Tok, tok, tok, tok – gleichmäßig wie ein Uhrwerk schlägt der Hammer auf den Stein. Der helle Klang durchdringt den Straßenlärm in der Ortsmitte von Zusamaltheim (Kreis Dillingen) immer in derselben Tonlage. Schon seit ein paar Wochen ist das beharrliche Klopfen auf dem Biobauernhof „Ilg“ zeitweise die Begleitmusik des Caféhausbetriebs, der zum Hofladen gehört. Hinter dem blühenden Apfelbaum arbeitet Wolfgang Strakosch, ein Freund der Familie, an zwei riesigen Mühlsteinen.
Die tonnenschweren Steine werden bald das Korn norddeutscher Bauern in der Nähe von Lüneburg zu Mehl zerreiben, angetrieben von der gewaltigen Kraft des Windes. Mit 1,40 Meter Durchmesser ist das Mühlsteinpaar für die 1813 erbaute Windmühle Bardowick das größte, das Wolfgang Strakosch je gefertigt hat. Seit 30 Jahren ist der gelernte Müller und Sozialpädagoge aus Dillingen auf historischen Mühlenbau spezialisiert. Er ist der Einzige in Deutschland, der sich noch auf die Herstellung und Restaurierung von Mühlsteinen aus Naturstein versteht.
„Ich bin der Letzte meines Standes“, sagt er pathetisch und auch ein wenig traurig. Denn es fehlt ihm nicht an Aufträgen. Der 58-Jährige ist in Mühlen und Museen in ganz Deutschland als Fachmann gefragt. Aber es fehlt ihm ein Nachfolger, der wie er Freude daran hat, etwas zu schaffen, was ihn selbst überdauern wird.
Schon die Römer arbeiteten auf die gleiche Weise
Basalt aus der Eiffel – Gestein vulkanischen Ursprungs – ist diesmal sein Material. Je nach Standort der Mühle wird auch Sandstein, Granit, Porphyr oder Süßwasserquarz verwendet. Strakosch, ein schmaler, feingliedriger Mann, bearbeitet alle Steine mit nur wenigen Werkzeugen. Schon die Römer, so weiß er von Fundstücken, arbeiteten auf die gleiche Weise. Maschinen nimmt er nicht zu Hilfe. Kleinere Exemplare rundet er sogar selbst in Handarbeit aus dem Rohling heraus.
Die beiden Kolosse für die Windmühle – den Bodenstein, der unten ruht und den Läuferstein, der einmal darüber rotieren wird –, hat er sich im Steinbruch zuschneiden lassen. Aber auch so bleibt noch genug zu tun. Mit dem Kronhammer raut Strakosch die Oberfläche des Steins auf, damit die Getreidekörner aufgerissen werden. Seinen Namen hat das Werkzeug, weil die Stifte auf der Schlagfläche im Profil wie die Zacken einer Krone aussehen. Der andere Hammer – Bille genannt – hat die Form eines doppelseitigen Meißels. Er ist dazu da, Luftfurchen in den Mühlstein zu schlagen. Durch sie wird das Getreide vom Steinauge aus, dem Loch in der Mitte, hineingezogen in das Mahlwerk und gleichzeitig gekühlt, damit es beim Zerreiben nicht zu heiß wird.
„Es kommt auf Feinheiten an, die man nicht ahnt, wenn man die Steine anschaut,“ sagt Strakosch. Breite und Tiefe der Furchen und ihr Neigungswinkel haben Einfluss auf die Qualität des Mehls.
Fähigkeiten, die nicht aus Büchern zu lernen sind
Strakosch hat alles im Gefühl. Um eine gerade Linie in den Stein zu hauen, braucht er kein Lineal. Auch die Intensität des Klopfens lässt sich nicht mit einem Messgerät einstellen. Dass keine Dellen entstehen, ist Übungssache: „So etwas kann man nicht aus Büchern lernen.“ Er hat es von seinen Lehrmeistern abgeschaut.
Schon in jungen Jahren lernte er bei zwei Mühlenbauern im Württembergischen kennen, die ihr Wissen und Können an ihn weitergaben. Der eine wäre jetzt 110 Jahre alt, der andere zehn Jahre jünger. Der einzige Kollege, mit dem sich Wolfgang Strakosch noch gelegentlich austauschen kann, ist ein 90-Jähriger, der im Welzheimer Wald zu Hause ist. Er ist längst im Ruhestand.
Dabei würde der Dillinger gerne im Team arbeiten: Im vorigen Jahr engagierte ihn das Freilichtmuseum Hessenpark in der Gegend von Frankfurt. Mehrere jüngere Leute waren ihm dort nach seinen Anweisungen behilflich. Sie kamen richtig ins Schwitzen. „Am Abend war mit denen nichts mehr anzufangen, so müde waren sie“, erzählt Strakosch.
Es komme auf die richtige Schlagtechnik an, verrät er: „Immer aus dem Handgelenk heraus.“ Und auf den Rhythmus: Strakosch hämmert im Einklang mit seinem Puls. Pro Herzschlag zwei Hammerschläge, „da wird man nicht müde.“ Dann sei es eine meditative, keine schweißtreibende Arbeit.
Aber noch besser geht es, wenn zwei Partner abwechselnd schlagen. Wenn auf jedes Tok ein Echo in einer etwas anderen Tonlage folgen würde, wie beim historischen Dreschen mit dem Flegel: Tok, tak, tok, tak. Das wäre Musik in Wolfgang Strakoschs Ohren.