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Steuerhinterziehung: Warum gibt es im Augsburger Goldfinger-Prozess so ein Ende?

Steuerhinterziehung

Warum gibt es im Augsburger Goldfinger-Prozess so ein Ende?

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    Der spektakuläre Augsburger Goldfinger-Prozess ist eingestellt. Die Angeklagten müssen keinen Cent bezahlen.
    Der spektakuläre Augsburger Goldfinger-Prozess ist eingestellt. Die Angeklagten müssen keinen Cent bezahlen. Foto: Arne Dedert, dpa

    Es ist 14.45 Uhr am Montagnachmittag, als der Vorsitzende Richter Johannes Ballis das große Finale im Augsburger Goldfinger-Prozess einläutet. Sein nüchterner Tonfall könnte fast darüber hinwegtäuschen, dass er nichts weniger als einen Paukenschlag verkündet. Das spektakuläre Verfahren um angeblich milliardenschwere Steuerhinterziehung wird nach mehr als einem Jahr Verhandlung eingestellt. Nach diesem Jahr voller Ärger und Unwägbarkeiten huscht nun sogar den Angeklagten Martin H., 49, und Diethard G., 47, ein Lächeln übers Gesicht. Alles vorbei. Ist damit auch alles in Ordnung?

    Nun ja. Das Verfahren wirft selbst nach seiner offiziellen Beendigung Fragen auf. Zum Beispiel die: Warum hat die Augsburger Staatsanwaltschaft nach acht Jahren Ermittlungen und schweren Vorwürfen dieser Einstellung jetzt zugestimmt? Oder: Warum hat das Gericht nicht bis zum Ende verhandelt und freigesprochen, wenn es überzeugt ist, dass die Anklage nicht haltbar ist?

    Verteidiger Richard Beyer machte im Goldfinger-Prozess gewaltig Druck auf die Staatsanwaltschaft.
    Verteidiger Richard Beyer machte im Goldfinger-Prozess gewaltig Druck auf die Staatsanwaltschaft. Foto: Ulrich Wagner

    Von den Vorwürfen der schweren Steuerhinterziehung ist nichts übrig

    Von den ursprünglichen Vorwürfen der schweren Steuerhinterziehung ist nichts übrig geblieben. Das Verfahren ist nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden. Das bedeutet: Das Gericht sieht höchstenfalls eine geringe Schuld und kein öffentliches Interesse mehr an der Strafverfolgung. Die Angeklagten müssen nicht einmal eine Geldauflage zahlen. Das ist durchaus erstaunlich, wenn man bedenkt, dass anfangs das öffentliche Interesse enorm war, die mögliche Summe der hinterzogenen Steuern mit bis zu einer Milliarde Euro beziffert worden war und eine lange Haftstrafe für die beiden Münchner Rechtsanwälte im Raum stand.

    So funktioniert der "Goldfinger"-Steuertrick

    Der "Goldfinger"-Steuertrick kurz erklärt

    Vereinfacht ausgedrückt funktioniert „Goldfinger“ so: Die Goldhandelsfirma musste in einem Land gegründet werden, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen hat. Auf diese Weise konnten Verluste beim Ankauf von Gold in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden.

    So wurden Einkünfte aus dem Verkauf des Goldes im Jahr darauf steuerlich kompensiert. Die Steuerlast konnte massiv gedrückt werden.

    Im besten Fall konnte im ersten Jahr der Steuersatz auf null Prozent gesenkt werden. Im nächsten Jahr erhöhte sich der Steuersatz nur minimal, weil der Betroffene ohnehin nahe am Spitzensteuersatz lag.

    Beim „Goldfinger“-Modell hat der Gesetzgeber über Jahre ein Schlupfloch gelassen. Vor allem bei Einkommensmillionären war dieser Trick beliebt, sie konnten ihre Steuerlast massiv reduzieren. Doch seit 2013 ist die Steuervermeidung über dieses Modell gesetzlich verboten.

