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Steuerhinterziehung: Die Woche der Wahrheit im Goldfinger-Prozess

Steuerhinterziehung

Die Woche der Wahrheit im Goldfinger-Prozess

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    Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe oder korrektes Steuersparmodell? Im Goldfinger-Prozess bricht die Woche der Wahrheit an.
    Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe oder korrektes Steuersparmodell? Im Goldfinger-Prozess bricht die Woche der Wahrheit an. Foto: Bas Czerwinski, dpa

    Seit fast einem Jahr wird im Augsburger Goldfinger-Prozess gestritten, gerungen und geschimpft – teils mit wenigen Fortschritten in der Sache. Die Situation war teilweise so verkeilt, dass zwischenzeitlich zu befürchten stand, das Mega-Verfahren um Steuerhinterziehung könnte noch Jahre dauern. Doch das dürfte sich jetzt ändern. Es ist die Woche der Wahrheit im Goldfinger-Prozess. Nach Recherchen unserer Zeitung werden sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft diese Woche mit ausführlichen Stellungnahmen ihre Standpunkte klarmachen. Danach wird deutlich sein, wie es weitergehen kann.

    Staatsanwaltschaft geht von einem Schaden in Höhe von einer Milliarde Euro aus

    Dass bei einem möglichen Steuerschaden von bis zu einer Milliarde Euro mit harten Bandagen gekämpft werden würde, war zu erwarten gewesen. Das Ausmaß und die Art und Weise der Auseinandersetzung haben dann aber doch überrascht. Die Angeklagten und ihre Verteidiger gehen die Staatsanwaltschaft teils sehr hart an. Sie halten das Vorgehen der Ankläger für überzogen – angefangen von der Untersuchungshaft für mehrere Anwälte, über umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen bis hin zur Anklage. Die beiden angeklagten Münchner Rechtsanwälte und Steuerberater Martin H. und Diethard G. sind überzeugt, dass ihre Form der Steuergestaltung mittels Goldhandel im Ausland steuerrechtlich in Ordnung und schon gar nicht strafbar war. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Sie ist sicher, dass das Vorgehen der Steueranwälte eine Straftat war und dies dem Fiskus bis zu einer Milliarde Euro Steuerschaden gebracht hat. Es ist der einzige Fall, in dem eines der bundesweit rund 500 umstrittenen Goldfinger-Modell – benannt nach dem bekannten James-Bond-Film – in ein Strafverfahren mündete.

    Aufnahme aus dem Verhandlungssaal des Goldfinger-Prozesses.
    Aufnahme aus dem Verhandlungssaal des Goldfinger-Prozesses. Foto: Holger Sabinsky-Wolf

    Goldfinger-Prozess: Staatsanwaltschaft hält Richter für befangen

    Aber nicht nur Verteidiger und Staatsanwälte beharken sich. auch der Vorsitzende Richter der 10. Strafkammer, Johannes Ballis, geriet ins Visier der Ankläger. Ende Mai hatte er vorgeschlagen, alle Verfahren einzustellen. Zwar hätten die beiden Angeklagten nicht immer makellos und teils durchaus „gefahrgeneigt“ gearbeitet. Keiner der Vorwürfe seien aber bis zu jenem Zeitpunkt bewiesen gewesen. Er halte es daher für „vernünftig, fair, gerecht und juristisch richtig“, alle Verfahren in diesem Goldfinger-Komplex zeitnah einzustellen. Und weiter: „Weitere Hauptverhandlungen in diesem Komplex müssten sogar als Ressourcenverschwendung angesehen werden“, schrieb Ballis der Staatsanwaltschaft ins Stammbuch. Die reagierte stinksauer und stellte in allen bei Ballis anhängigen Verfahren einen Befangenheitsantrag. Der wurde im aktuellen Prozess jedoch als unzulässig und unbegründet verworfen. Seither ist die Atmosphäre in dem Prozess komplett vergiftet.

