Es passiert innerhalb weniger Augenblicke: In der einen Sekunde ist man noch auf dem Weg zum EInkaufen oder macht einen Spaziergang, in der nächsten liegt man auf dem Gehweg. Immer wieder stürzen Menschen auf schneebedeckten und glatten Fußwegen. Meistens geht der Sturz glimpflich aus, doch was passiert, wenn etwas Schlimmeres passiert? Welche Schuld trägt der Anlieger, der den Weg räumen muss? Und wann muss er eigentlich die Gehwege freimachen? Wir haben die wichtigsten Pflichten und Rechten rund ums Schnee-Räumen zusammengefasst, denn die meisten Gemeinden benutzen eine Musterverordnung.
Wer übernimmt die Räumpflicht und Streupflicht?
Grundsätzlich ist jede Gemeinde für das Räumen und Streuen verantwortlich. Allerdings können sie diese Pflichten durch die Gemeindesatzung an die Eigentümer übertragen. Das machen auch fast alle Kommunen - aus Kostengründen. Der Eigentümer kann die Räum- und Streupflicht allerdings weitergeben. An einen Hausmeisterservice oder den Mieter. Das muss aber ausdrücklich im Mietvertrag geregelt sein.
Wer räumt bei Abwesenheit?
Die Gesetzeslage ist eindeutig: Wer der Räumpflicht nicht nachkommen kann, muss eine Vertretung besorgen - unabhängig davon, ob man in der Arbeit ist, im Urlaub verweilt, krank ist oder körperlich nicht dazu in der Lage ist. Wer einen hilfsbereiten Nachbarn findet hat Glück. Im Notfall muss ein Zeitarbeiter oder ein Hausmeisterservice beauftragt werden.
Was muss alles geräumt werden?
Dass der Gehweg vom Schnee befreit werden muss, ist klar. Und zwar auf einer Breite von mindestens einem Meter. Nur so können zwei Fußgänger problemlos aneinander vorbeigehen. Wenn es keinen Gehweg gibt, muss ein ebenfalls etwa ein Meter breiter Streifen am Straßenrand geräumt werden. Denn irgendwo müssen die Fußgänger laufen könne, um nicht knöcheltief im Schnee zu versinken. Außer dem Gehweg müssen Anlieger auch den Haupteingang, den Weg zu den Mülltonnen, Stellplätzen und Garagen räumen und streuen.
Was passiert, wenn die Gemeinde den Fußweg wieder mit Schnee eindeckt?
Viele Anwohner beschweren sich immer wieder bei der Gemeinde über deren Schneepflüge. Diese decken die freigeschaufelten Bürgersteige beim Räumen immer wieder mit Schnee ein. Das ist ärgerlich, denn dann muss der Anwohner noch einmal zur Schaufel greifen.
Wohin mit dem ganzen Schnee?
Grundsätzlich muss der Schnee auf das eigene Grundstück geschoben werden. Zum Nachbarn darf der Schnee nur, wenn er damit auch einverstanden ist. Sonst gibt es schnell Ärger. Viele Menschen schieben den Schnee einfach auf die Straße. Doch das ist verboten, da sonst der Verkehr beeinträchtigt wird. Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit dar. Im Notfall müssen Anwohner den Schnee zu speziellen Lagerflächen karren, die von den Kommunen ausgewiesen sind. Die Rathäuser geben Auskunft, wo ein solcher Platz in der jeweiligen Gemeinde zu finden ist.
Räumpflicht und Streupflicht: Wann muss geräumt werden?
Die Streu- und Räumpflicht ist werktags zwischen 7 und 20 Uhr. An Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ab 8 Uhr. Innerhalb dieser Zeitspanne müssen die Gehwege so geräumt und gestreut sein, dass kein Fußgänger ausrutscht. Es gibt aber Ausnahmen von dieser Regelung.
Gastwirte müssen beispielsweise während der Öffnungszeiten immer für freie Fußwege sorgen. Das gleiche gilt für Grundstückseigentümer, die wissen, dass Passanten ihr Grundstück schon früher betreten. Auch sie müssen dann früher räumen, sonst können sie haftbar gemacht werden. In einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz stürzte eine Mitarbeiterin einer Metzgerei morgens um kurz vor 5 Uhr vor dem Betriebstor. Da ihr Arbeitsbeginn um 5 Uhr war, habe der Arbeitgeber seine Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Wenn nur einzelne Personen oder der Zeitungsausträger vor einem privaten Anwesen unterwegs sind, muss nicht vor 7 Uhr geräumt werden.
Wie oft muss geräumt werden?
Die gute Nachricht zuerst: Niemand muss den ganzen Tag mit der Schaufel draußen stehen und jede Schneeflocke vom Fußweg entfernen. Ebensowenig müssen Anwohner laut Bundesgerichtshof ununterbrochen räumen, wenn wegen Dauerschneefalls der Weg sowieso gleich wieder zugeschneit ist. Das sei nicht zumutbar, agumentieren die Richter. Allerdings muss so oft geräumt werden, wie es zur "Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlich ist", heißt es in den Gemeindeverordnungen.
Welche Streumittel dürfen verwendet werden?
Sand, Splitt und Asche werden von den Gemeinden empfohlen. Streusalz ist ist fast allen Gemeinden nur in Ausnahmesituationen erlaubt. Und zwar an Stellen, wo eine erhöhte Gefahr besteht. Das können beispielsweise Treppen oder extreme Steigungen sein. Ansonsten ist Streusalz verboten, denn die Salzionen sind Schädlich für die Pflanzen. Wer als Privatperson beim Salz streuen erwischt wird, muss mit hohen Geldstrafen rechnen.
Was passiert, wenn der Gehweg nicht geräumt wird?
Gemeinden kontrollieren stichprobenartig, ob sich an die Vorgaben gehalten wird, oder gehen Beschwerden von Anwohnern nach. Wer sich nicht daran hält, bekommt dann ein Schreiben von der Gemeinde. Wer sich weiterhin weigert, die Wege zu räumen, erhält ein Bußgeld. Das beträgt dann bis zu 1000 Euro.
Wie geht es nach einem Unfall weiter?
Stürzt ein Fußgänger auf einem ungestreuten oder ungeräumten Weg und verletzt sich, steht ihm Schmerzensgeld und Schadensersatz zu. Im Normalfall springt die Haftpflichtversicherung des Schuldigen ein. Richtig teuer kann es für denjenigen werden, der keine private Haftpflichtversicherung hat. Denn neben den Behandlungskosten können der Geschädigten vor Gericht auch den Verdienstausfall oder Schmerzensgeld einklagen. Bei Hauseigentümern deckt die Gebäudehaftpflicht Schadensersatzansprüche durch Gehwegunfälle ab. Ganz wichtig: Ein Unfall muss der Versicherung immer mitgeteilt werden. Wenn nicht, kann der Fall vor dem Strafgericht landen.
Und was sind die Pflichten der Gemeinde?
Jede Gemeinde ist innerhalb der Ortschaft zum Winterdienst verpflichtet - mit einigen Einschränkungen. Im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz sind diese genau aufgelistet. Eine Räum- und Streupflicht besteht demnach nur an verkehrswichtigen und zugleich gefährlichen Straßenstellen. Als verkehrswichtig beurteilt werden Ortsdurchfahrten von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, örtliche Hauptverkehrsstraßen und große Durchgangsstraßen. Bei kleineren Gemeinden betrifft dies örtliche Verkehrsmittelpunkte wie Ortskern, Marktplatz und Hauptkreuzungsstelle. Eine Pflicht, alle Straßen bei Glätte zu streuen, besteht ebenfalls nicht. Die Straßen müssen nicht im perfekten Zustand sein, sie müssen lediglich verkehrssicher gemacht werden. Und zwar mit Beginn des Hauptberufsverkehrs. In der Regel also ab 7 Uhr morgens. Die Räumpflicht endet - wie bei Privatpersonen - um 20 Uhr.
Außerhalb von geschlossenen Ortschaften sind entweder Gemeinde, Landkreis oder Staat für die Streu- und Räumpflicht verantwortlich - je nachdem, wer Straßeneigentümer ist. Auch hier sind wichtige und gefährliche Stellen für den Verkehr frei zu halten.
Die Gemeinde muss einen Räum- und Streuplan sowie einen Einsatzplan erstellen. Außerdem muss sie ein Streubuch mit Wetteraufzeichnungen führen Bushaltestellen und sonstige öffentliche Einrichtungen, an denen regelmäßig oder zu bestimmten Zeiten ein starker Fußgängerverkehr herrscht, sollen ebenfalls bevorzugt geräumt werden. Auf Friedhöfen müssen dagegen nur die Hauptwege geräumt werden. Außerorts besteht für die Gemeinde auf Fußwegen keine Räum- und Streupflicht.
Wenn das Räumen von Gehwegen auf die Bürger übertragen wurde, gilt diese Verordnungen nur maximal 20 Jahre. Danach läuft sie automatisch aus. Wird keine neue Verordnung erlassen, fällt die Räumpflicht auf die Gemeinde zurück.
Welche Ansprüche haben Autofahrer?
Autofahrer können nach einem Unfall nachts auf einer ungeräumten Straße keinen Schadenersatz von der räumpflichtigen Behörde verlangen. Eine völlige Gefahrlosigkeit der Straßen im Winter kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und daher auch nicht verlangt werden, geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg hervor.
Hinweis der Redaktion: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Beitrag aus unserem Online-Archiv.