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Steuerbetrug: Kommen die Angeklagten im "Goldfinger"-Prozess straffrei weg?

Steuerbetrug

Kommen die Angeklagten im "Goldfinger"-Prozess straffrei weg?

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    Am Augsburger Landgericht wurde ein wesentlicher Punkt des Verfahrens rund um das „Goldfinger“-Modell thematisiert: Von wo aus und vom wem wurden die Geschäfte getätigt?
    Am Augsburger Landgericht wurde ein wesentlicher Punkt des Verfahrens rund um das „Goldfinger“-Modell thematisiert: Von wo aus und vom wem wurden die Geschäfte getätigt? Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbol)

    Der Augsburger Geschäftsmann hatte gerade seinen Anteil an der erfolgreichen Gesundheitsfirma verkauft und einige Millionen Euro damit verdient. Sein Berater schlug ihm vor, in das "Goldfinger"-Modell zu investieren, damit die Steuern nicht den Erlös auffressen. Der Unternehmer war zwar der Ansicht, dass dies eine "Sauerei" ist. Er machte es aber trotzdem. Denn: "Für mich ist unser Modell vergleichbar mit denen der Konzerne, die Gewinne steuersparend ins Ausland verlagern", schrieb er auf. Und notierte weiter: "Beides ist eine legale Sauerei."

    Es ist exakt der Kern des Prozesses, der seit wenigen Wochen das Landgericht Augsburg beschäftigt. Ist das "Goldfinger"-Modell, das die beiden angeklagten Münchner Steuerberater und Anwälte aufgesetzt haben, eine legale oder eine illegale "Sauerei"? Die Staatsanwaltschaft hält das ganze Konstrukt für eine milliardenschwere Steuerhinterziehung. Doch schon nach den ersten Verhandlungstagen kommen erste Zweifel an dieser Sichtweise auf.

    Staatsanwaltschaft steht im "Goldfinger"-Prozess massiv unter Druck

    Denn in einem der größten Steuerstrafverfahren Deutschlands geht es eben nicht um moralische Fragen der Steuergerechtigkeit, sondern um mutmaßliche handfeste Straftaten, die auch nachgewiesen werden müssen. Damit wird sich die Anklagebehörde nicht leichttun. Denn die Angeklagten, selbst Steuerrechtsexperten, wehren sich mit allen Mitteln und setzen die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation gehörig unter Druck.

    Das größte Pfund, das die Verteidigung in der Hand hat, ist ein Urteil des höchsten deutschen Finanzgerichts, des Bundesfinanzhofs (BFH) in München. Der hat sich zwei "Goldfinger"-Modelle genauer angesehen und sie 2017 für rechtens erklärt. In dem Urteil heißt es unter anderem: "Grundsätzlich darf der Steuerpflichtige seine Verhältnisse so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen." So viel zur "legalen Sauerei".

    Die Angeklagten sagen, sie hätten peinlich genau darauf geachtet, dass ihr Modell eben nicht illegal ist und alle Anforderungen des Steuerrechts erfüllt. Das "Goldfinger"-Modell, benannt nach dem bekannten James-Bond-Film, beruht auf einem komplizierten Konstrukt. Spitzenverdiener können durch eigens dafür gegründete Goldhandelsfirma im Ausland steuerliche Verluste erzeugen und ihre Steuerlast so im Idealfall auf null drücken. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war der Goldhandel in England in diesem Fall nur vorgetäuscht. Tatsächlich seien die Geschäfte von München aus gesteuert worden, wo die inzwischen aufgelöste Kanzlei der beiden Angeklagten ihren Sitz hatte.

    Angeklagter im Goldfinger-Prozess nennt Anklage eine "Räuberpistole"

    Um diese Punkte wird nun hart gerungen. Der Angeklagte Martin H., 48, nennt die Anklage eine "Räuberpistole" und wirft den Staatsanwälten Wissenslücken im Steuerrecht vor. Folgt man seinen Ausführungen, dann könnte der Augsburger "Goldfinger"-Prozess zu einem Problem für die Justiz werden. Immerhin wurden nach jahrelangen Ermittlungen mehrere Rechtsanwälte und Steuerberater teils über Monate in U-Haft genommen.

    Neben dem Urteil des Bundesfinanzhofs spielt ihm eine aktuelle Einschätzung des Finanzgerichts Stuttgart über eine ihrer britischen Goldhandelsfirmen in die Karten. Dort hielt eine Richterin fest, dass es ein Unterschied sei, ob eine solche Betriebsstätte vorgetäuscht sei oder zielgerichtet organisiert wurde, um Steuern zu sparen. Das spiegelt exakt die Argumentation der Verteidigung wider.

    Rechtsanwalt Richard Beyer hat von Anfang an gesagt, dass es die Firmen in England tatsächlich gegeben habe und dass sowohl echte Büros als auch Geschäftsführer existierten. Mittlerweile haben auch einige der "Direktoren" der Goldhandelsfirmen bei den Ermittlern ausgesagt und abgestritten, dass sie nur Strohleute waren. Die Augsburger Staatsanwaltschaft hatte diese Geschäftsführer erst nach Erhebung der Anklage als Zeugen gehört.

    Von wo aus und von wem wurden die Geschäfte gesteuert?

    Fällt die Anklage also bereits zu einem so frühen Zeitpunkt in dem auf 80 Verhandlungstage angesetzten Prozess in sich zusammen? Nein. Ein wichtiger Punkt wurde am Mittwoch thematisiert: Von wo aus und von wem wurden die Geschäfte gesteuert – von den Anwälten aus München oder tatsächlich von den Geschäftsführern in England? Da waren Martin H.s Antworten nicht mehr ganz so souverän. In E-Mails, die der Vorsitzende Richter Johannes Ballis vorlas, klang es durchaus so, als ob H. den "Direktoren" in England Anweisungen erteilte. Er selbst erklärte das damit, dass er im Auftrag der Investoren gehandelt habe. Wäre der Goldhandel von Deutschland aus geleitet, dann würde das Steuersparkonstrukt platzen, es funktioniert nur mit einer ausländischen Firma.

    Doch die Verteidigung hält den Druck hoch. Anwalt Beyer forderte am Mittwoch in einem Antrag das Gericht zu einem sogenannten rechtlichen Hinweis auf. Er moniert, dass es in der Anklage an konkreten Vorwürfen fehle. Ohne Präzisierungen falle die Verteidigung schwer.

    Und was macht das Gericht jetzt? Wahrscheinlich wird die 10. Strafkammer über die Weihnachtsferien beraten, wie es weitergeht. Am 8. Januar wird der Prozess fortgesetzt.

    Lesen Sie dazu auch: Wer ist der Erfinder des Goldfinger-Tricks?

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