Von Holger Sabinsky München. Das Finanzamt München hat von einer Imbissbuden-Besitzerin mehr als zwei Milliarden Euro Umsatzsteuer verlangt. Der aberwitzige Behördenfehler könnte den Freistaat teuer zu stehen kommen. Zwei Anwälte wollen jetzt fast 600.000 Euro Schadensersatz.
Praktisch täglich steht Ilse K. (Name von der Redaktion geändert) in ihrem Münchner Imbissstand und verkauft Sandwiches, Snacks und Getränke. Das Geschäft ist hart, und reich wird man nicht davon, schon gar nicht steinreich. Umso größer war das Entsetzen der braven Frau, als ihr Ende vergangenen Jahres ein Bescheid des Finanzamts München II ins Haus flatterte. Der unglaubliche Inhalt des Schreibens: eine Umsatzsteuerforderung von exakt 2.129.062.104,16 Euro (in Worten: zwei Komma eins Milliarden Euro). Zahlbar bis 9. Januar 2007.
Dem ersten Schock folgte ein weiterer: Obwohl Ilse K. sofort beim Finanzamt anrief und auf den offensichtlichen Irrtum aufmerksam machte, wurde der Steuerbescheid nicht geändert. Erst nach Ablauf der selbst gesetzten Frist korrigierte die Steuerbehörde ihre Forderung: Tatsächlich fällig gewesen wären nur 108 Euro und 82 Cent.
Doch die seelische Achterbahnfahrt war für die Kleinunternehmerin damit nicht vorüber. Jetzt wurde es erst richtig kompliziert. Weil der Bescheid nicht geändert wurde, musste sie innerhalb der Frist mithilfe eines Steuerberaters Einspruch gegen die horrende Vorauszahlung einlegen. Das Honorar des Steuerberaters für seinen simplen Brief an das Finanzamt allerdings berechnet sich gemäß der geltenden Gebührenordnung nach dem sogenannten Streitwert der Angelegenheit. Wegen des geforderten Milliardenbetrags müsste Ilse K. ihrem Steuerberater mehr als 2,5 Millionen Euro plus Mehrwertsteuer zahlen.
Um nicht noch hohe Prozesskosten fürchten zu müssen, hat die Imbissbuden-Besitzerin ihre Schadensersatzforderung an zwei Rechtsanwälte abgetreten. Die wollen nun in einer Zivilklage rund 600.000 Euro Schadensersatz vom Freistaat. Ihre Chancen scheinen gar nicht schlecht zu stehen. Der Knackpunkt: Dem Freistaat könnte juristisch zum Verhängnis werden, dass das Finanzamt seine Milliarden-Forderung eben nicht innerhalb der von ihm selbst gesetzten Frist revidierte. Am kommenden Mittwoch wird sich das Landgericht München I mit dem Fall beschäftigen. Ilse K. verkauft zunächst mal weiter Sandwiches.