Herr Vollmar, Sie sind Tauchlehrer und waren an der Rettung der thailändischen Jugendlichen beteiligt. Am Ende ging alles gut. Hatten Sie an einen solch glücklichen Ausgang überhaupt zu denken gewagt?
Nick Vollmar: Ich hatte mir von Herzen gewünscht, dass die Rettung gelingt. Die Rettung der Jugendlichen und ihres Trainers ist das Ergebnis einer gigantischen logistischen Leistung. Was hier innerhalb von Tagen geleistet worden ist, ist ohne jedes Beispiel. Die Rettung macht mich sehr stolz auf meine thailändischen Freunde und unser Team.
Sie haben geholfen, die Höhle für den Rettungseinsatz vorzubereiten – als einziger Deutscher in einem Team von Freiwilligen. Was haben Sie vor Ort genau gemacht?
Vollmar: Ich war Teil eines von zwei privaten Teams. Das eine bestand aus hochspezialisierten Höhlentauchern aus England. Sie waren es ja auch, die zu den Jugendlichen vorstießen. Mein eigenes Team bestand aus fünf Leuten. Wir waren zusammengewürfelte Freiwillige. Grob gesprochen haben wir die Höhle aufgeräumt und den Rettungseinsatz der Taucher vorbereitet.
Wie haben Sie das gemacht?
Vollmar: Unser Einsatzgebiet lag zwischen dem Basiscamp, das die Thai Navy Seals errichtet haben, und dem Standort der Jugendlichen. Wir haben unter Wasser Hindernisse identifiziert und aus dem Weg geschafft. Es lagen wahnsinnig viele Leitungen in der Höhle. Dort verliefen unter anderem Strom- und Telefonkabel. Wir haben an Kabeln zusammengerollt und beiseitegeschafft, was nur ging. Die Taucher und die Jugendlichen sollten sich nicht darin verheddern.
Wie kamen Sie überhaupt nach Thailand?
Vollmar: Hintergrund war, dass es in ganz Thailand offenbar kein einziges SF2-Sidemount-Rebreather-Gerät gab. Ich habe in einer Facebook-Gruppe einen entsprechenden Aufruf entdeckt. Ich besitze ein solches Gerät und bot deshalb meine Hilfe an.
Was sind Sidemount-Rebreather?
Vollmar: Tauchgeräte, die nicht auf dem Rücken, sondern an der Seite festgeschnallt werden. Das verleiht den Tauchern ein flaches Profil, was angesichts der verwinkelten Höhle sehr wichtig war. Es handelt sich zudem um ein Kreislaufgerät, das einerseits lange Tauchgänge ermöglicht, andererseits keine Blasen durch ausgeatmete Luft ausstößt. Blasen hätten die ohnehin schlechte Sicht weiter verschlechtert.
Wie lange waren Sie vor Ort?
Vollmar: Ich war von Montag bis Donnerstag an und in der Höhle. Dann hat mich leider eine Erkältung erwischt. Für weitere Taucheinsätze wäre ich in diesem Zustand nicht mehr infrage gekommen. Das wäre weder mir selbst noch den anderen Tauchern gegenüber vertretbar gewesen. Also bin ich wieder abgereist. Ich wollte nicht bloß rumstehen und die Retter noch bei ihrer Arbeit behindern.
Haben Sie die betreffende Höhle schon einmal selbst betaucht?
Vollmar: Kein einziger Mensch hat meines Wissens je zuvor in der Höhle getaucht. Das ist keine Höhle, die man betaucht, wenn einem das eigene Leben lieb und teuer ist.
Was macht das Höhlentauchen zu einer solchen Grenzerfahrung?
Vollmar: Die Sicht ist oft schlecht. In der thailändischen Höhle liegt sie unter einem halben Meter. Hinzu kommen oft tückische Strömungen. Das Belastendste ist aber wohl das Wissen, nicht einfach so wieder auftauchen zu können. Dieses Wissen setzt die Psyche des Tauchers unter großen Stress. Wen dieses Wissen in Panik versetzt, der hat unter Wasser ein großes Problem. Dann ist sein Leben in Gefahr.
Wie bringt man denn Jugendlichen, die zum Teil gar nicht schwimmen können, binnen weniger Tage das Tauchen bei – ist das überhaupt möglich?
Vollmar: Sie mussten zwei grundlegende Dinge lernen: zum einen durch ein Gerät zu atmen. Das ist zu schaffen. Zum anderen mussten sie den Tauchern, die sie nach draußen führten, vertrauen. Das ist schon schwieriger.
Wie verhindern Tauchlehrer, dass ihre Schüler in Panik geraten?
Vollmar: Durch Ruhe, durch Präsenz, durch Blick- und Körperkontakt. Der Tauchschüler muss das Gefühl haben, nicht allein zu sein. Er muss wissen, dass der Tauchlehrer bei ihm ist und die Situation unter Kontrolle hat.