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Strafvollzug: Landsberg ist nicht mehr wie Urlaub

Strafvollzug

Landsberg ist nicht mehr wie Urlaub

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    Die JVA Landsberg
    Die JVA Landsberg

    Landsberg. Von Dieter Schöndorfer - Als Lehrer im Justizvollzugsdienst benötigt man eine hohe Frustrationstoleranz. Das behauptet zumindest Klaus Weichert, Rektor an der JVA

    Mehr als drei Jahrzehnte Strafvollzug hat der Pädagoge, der gleichzeitig Chronist des Gefängnisses ist, miterlebt - und er hat in dieser Zeit manchen prominenten Häftling kommen und gehen gesehen.

    Klatsch-Kolumnist Michael Graeter zählt dazu, Karl-Heinz Wildmoser jun., der frühere Geschäftsführer von 1860 München und der Allianz Arena Stadion GmbH, oder jüngst Helg Sgarbi, der die Millionärin Susanne Klatten erpresst hat. In der öffentlichen Wahrnehmung sind es solche Namen, die mit Landsberg in Verbindung gebracht werden.

    Seit einigen Jahren hat sich aber auch dort die Zusammensetzung der momentan 749 Gefangenen geändert. Die überbelegte JVA ist nicht mehr nur für den Erstvollzug zuständig, auch Langzeitstrafen werden dort inzwischen verbüßt. Damit verändert sich auch das Sicherheitsbedürfnis. Bis 2020 soll die Gefängnismauer von jetzt von 3,50 auf 6,50 Meter erhöht werden. Das Gefahrenmanagement-System und die elektronischen Sicherheitsanlagen wurden bereits modernisiert.

    Die Neuauflage des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes, das am 1. Januar 2008 in Kraft trat, rückt die Sicherheit noch mehr in den Vordergrund, als das bereits der Fall war. "Die Qualität der Haftbedingungen wird sich dadurch wieder verändern", befürchtet Klaus Weichert, der am 1. August 1976 als Lehrer in den Justizvollzugsdienst eintrat.

    Er hatte damals über Landsberg auch nur gewusst, dass dort Adolf Hitler ab 1923 während einer Festungshaft den ersten Teil von "Mein Kampf" diktiert haben soll. In Häftlingskreisen hatte die JVA damals eine gewisse Sonderstellung. "Landsberg ist wie Urlaub" war in einem einschlägigen Internetforum zu lesen. Schwere Jungs saßen lange Zeit in den anderen bayerischen Strafanstalten wie zum Beispiel in Kaisheim oder in Straubing.

    Schon der erste Promi, Anton Graf von Arco auf Valley, der am 21. Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner ermordete, erfreute sich gewisser Annehmlichkeiten. Er bekam Ausgang, durfte Besuche empfangen und ein Praktikum im benachbarten Gut Spötting machen. "Eine sehr liberale und humane Phase im Vollzug" erlebte auch Klaus Weichert. Die Motive waren allerdings andere als zu Graf Arcos Zeiten: Als er 1976 in Landsberg anfing, sei das Individuum wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt. Gefangene bekamen die Möglichkeiten, einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung zu absolvieren. So eröffneten sich für sie nie da gewesene Chancen, nach der Haftentlassung den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. "Ein Quantensprung", sagt Weichert. Denn noch bis in die Mitte der 60er Jahre sei es dem Wachpersonal verboten gewesen, überhaupt ein Wort mit den Gefangenen zu reden. Mittlerweile gibt es sogar einen Insassenrat, die Gefangenenmitverantwortung.

    Doch die Zeiten der Liberalisierung im Strafvollzug sind vorbei. Eine Rolle spiele dabei, dass seit 1989 Straftäter aus dem ehemaligen Ostblock die Verhältnisse in den Gefängnissen sehr stark beeinflussen. Klaus Weichert musste erleben, dass der Ton rauer wurde. "Das Individuum zählt für diese Gruppen eigentlich nichts."

    Zu einer Verschärfung führte auch der Mord an der kleinen Nathalie Astner 1996 in Epfach. Für Landsberg war es der Super-GAU, denn der Mörder war schon einmal in der JVA eingesessen. Das Ereignis hatte zur Folge, dass Anträge von Sexualstraftätern von da an rigoros abgelehnt und die von Gewalttätern intensiver geprüft wurden.

    Die Zukunft im Strafvollzug und damit auch in Landsberg sieht Klaus Weichert, der demnächst in Ruhestand geht, in einer weiteren Hochrüstung. Doch er hat sich längst damit abgefunden: In den Augen der Gefangenen "sind wir deren Gegner und werden nicht umarmt".

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