    Am Montagnachmittag will der Vorsitzende Richter nun mit einer zweiten ausführlichen Stellungnahme nachlegen. Es ist nicht zu erwarten, dass er seine Ansicht geändert hat, zumal die Zeugenaussagen in den vergangenen Wochen dazu auch keinen Anlass gaben. Er dürfte eher seine Argumente von damals präzisieren und aktualisieren. Am Ende könnte dann ein klarer Plan des Gerichts stehen, wie es den Prozess mit der grässlichen Außenwirkung weiterführen beziehungsweise möglichst schnell beenden will.

    Geht der Goldfinger-Prozess noch in diesem Jahr zu Ende?

    Ab Mittwoch plant dann die Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Stellungnahme. Auch auf Seiten der Ankläger hat sich mittlerweile bis in höhere Justizkreise die Ansicht durchgesetzt, dass es so wie bisher auf keinen Fall weitergehen kann. Zu rechnen ist damit, dass die Staatsanwältin eine Begrenzung des Prozessstoffs auf wenige Fälle vorschlagen wird – Fälle, in denen die Ankläger besonders überzeugt davon sind, dass sie eine Verurteilung erreichen können. Inwieweit die Vorstellungen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft Schnittmengen haben, wird nach Abschluss beider Statements klar sein. Und dann hat die Verteidigung auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ausgeschlossen ist aber nicht, dass das Verfahren bis Jahresschluss beendet wird.

    So funktioniert der "Goldfinger"-Steuertrick

    Der "Goldfinger"-Steuertrick kurz erklärt

    Vereinfacht ausgedrückt funktioniert „Goldfinger“ so: Die Goldhandelsfirma musste in einem Land gegründet werden, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen hat. Auf diese Weise konnten Verluste beim Ankauf von Gold in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden.

    So wurden Einkünfte aus dem Verkauf des Goldes im Jahr darauf steuerlich kompensiert. Die Steuerlast konnte massiv gedrückt werden.

    Im besten Fall konnte im ersten Jahr der Steuersatz auf null Prozent gesenkt werden. Im nächsten Jahr erhöhte sich der Steuersatz nur minimal, weil der Betroffene ohnehin nahe am Spitzensteuersatz lag.

    Beim „Goldfinger“-Modell hat der Gesetzgeber über Jahre ein Schlupfloch gelassen. Vor allem bei Einkommensmillionären war dieser Trick beliebt, sie konnten ihre Steuerlast massiv reduzieren. Doch seit 2013 ist die Steuervermeidung über dieses Modell gesetzlich verboten.

    Der Bundesfinanzhof in München, das höchste deutsche Finanzgericht, hatte 2017 allerdings zwei spezielle „Goldfinger“-Modelle unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig akzeptiert. Hier stellt sich aber die Gerechtigkeitsfrage. Denn dieses Modell können sich nur Reiche leisten, weil dafür hohe Summen und teure Top-Steuerberater nötig sind. (hogs)

    Der Goldfinger-Prozess hatte Mitte November 2019 begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft Martin H., 48, und Diethard G., 46, vor, sie hätten ein illegales Goldfinger-Steuergestaltungsmodell aufgesetzt und an rund 100 Millionäre vertrieben. Auf diese Weise sollen die Rechtsanwälte laut Anklage Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe dazu in Höhe von rund einer Milliarde Euro begangen haben. Beim umstrittenen Goldfinger-Modell ergibt sich die Steuerersparnis dadurch, dass mittels Goldhandelsfirmen in Großbritannien steuerliche Verluste erzeugt werden konnten, die in Deutschland die Steuerlast stark senkten.

    Der Bundesfinanzhof hat in einem Grundsatzurteil 2017 das Goldfinger-Modell unter bestimmten Voraussetzungen für rechtlich zulässig erklärt. Dass diese Art des Steuern Sparens nur sehr reichen Menschen möglich und damit moralisch möglicherweise fragwürdig ist, ist eine andere Frage. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und mit einer Gesetzesänderung Goldfinger-Modelle unmöglich gemacht.

    Lesen Sie dazu auch: Goldfinger-Prozess: Datenschutz-Debakel für Staatsanwaltschaft

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge über den außergewöhnlichen Goldfinger-Prozess an:

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