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Spektakulärer Fund: Aufrechter Gang könnte sich im Allgäu entwickelt haben

Spektakulärer Fund

Aufrechter Gang könnte sich im Allgäu entwickelt haben

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    So könnte sie ausgesehen haben, die bislang unbekannte Menschenaffenart, die Forscher im Ostallgäu entdeckt haben: Aufrecht gehend, behände kletternd und 11,5 Millionen Jahre alt.
    So könnte sie ausgesehen haben, die bislang unbekannte Menschenaffenart, die Forscher im Ostallgäu entdeckt haben: Aufrecht gehend, behände kletternd und 11,5 Millionen Jahre alt. Foto: Velizar Simeonovski (Rekonstruktion)

    Ein spektakulärer Fossilienfund aus dem Ostallgäu sorgt weltweit für Aufsehen: In einer ehemaligen Tongrube in Pforzen bei Kaufbeuren haben Wissenschaftler versteinerte Skelettreste einer bislang unbekannten Menschenaffenart gefunden, die als fehlendes Bindeglied (Missing Link) in der Menschheitsgeschichte gilt. Die Relikte belegen laut ihrer Entdeckerin, Prof. Dr. Madelaine Böhme von der Universität Tübingen, dass sich der aufrechte Gang bereits vor 11,6 Millionen Jahren entwickelt hat und nicht erst, wie bislang angenommen, vor etwa sechs Millionen Jahren.

    Der Fund untermauert zudem eine grundlegend neue These innerhalb der Evolution: Der Gang auf zwei Beinen entwickelte sich zuerst in Europa und nicht in Afrika, wie Fossilienforscher jahrzehntelang geglaubt haben. Madelaine Böhme hält es für „nahezu ausgeschlossen“, dass in Afrika ältere aufrecht gehende Primatenformen existierten.

    Madelaine Böhme, Professorin für Paläoklimatologie an der Universität Tübingen, steht neben Knochen der bisher unbekannten Primatenart Danuvius guggenmosi. Paläontologen haben im Allgäu Fossilien entdeckt, die ein neues Licht auf die Entwicklung des aufrechten Ganges werfen.
    Madelaine Böhme, Professorin für Paläoklimatologie an der Universität Tübingen, steht neben Knochen der bisher unbekannten Primatenart Danuvius guggenmosi. Paläontologen haben im Allgäu Fossilien entdeckt, die ein neues Licht auf die Entwicklung des aufrechten Ganges werfen. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Fund im Allgäu: Forscher entdecken Skelette von vier Tieren in Tongrube Hammerschmiede bei Pforzen

    „Das ist eine Sternstunde für die Wissenschaft“, betonte sie bei der Vorstellung der Funde in Tübingen. Die Ergebnisse stellten die Sichtweise auf Teile der Evolution grundlegend in Frage. Auch Forscher aus Großbritannien und Kanada stufen die Entdeckung als hochkarätig ein. Die Fossilien aus Pforzen böten das bislang beste Modell, um zu veranschaulichen, wie der gemeinsame Vorfahr von Mensch und heutigem Menschenaffen ausgesehen haben könnte, sagt Prof. Tracy Kivell von der University of Kent: Die neu entdeckte Art beherrschte den aufrechten Gang ebenso wie das Klettern in Bäumen.

    Name des Vorfahrs erinnert an den Hobbyarchäologen Guggenmos

    Der Name des nun entdeckten Menschenaffen Danuvius guggenmosi erinnert an den Hobbyarchäologen Sigulf Guggenmos. Er hatte nach Angaben der Universität Tübingen 1972 in der ehemaligen Ziegelei "Hammerschmiede" in Pforzen im Ostallgäu erstmals Fossilien in dieser Fundstätte entdeckt. Der aus dem bayerischen Westendorf stammende Guggenmos stieß in mehr als 40 Jahren auf unzählige Fundstücke vor allem aus der Steinzeit beziehungsweise aus der Zeit der Römer. Am bedeutendsten war dabei die Entdeckung einer Brandopferstätte auf dem Grund des Forggensees. Guggenmos ist 2018 im Alter von 76 Jahren gestorben. 

    In der Tongrube in Pforzen graben die Universität Tübingen und das Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment unter Leitung von Madelaine Böhme seit 2011 vor allem nach Tierresten. Insgesamt wurden bisher rund 15.000 Fossilien von 115 Wirbeltier-Arten geborgen. Darunter finden sich Fische, Riesensalamander, Schildkröten, Vögel, Elefanten, die weltweit ältesten Pandas - und eben auch die rund zwölf Millionen Jahre alten Knochenreste von Danuvius guggenmosi. Gegraben werden darf in der Grube allerdings nur mit einer offiziellen Genehmigung und in ausgewiesenen Flächen.

    Bislang wurden in Pforzen in über fünf Meter tiefen Sand- und Lehmschichten vier Individuen der neuen Art „Danuvius guggenmosi“ entdeckt. Besonders markant sind laut der 15-köpfigen Forschergruppe aus Tübingen die Skelettreste eines männlichen Tieres. Zu ihnen gehören neben Teilen von Ober- und Unterkiefer auch eine komplette Elle, ein Schienbein, Zähne sowie Rumpfwirbelknochen. Auch Überreste von zwei weiblichen Menschenaffen sowie einem Jungtier legten die Forscher in der „europaweit einzigartigen Fundstelle“ frei.

    Aufrechter Gang im Allgäu entwickelt? Landrätin begeistert über Danuvius-Fund

    Der Ort Pforzen nahe Kaufbeuren ist Deutschlands dritter Fundort für fossile Menschenaffen. Andernorts wurden aber nur einzelne Zähne und Fingerknochen aufgedeckt. In Bayern gab es derartige Entdeckungen noch nie. Die Tongrube ist für die Wissenschaft so ergiebig, weil sich dort vor 11,5 Millionen Jahren am Rande eines einstigen Bachlaufs ungewöhnlich viele Fossilien ansammelten. Zudem verlaufen die relevanten Gesteinsschichten dort sehr nahe an der Erdoberfläche.

    Brustwirbel und Teile des Oberschenkels der bisher unbekannten Primatenart Danuvius guggenmosi liegen nebeneinander. Paläontologen haben im Allgäu Fossilien entdeckt, die ein neues Licht auf die Entwicklung des aufrechten Ganges werfen.
    Brustwirbel und Teile des Oberschenkels der bisher unbekannten Primatenart Danuvius guggenmosi liegen nebeneinander. Paläontologen haben im Allgäu Fossilien entdeckt, die ein neues Licht auf die Entwicklung des aufrechten Ganges werfen. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Seit Beginn der Tübinger Grabungen 2011 wurden in Pforzen außerdem seltene Relikte diverser Wirbeltiere freigelegt. Nashörner, Pandabären und ein Baby-Elefant sind laut Madelaine Böhme ebenso darunter wie Fische, Vögel und diverse Schildkrötenarten. „Diese Vielfalt ist weltweit einzigartig.“

    Die Ostallgäuer Landrätin Maria Rita Zinnecker ist begeistert von den hochkarätigen Funden. Sie will sich dafür stark machen, dass der laufende Kies- und Lehmabbau in der Tongrube die Fundstelle nicht gefährdet – möglicherweise durch die Einstufung des Areals als Naturdenkmal. „Wir werden das Ganze konstruktiv begleiten“, sagt sie. Dazu könnte eines Tages auch die Einrichtung eines Ausstellungszentrums gehören.

    Lesen Sie dazu auch: Wie ein Sensationsfund aus dem Allgäu die Wissenschaft verändern könnte

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