Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Steuerhinterziehung: Goldfinger-Prozess: Chefermittlerin will bewacht werden

Steuerhinterziehung

Goldfinger-Prozess: Chefermittlerin will bewacht werden

    • |
    Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe oder korrektes Steuersparmodell? Die Stimmung im Augsburger Goldfinger-Prozess zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ist vergiftet.
    Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe oder korrektes Steuersparmodell? Die Stimmung im Augsburger Goldfinger-Prozess zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ist vergiftet. Foto: Bas Czerwinski, dpa

    Man kennt dieses Bild von Mafia-Prozessen in Italien oder seltener auch in Deutschland, wenn Verfahren gegen organisierte Kriminelle oder gewalttätige Verbrecher anstehen. Staatsanwälte oder Zeugen werden dann eigens von Wachtmeistern oder Polizisten bewacht. Dass es nun auch im Augsburger Goldfinger-Prozess zu solchen Szenen kommt, ist eine der vielen Merkwürdigkeiten in diesem ganz und gar ungewöhnlichen Verfahren.

    Angeklagt sind ja in diesem Fall keine Gewaltverbrecher, sondern zwei Münchner Rechtsanwälte, die beide auch Steuerberater sind. Ihnen wird vorgeworfen, ein illegales Steuergestaltungsmodell entwickelt und an rund 100 Reiche vertrieben zu haben. Auf diese Weise sollen dem Fiskus bis zu eine Milliarde Euro Steuern vorenthalten worden sein.

    Die Ex-Staatsanwältin ließ sieben Anwälte und Steuerberater verhaften

    Warum es in diesem Prozess, der im Milieu der Einkommensmillionäre spielt, nun solche martialischen Bilder geben wird, kam so: Das Goldfinger-Ermittlungsverfahren wurde zwei Jahre lang – von September 2016 bis September 2018 von einer Sachbearbeiterin der Augsburger Staatsanwaltschaft geleitet. Sie hat das komplexe Verfahren vorangetrieben, die Arbeit der Steuerfahnder koordiniert und letztlich die Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle gegen mehrere Münchner Rechtsanwälte und Steuerberater erwirkt. Sieben Juristen saßen von Januar 2018 an jeweils bis zu vier Monate in Untersuchungshaft. Zu Unrecht, wie sie meinen. Die Beschuldigten halten das Goldfinger-Modell für eine ausgefeilte Steuerspar-Methode, die durch das höchste deutsche Finanzgericht, den Bundesfinanzhof, 2017 abgesegnet worden ist. Und schon gar nicht, so meinen sie weiter, ist es eine Sache des Strafrechts.

    Faule Eier auf das Wohnhaus der Chefermittlerin?

    Dementsprechend sauer waren und sind die Anwälte, dass ihnen ein Strafprozess gemacht wird. Einer der Angeklagten hatte im Mai 2018 in der JVA Stadelheim Besuch von seinem Notar. Bei diesem Besuch erfuhr Diethard G., dass seine Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht München Erfolg hatte und er demnächst aus der U-Haft entlassen wird. Seine Reaktion war nicht ausschließlich von Freude geprägt. G. geriet in Rage. Das geht aus dem Vermerk einer Steuerfahnderin hervor, die zur Besuchsüberwachung eingesetzt war. Dem Gedächtnisprotokoll, das unserer Redaktion vorliegt, ist zu entnehmen, dass G. schimpft, es werde Folgen haben, dass er diese Haft über sich ergehen lassen müsse und „man solle doch mal über Blutrache nachdenken“.

    Mindestens zwei Justiz-Wachtmeister sollen aufpassen, wenn die Chefermittlerin des Goldfinger-Prozesses am Mittwoch als Zeugin aussagt.
    Mindestens zwei Justiz-Wachtmeister sollen aufpassen, wenn die Chefermittlerin des Goldfinger-Prozesses am Mittwoch als Zeugin aussagt. Foto: Matthias Becker

    Als der Notar ihm berichtete, die Beschäftigten der Kanzlei seien auch erleichtert, dass die Chefs wiederkämen, sagte G. ausweislich des Vermerks, er werde jedem Beschäftigten ein Bild und die Anschrift der Staatsanwältin aushändigen, damit diese deren Wohnhaus mit faulen Eiern bewerfen könnten. Dann wandte sich G. an die Steuerfahnderin und sagte offenbar, dass daran ja nichts Falsches sein könne, dies sei doch die persönliche Freiheit des Einzelnen. In der Folge dieser Äußerungen wurde nach Informationen unserer Redaktion das Wohnhaus der Staatsanwältin von der Polizei bewacht.

    Verteidiger kritisieren: Es wurde einseitig ermittelt

    Zweieinhalb Jahre nach der Großrazzia treffen die Angeklagten Diethard G. und Martin H. am Mittwoch im Gerichtssaal wieder auf die Chefermittlerin in ihrem Fall. Die frühere Staatsanwältin ist inzwischen Richterin in gehobener Position am Augsburger Amtsgericht. Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusehen, dass es krachen wird. Die Verteidiger um Richard Beyer haben mehrfach kritisiert, dass im Goldfinger-Verfahren einseitig zu Lasten ihrer Mandanten ermittelt worden sei. Zudem habe die Ermittlerin den Steuerfahndern sehr genaue Vorgaben bezüglich des Ermittlungsergebnisses gemacht.

    Zu ihrer persönlichen Sicherheit hat die Ex-Staatsanwältin den Vorsitzenden Richter der 10. Strafkammer, Johannes Ballis, darum gebeten, dass bei ihrer Zeugenaussage mindestens zwei Justiz-Wachtmeister im Sitzungssaal anwesend sind. Ballis hat dieser Bitte entsprochen. Dies bestätigt der Pressesprecher des Landgerichts Augsburg, Christian Grimmeisen. Der Goldfinger-Prozess, der spätestens seit einem Befangenheitsantrag gegen Richter Ballis in einer vergifteten Atmosphäre stattfindet, ist damit um eine höchst ungewöhnliche Episode reicher.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden