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Statistik: Bayern hat kaum Erkenntnisse über Corona-Hotspots

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Bayern hat kaum Erkenntnisse über Corona-Hotspots

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    Viele Gesundheitsämter sind überlastet.
    Viele Gesundheitsämter sind überlastet. Foto: Alexander Kaya

    Vier von fünf Corona-Infektionen in Bayern können nicht nachverfolgt werden. Die Gesundheitsämter haben in 83 Prozent der Fälle keinerlei konkrete Erkenntnisse, wo die Infizierten sich angesteckt haben, wie eine Anfrage der bayerischen Grünen an das Gesundheitsministerium zeigt.

    Dabei wäre eine bessere Kenntnis der Ansteckungsorte wichtig für weitere Entscheidungen in der Krise, sagt der schwäbische Abgeordnete Max Deisenhofer, der die Anfrage mit mehreren Kolleginnen eingereicht hatte. „Wenn die Einschränkungen wieder gelockert werden, wäre es natürlich wichtig zu wissen, in welchen Bereichen man anfangen soll. Dabei hätte die systematische Auswertung der Infektionsorte helfen können.“

    Weil die Dunkelziffer so hoch ist, lässt sich aus der Statistik nicht endgültig ablesen, wo sich tatsächlich die meisten Menschen anstecken. Zudem umfassen die Daten nur die Monate Februar bis November. Dennoch zeigen sich Schwerpunkte im Infektionsgeschehen. Von den 17 Prozent der Ansteckungen, die einem Ort zuzuordnen sind, entfallen vier Prozentpunkte auf den eigenen Haushalt. Knapp 5700 der bis dahin rund 140.500 Covid-Kranken im Freistaat steckten sich nachweislich im Privaten an. Für Schwaben liegt der Wert bei fünf Prozentpunkten.

    Wo liegen die Infektions-Hotspots in der Corona-Pandemie?

    Am zweithöchsten ist die Ansteckungsquote in Alten- und Pflegeheimen. Gut 4100 Menschen – etwa drei Prozentpunkte – haben sich nachweislich dort infiziert. Es ist anzunehmen, dass die Zahl seit November noch einmal deutlich angestiegen ist. Auf Platz drei liegt der Arbeitsplatz mit zwei Prozentpunkten der nachverfolgbaren Infektionen (knapp 2400 Fälle). Hier gilt es aber zu beachten, dass einzelne Großausbrüche – etwa im Juni auf dem Spargelhof Lohner im Kreis Aichach-Friedberg – die Statistik nach oben treiben.

    Bei den Corona-Toten hingegen halten die Seniorenheime den traurigen Rekord: Rund die Hälfte aller Menschen, die in Bayern mit oder an einer Corona-Infektion gestorben sind, lebten einer weiteren Statistik zufolge in einem Alten- oder Pflegeheim. Das entspreche mit Stand 12. Januar 3933 Toten, die Zahl sei aber nicht „zwingend vollständig“, wie ein Ministeriumssprecher am Dienstag betont. Kritiker werfen der Staatsregierung vor, zu wenig für den Schutz der Alten getan zu haben. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bezeichnete die Situation in den Heimen unlängst als „Kernfrage“. Die gute Nachricht: Mittlerweile sind 86 Prozent der Heime mit der Erstimpfung fertig.

    Gesundheitsämter sind oft nicht sehr digital aufgestellt

    Grünen-Politiker Deisenhofer fordert in der Krise zudem eine bessere Ausstattung der Gesundheitsämter – „personell und technisch“. Jetzt seien diese mit der Kontaktverfolgung voll ausgelastet. Nach Ansicht der Grünen hätte schon im Frühjahr und Sommer personell mehr aufgestockt werden müssen.

    Dieser Meinung ist auch Gerd Antes. Der renommierte Statistikexperte wählt angesichts der Datenlage in den Gesundheitsämtern drastische Worte: „Wir haben nicht den geringsten Schimmer, wie die Infektionen verteilt sind“, betont der emeritierte Professor der Universität Freiburg. Seiner Ansicht nach haben sich im vergangenen Corona-Jahr Versäumnisse gehäuft: Allen voran nennt Antes die mangelnde Digitalisierung vieler Gesundheitsämter in Deutschland. Es gebe verschiedene Systemen und Arbeitsweisen. Daneben würden oft einfache Angaben nicht gesammelt, wie etwa der Beruf der Infizierten.

    Wo steckt man sich mit dem Coronavirus an?

    Ein weiterer Punkt für den Experten: eine zielgerichtete Studienstruktur. Antes hat schon früh in der Corona-Krise umfassende Studien angeregt, wöchentliche Untersuchungen einer repräsentativen Bevölkerungskohorte etwa. Daraus würden sich seiner Ansicht nach deutlich belastbarere Schlüsse ziehen lassen „als aus willkürlich zustande gekommenen Zahlen“ wie zum Beispiel die Anzahl der positiven Tests.

    Daneben kritisiert Antes die Krisenkommunikation der Bundesregierung, die vor allem einseitig auf Panik und Angst ausgerichtet sei. Dabei sei es in so einer Krise wichtig, auf positive Art ein Bewusstsein bei den Menschen zu schaffen, sich selbst und andere schützen zu können. Ein gelungenes Beispiel dafür sei die Anti-HIV-Kampagne: „Gib Aids keine Chance“. Antes fällt abschließend ein hartes Urteil: „Die Corona-Krise zeigt auch in Deutschland wie unter einem Brennglas alle Bereiche, in denen das Land schlecht aufgestellt ist.“

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