    Der Bundesfinanzhof in München, das höchste deutsche Finanzgericht, hatte 2017 allerdings zwei spezielle „Goldfinger“-Modelle unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig akzeptiert. Hier stellt sich aber die Gerechtigkeitsfrage. Denn dieses Modell können sich nur Reiche leisten, weil dafür hohe Summen und teure Top-Steuerberater nötig sind. (hogs)

    So wirkt das Ende irgendwie unklar. Für die Staatsanwaltschaft ist es sogar eine gewaltige Bauchlandung. Und eine Überprüfung durch eine höhere Instanz wie den Bundesgerichtshof kann nicht stattfinden, weil es kein Urteil gibt. Ein Leser schreibt in einem Online-Kommentar: „Einstellung heißt es meiner Ansicht nach meistens, wenn die Richter und Staatsanwälte keine Lust mehr haben und überfordert sind.“

    Gehen wir einmal davon aus, dass beides nicht der Fall war. Dennoch stößt die Entscheidung auch bei Topjuristen teils auf Kritik. So sagt zum Beispiel der ehemalige Vorsitzende einer Großen Wirtschaftsstrafkammer am Augsburger Landgericht: „In solchen Fällen verhandelt man durch und entscheidet.“ Warum ist es hier nicht passiert?

    Die Verteidiger im Goldfinger-Prozess machten gewaltig Druck

    Dadurch, dass das Verfahren vorzeitig beendet worden ist, bleiben die Gründe zum Teil im Dunkeln. Aber es gibt einige Hinweise. Die Verteidigung mit Richard Beyer, Daniel Dinkgraeve, Katharina Wild, Franziska Zeumer und Linda Thirkettle hat beispiellosen Druck erzeugt. Sie hat für die Staatsanwaltschaft gefährliche Nebenkriegsschauplätze wie den Datenschutz eröffnet, wo während der Ermittlungen offenbar nicht alles korrekt gelaufen ist. Sie hat Strafanzeigen gegen Steuerfahnder und Staatsanwälte gestellt und Privatklagen in England angedroht. Nach Recherchen unserer Redaktion wurde zuletzt sogar ein Antrag auf eine Durchsuchung bei der Augsburger Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung gestellt.

    Die Staatsanwaltschaft hatte offensichtlich ein lebhaftes Interesse, weitere Aussagen von Steuerfahndern zu vermeiden. Manche hatten mit ihren Zeugenaussagen die Anklage in Bedrängnis gebracht. So kam zum Beispiel erst auf diese Weise heraus, dass zwei Staatsanwälte Dienstreisen zur EU-Justizbehörde Eurojust nach Den Haag und zu Steuerermittlern nach London unternommen hatten. In den Gerichtsakten war davon nichts. Ein anderer hatte bekundet, dass der Fokus der Ermittlungen schon gesetzt war, bevor er seine Arbeit überhaupt aufgenommen hatte.

    Zudem wollte die Staatsanwaltschaft anscheinend verhindern, dass weitere Kollegen als Zeugen aussagen müssen. Eine frühere leitende Ermittlerin hatte bereits ihre weitere Aussage verweigert mit dem Hinweis, dass sie sich dadurch möglicherweise einer Strafverfolgung aussetzen würde. Eine andere war noch gar nicht im Zeugenstand. Sie hätte wohl Probleme damit gehabt, zu erklären, weshalb sie einen Steuerfahnder nach Großbritannien geschickt hatte, der dort Büros von Goldhandelsfirmen inspizierte und am Ende doch die Vorwürfe blieben, es seien alles nur „Scheinbetriebsstätten“.

    Für die Staatsanwaltschaft Augsburg hätte es noch schlimmer kommen können

    Eine Fortsetzung des Prozesses hätte das Debakel für die Staatsanwaltschaft also nur verschlimmern können. Und für die Angeklagten hat die Einstellung den Vorteil, dass sie keine Revision befürchten und keinen Cent zahlen müssen. Im Gegenzug erhalten sie sogar noch eine Entschädigung vom Freistaat, die in den Millionenbereich gehen dürfte. Und die weiteren Ermittlungsverfahren nach einem anderen Steuermodell namens „Forward“ wurden auch gleich mit eingestellt.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der Goldfinger-Prozess zerstört das Vertrauen in die Gerechtigkeit

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    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge über den außergewöhnlichen Goldfinger-Prozess an:

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