Augsburg (dpa/lby) - Im Augsburger Prozess um die gescheiterte Entführung des Molkerei-Unternehmers Theo Müller hat der angeklagte 31-jährige Türke jede Tatbeteiligung bestritten. Seine Anwältin verlas am Dienstag zum Prozessauftakt eine entsprechende Erklärung ihres Mandanten. Laut Anklage wollten der Türke und ein Komplize im Sommer 1995 den Multimillionär kidnappen und für dessen Freilassung sechs Millionen Mark (knapp 3,1 Millionen Euro) verlangen. Der Chef der Unternehmensgruppe Müller-Milch hatte aber fliehen können.
Der als Zeuge geladene Müller schilderte, wie er von einer vermeintlichen Polizeikontrolle bei Augsburg angehalten wurde, das Autofenster öffnete und plötzlich eine Pistole an der Schläfe spürte. Auf die Frage des Gerichts, ob der Angeklagte bei dem Überfall dabei gewesen sei, sagte der 65 Jahre alte Unternehmer: "Das kann ich beim besten Willen nicht sagen." Immerhin liege der Vorfall fast zehn Jahre zurück. Als er weggelaufen sei, habe ein anderer Autofahrer angehalten. Daraufhin seien die Kidnapper mit ihrem Wagen geflüchtet.
Eine DNA-Probe der Polizei hat ergeben, dass der Angeklagte im Auto der Kidnapper saß. Der mutmaßliche Komplize des 31-jährigen Türken erschoss sich eineinhalb Wochen nach der gescheiterten Entführung in einem Hotel in Frankreich. Zuvor hatte er sich in einem Interview des Magazins "Stern" als Kopf der Kidnapper offenbart, er hinterließ auch ein schriftliches Geständnis.
Der jetzt angeklagte Türke war erst Jahre nach dem gescheiterten Kidnapping wegen Drogenhandels in Belgien verhaftet worden. Bei dem üblichen Datenabgleich stellte sich heraus, dass seine Fingerabdrücke mit denen übereinstimmten, die am Wagen Müllers gesichert worden waren. Zudem ergaben Speichelrückstände an Zigarettenkippen im Täterfahrzeug eine genetische Übereinstimmung mit der DNA des 31-Jährigen.
Für die angebliche Polizeikontrolle hatten die Täter einen in Polizei-Grün lackierten Transporter gemietet und als Gefängnis vorbereitet. Die beiden Männer hatten sich laut Anklage mit gelben Hemden, grünen Baretts und selbst gefertigten orangefarbenen Schutzwesten mit der Aufschrift "Polizei" verkleidet.
Müller schöpfte zunächst kein Misstrauen, sondern hielt gutgläubig an. Dann rissen die Täter die Wagentüren auf und bedrohten ihr Opfer mit einer Pistole und einem Elektroschocker. Müller sprang mit einem Hechtsprung aus dem Wagen, wurde dann aber zu dem Transporter gezerrt. Nach 20 Metern konnte er sich jedoch, von Schlägen an Hals und Nacken verletzt, losreißen und fliehen.
Der Transporter wurde wenig später verlassen in einem Waldstück nahe der Autobahn Stuttgart-München (A 8) aufgefunden.