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Studium: Das Zoom-Semester: Wie gut funktioniert Uni im Homeoffice?

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Das Zoom-Semester: Wie gut funktioniert Uni im Homeoffice?

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    Statt auf Klappstühlen im Hörsaal finden die Vorlesungen in bayerischen Universitäten und Hochschulen derzeit im digitalen Raum statt.
    Statt auf Klappstühlen im Hörsaal finden die Vorlesungen in bayerischen Universitäten und Hochschulen derzeit im digitalen Raum statt. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Für gut zwanzig Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München wäre es das Highlight ihres Studiums gewesen: Ostern, New York, National Model United Nations – die größte Simulation der Vereinten Nationen, bei der die Arbeit der Organisation nachgestellt wird. Ein halbes Jahr Vorbereitung, ein Moment für die Ewigkeit. Doch die US-Metropole ist im Corona-Strudel versunken. Das Prestigeevent der Politikwissenschaft: abgesagt. Im nächsten Jahr darf eine neue Gruppe auf pandemiefreie Zeiten hoffen. „Das ist nicht wiedergutzumachen“, sagt Berthold Rittberger, Professor für Internationale Politik an der LMU.

    Die Bildungselite im Würgegriff eines Virus – während Kitas und Schulen im Freistaat langsam wieder öffnen, loggen sich täglich die meisten der gut 400.000 bayerischen Studenten in das Videoportal Zoom ein. Statt auf knarzigen Klappstühlen findet die Vorlesung seit Wochen im digitalen Raum statt. Präsenzveranstaltungen sind weitestgehend abgeschafft. Darauf haben sich die bayerischen Hochschulen mit der Staatsregierung geeinigt. Das Sommersemester ist ein Zoomsemester, die Hörsäle sind verwaist, die Studentenkneipen ohnehin zu. Und Stefan Metz, 28, sitzt zu Hause im hessischen Limburg, statt an der Katholischen Universität in Eichstätt zu pauken. „Ungewöhnlich“, findet er. Das Studentenleben falle weg. „Ich bin effizienter. Aber lebendig ist die Lehre natürlich nicht“, sagt der Masterstudent.

    Uni im Homeoffice - läuft ganz gut, aber...

    Es ist ein Tenor, der derzeit bei vielen mitschwingt. Ein fortwährendes Läuft-ganz-gut-aber. Matthias Schmidt, Professor für Humangeografie an der Universität Augsburg, würde lieber mehr Gestein und weniger Bildschirme sehen. Doch die Reisen, die seine Studenten schon nach Zentralasien oder Ghana führten, „sind erst mal verschoben. Wir sind gerade dabei, virtuelle Exkursionen zu erstellen. Aber das ist ja auch widersinnig.“ Rittberger von der LMU erzählt aus dem Homeoffice: „Natürlich fehlt der persönliche Kontakt.“

    In Regensburg, wo die Bibliothek mittlerweile wieder teilgeöffnet hat und Kunst- und Naturwissenschaftsstudenten in Kleingruppen in ihre Praxisräume dürfen, sagt Universitätspräsident Professor Udo Hebel: „Das digitale Semester läuft sehr gut.“ Dann kommt das Aber: „Universitäten leben von Vielfalt, von Begegnungen, vom Leben auf dem Campus. Das ist im Moment natürlich sehr schwierig.“

    Gut 32.000 deutsche Studenten gingen im Jahr 2017 nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdiensts allein über das europäische Förderprogramm Erasmus ins Ausland. Jetzt, wo sich Unis weltweit im Lockdown befinden, hört man von jungen Erwachsenen die verrücktesten Geschichten.

    Von Amelie in Stockholm, Studium in Produktdesign, die nicht mehr in die Werkstätten ihrer Uni kann. Von Max, den Eltern einer Kommilitonin in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem dänischen Odense zurück nach Deutschland karrten. Von Theologiestudent Janes in Costa Rica, der trotz Onlinekursen in Mittelamerika blieb und schreibt: „Wieso abbrechen? Ist doch schön hier.“ Vom angehenden Wirtschaftsingenieur, dem sein Pflichtpraktikum bei VW in Bratislava einfach gekündigt wurde. Von der Rom-Studentin, deren Studienkollegen Angehörige betrauern; von den letzten Flügen aus Danzig, Istanbul oder New Jersey zurück nach Deutschland, bevor Regierungen ihre Grenzen schlossen.

    Auslandssemester fallen der Corona-Krise zum Opfer

    Ein Semester im Ausland macht sich gut im Lebenslauf und verspricht Abenteuer pur vor dem Ernst des Lebens. Nun brechen Tausende ihren Aufenthalt ab oder treten ihre Reise gar nicht erst an. Auch Stefan Metz, der Eichstätter Student, wird seinen bereits zugesagten Platz in Washington D.C. im Herbst wohl nur online füllen können. Politikkurs um Mitternacht, Studieren in Zeiten von Corona.

    Davor rollt bereits das nächste Problem auf Bayerns Unis zu: Die Prüfungsphase im Juli kündigt sich an, obwohl noch nicht alle Klausuren aus dem Vorsemester nachgeholt worden sind. Es stellt sich die Platzfrage: Bei einem Mindestabstand von 1,5 Metern müsste ein Masterseminar in einen Hörsaal ziehen und die Einführungsvorlesung in eine Messehalle. Geografieprofessor Schmidt spricht von einem „riesigen, ungelösten Problem“ – auch im Hinblick auf eine mögliche Öffnung der Präsenzlehre, wie sie derzeit im bayerischen Wissenschaftsministerium geprüft wird.

    Auch im Wintersemester werden digitale Angebote wohl eine große Rolle spielen

    Bleiben Onlineprüfungen als Lösung. Erste Gehversuche an der Münchner LMU bezeichnet Professor Rittberger als positiv. Die Uni Regensburg hat nun eine Taskforce Prüfungen. Ein analoges Bildungssystem steht vor modernen Fragen: Wie etwa verhindert man Schummeleien, ohne Grundrechte einzuschränken? „Es gibt absurde Geschichten: Dass eine zweite Kamera angebracht und der Raum ausgeleuchtet werden muss“, berichtet Professor Schmidt aus Augsburg. Gleichzeitig sind sich alle einig: Die Zwangsdigitalisierung kann ein positiver Schub sein, eine gute Ergänzung für die Zukunft, wenn Studenten wieder verkatert im Audimax sitzen.

    Aber wann ist Uni wieder Uni? Die Regierung selbst will keine Prognose abgeben. Aber es kann wohl noch dauern. „Ich glaube, dass die digitale Lehre auch noch im Winter einen hohen Stellenwert haben wird“, sagt Hochschulleiter Hebel. Schmidts Institut in Augsburg plant das kommende Semester vorerst digital. Auch Rittberger an der LMU rechnet damit. Hinter den Kulissen stellt man sich auf ein weiteres Halbjahr mit Zoom ein.

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