sitzend, hört er Schreie, ist unfähig, sich zu bewegen. „Ich habe mich so hilflos gefühlt.“ Sein Rucksack liegt im Bus, das Handy hat er in der Hosentasche. Als Erstes ruft er seine elfjährige Tochter an. Neuerer und Hess haben beide zwei Kinder, im Alter von elf bis 21 Jahren. Dann wählt er die Nummer des Reiseunternehmens in Scheidegg. Das nimmt Kontakt mit dem deutschen Botschafter auf. „Ich hatte wahnsinnige Schmerzen, aber ich musste etwas tun.“

    Feuer breitete sich rasend schnell aus

    Zwei Frauen der Reisegruppe packen Hess. „Es gab Verpuffungen, das Feuer hat sich rasend schnell ausgebreitet.“ Sie sieht, wie Menschen aus einem eingeschlagenen Fenster ins Freie klettern. Der Bus ist schnell umringt von Menschen mit Kameras. Zu Hilfe kommt kaum einer. „Das hat nichts mit mangelnder Hilfsbereitschaft zu tun, sondern mit den Gesetzen in China. Wer dort bei einem Unfall hilft, läuft Gefahr, dass er auf Schadenersatz verklagt wird“, weiß Neuerer.

    Als der Rettungsdienst kommt, haben die Verletzten längst nicht das Schlimmste hinter sich. „Wie Vieh haben sie uns auf die Metallpritschen geworfen, ohne Schmerzmittel“. Bei der Erinnerung schaudert es Neuerer. Nur dank seiner Sprachkenntnisse gelingt es ihm, die Einsatzkräfte davon abzuhalten, ihn an den gebrochenen Beinen in den Rettungswagen zu ziehen. Alle Verletzten kommen in das nächstliegende Provinzkrankenhaus, dann in die Uniklinik nach Tianjin. Neuerer und seine Partnerin werden nach Hongkong verlegt.

    In ihre Erinnerungen an den Unfall – für das Paar sinnbildlich eine tiefschwarze dunkle Nacht – mischen sich nach und nach andere Eindrücke. „Wir haben so viel Mitgefühl erlebt, das hat uns sehr gutgetan. Das sind wie leuchtende Sterne in der Dunkelheit“, sagt Neuerer. Er lächelt. Da ist der Arzt in der chinesischen Klinik, der Hess, als sie kaum etwas essen kann, selbst gemachten Joghurt mitbringt. Da ist der deutsche Botschafter, der sie immer wieder besucht. Da sind Freunde aus dem Westallgäu, die bei einem Gottesdienst ihre Anteilnahme zeigen oder ihre Bekannten in China kontaktieren, damit sie den Verletzten aus der Heimat helfen.

    "Dankbar, dass wir noch am Leben sind"

    Neuerer und Hess haben bei all der Trauer und bei all dem Entsetzen über die Katastrophe ihre Lebensfreude nicht verloren. „Wir sind unheimlich dankbar, dass wir noch am Leben sind“, sagt Hess. Sprechen sie über die Menschen, die bei dem Unfall getötet worden sind, werden beide sehr ruhig. „Das ist ganz schrecklich“, sagt Neuerer mit brüchiger Stimme, seine Lebensgefährtin hat Tränen in den Augen.

    Neuerers Liebe zu China ist nicht erschüttert: „Das hätte überall passieren können.“ Er will den Kontakt halten, weiter dorthin reisen und in der Uniklinik in Tianjin den Ärzten über die Schulter schauen. Jetzt in Murnau lässt sich Neuerer von einer Apotheke chinesische Kräuter mischen und aufkochen. Der Sud wird mit kochendem Wasser überschüttet. Mit Erfolg. „Wenn unsere Untersuchungsergebnisse wieder sehr gut sind, sagt der Arzt immer: Ach, das waren die Kräuter.“

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