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Statistik: Tausende Flüchtlinge verlassen Deutschland freiwillig

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Tausende Flüchtlinge verlassen Deutschland freiwillig

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    Flüchtlinge im Sommer 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze. Viele kehren nun freiwillig in ihre Heimatländer zurück.
    Flüchtlinge im Sommer 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze. Viele kehren nun freiwillig in ihre Heimatländer zurück. Foto: Armin Weigel/Archiv (dpa)

    Seine Enkel hat Tarik al Chalabi seit fast 18 Jahren nicht gesehen. Sie sind nicht mehr die kleinen Kinder, an die der Iraker in seiner Wohnung in Krumbach (Kreis Günzburg) so oft denkt. Er bräuchte dringend ihre Hilfe, denn seine Diabetes ist schlimm inzwischen. Noch dazu ist er hier nur geduldet. Alles Gründe, weshalb der heute 73-Jährige zurück nach Bagdad will. Er wäre dann einer von jährlich zehntausenden Asylbewerbern, die Deutschland wieder verlassen, ohne dass der Staat sie zwingt. Fast 45 000 staatlich geförderte Ausreisen waren es dem Bundesamt für Migration (Bamf) zufolge bis Ende September. Sonja Förg arbeitet in der Zentralen Rückkehrberatung (ZRB) für Südbayern in Augsburg, die von Caritas, Diakonie, Regierung von Schwaben und dem Roten Kreuz getragen wird. 2015 hat das Team 770 Ausreisen begleitet.

    Die Bürokratie ist oft ein Bremsstein

    Da ist der Nigerianer, der psychische Probleme bekam und heute daheim als Busfahrer arbeitet. Der gelernte Schneider, der hier seine Kenntnisse auffrischte und im Senegal eine kleine Schneiderei eröffnete. Und Herr C. aus Pakistan, der kurz nach seiner Flucht eine Krebsdiagnose erhielt. Sterben wollte er zu Hause. Sonja Förg stellt ihnen allen dieselben Fragen: Wo kann jemand zurück im Heimatland unterkommen? Gibt es Arbeit, falls nötig? In der Regel, sagt Förg, könne ein Klient nach zwei bis drei Wochen zurück. Auch bei Al Chalabi dürfte es schnell gehen. Er hat alle nötigen Reiseunterlagen. Das ist wichtig, denn oft ist die Bürokratie ein Bremsstein – etwa, wenn jemand nach seiner Flucht nicht richtig registriert wurde. Ohne Dokumente keine Ausreise. Bei Al Chalabi musste Förg nur noch veranlassen, dass er im Irak seine Diabetes-Medikamente bekommt. Dafür hat sie sich mit den Ärzten dort abgesprochen. Denn das Ziel der ZRB-Stelle ist eine Rückkehr „ in Würde“. Dazu gehört, dass ein Mensch nach der Ausreise nicht seinem Schicksal überlassen wird.

    Rückkehrer werden mit bis zu 3000 Euro unterstützt

    Um die Zusammenarbeit mit Initiativen im Heimatland der Flüchtlinge zu verstärken, organisierte die Caritas kürzlich eine internationale Konferenz in Augsburg. Im Freistaat werden Rückkehrer mit bis zu 3000 Euro aus Mitteln des Staats und der Wohlfahrtsverbände unterstützt. Den Maximalbetrag kann zum Beispiel jemand erhalten, der ein kleines Unternehmen aufbauen möchte. Mit dem Berater macht er einen Business-Plan. „Das Geld schicken wir in Raten“, erklärt Sonja Förg. Sind die Menschen zurück zu Hause, müssen sie sich regelmäßig melden und bezeugen, dass die Unterstützung in den Existenzaufbau fließt – und nicht etwa an Schleuser, die noch auf ihr Geld warten. „Sonst wird der Geldfluss eingestellt.“ Trotzdem sind die Finanzen ein Problem, wie Monika Schneid vom katholischen Raphaelswerk weiß. Ihr Verein berät bundesweit. „Es gibt sehr große Unterschiede darin, mit wie viel Geld eine freiwillige Ausreise gefördert wird“, sagt sie. Ist ein Asylbewerber im Freistaat untergebracht, erhalte er bis zu 3000 Euro. „Nehmen wir an, sein Bruder wohnt in Hessen – dann bekommt er nur das Flugticket erstattet.“ Hier gelte es, eine gemeinsame Basis zu finden. Beim Bamf sagt eine Sprecherin, dass die Förderprogramme größtenteils Ländersache sind. Die Bundesrepublik gewährt flächendeckend nur eine Reisebeihilfe bis zu 500 Euro. Stammt jemand aus einem sicheren Drittstaat wie Kosovo oder Mazedonien, zahlt der Staat nur die Rückreise. Von allen Flüchtlingen, die Deutschland verlassen, gehen Schneids Schätzungen zufolge 20 Prozent, ohne dass der Staat sie zwingt. Doch es könnten noch mehr sein, sagt sie. „Bislang muss jeder Asylbewerber selbst aktiv werden. In manchen Bundesländern aber gibt es gar keine unabhängigen Beratungsstellen.“ Sie fordert einen Rechtsanspruch auf Beratung. Tarik al Chalabi kam vor fast 14 Jahren nach Bayern, weil er unter Saddam Hussein Probleme hatte, als Ingenieur zu arbeiten. „Jetzt ist die Lage in Bagdad besser“, sagt er. „Saddam ist weg.“ Es gibt keinen Grund mehr für ihn, weg von daheim zu sein.

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