Die Verzweiflung ist groß, seit Monaten werde ihr alles abverlangt, erzählt eine Mutter, die an dieser Stelle anonym bleiben will. „Das ist der Gipfel! Ich soll gleichzeitig Mutter, Lehrerin, Erzieherin, Köchin und Putzfrau sein – und das ganz nebenbei zu meinem eigentlichen Beruf.“ Und nun gebe es schon wieder das nächste Problem. Ihr jüngster Sohn darf zwar seit dem 1. Juli wieder die Kita besuchen. Doch was passiert in den Sommerferien? Wer betreut ihn, wenn die Einrichtung im August wie üblich für ein paar Wochen schließt?
Es sind Sorgen und Ängste, wie sie Monika Roemer-Girbig in diesen Tagen häufig zu hören bekommt. Die Leiterin des Sachgebiets Kita beim Bayerischen Elternverband berichtet: „In ganz Bayern haben Eltern momentan dieses Problem.“ Viele Mütter und Väter hätten ihren Jahresurlaub zu Beginn der Corona-Krise bereits aufgebraucht, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Und viele Unternehmen hätten ihren Betriebsurlaub auf die Osterferien vorgezogen. „Jetzt wissen viele Eltern nicht mehr weiter, wenn die Kita im Sommer für ein paar Wochen zu macht“, sagt Roemer-Girbig.
Familienministerin Trautner appelliert an Träger
Die Sorgen der Mütter und Väter sind auch der bayerischen Familienministerin Carolina Trautner (CSU) bekannt: „Uns ist bewusst, dass viele Eltern und Familien in diesem Jahr einen höheren Betreuungsbedarf während der Sommerferien haben werden.“ Das Ministerium könne und wolle den Trägern der Kitas Schließzeiten aber nicht verbieten. Man appelliere an die Träger, zumindest eine eingeschränkte Kindertagesbetreuung während der Sommerferien aufrechtzuerhalten, um die Eltern zu entlasten.
Für diesen Weg haben sich zum Beispiel vier Kindertagesstätten der Pfarreiengemeinschaften Lechhausen und Hochzoll in Augsburg entschieden. Die vier Einrichtungen werden in den Sommerferien für die drei Wochen eine Notbetreuung anbieten, in denen eigentlich geschlossen wäre, berichtet Susanne Bobinger, stellvertretende Leiterin der Kita „Unsere Liebe Frau“. „Das ganze Team hatte sich gefragt, ob sie eine Schließung den Eltern gegenüber verantworten können, die in den letzten Monaten bereits eine schwere Zeit hinter sich hatten und ihren Urlaub bereits genommen haben.“ Man war sich einig: nein. Die Entscheidung wurde zusammen getroffen – mit den Mitarbeitern und dem Träger, sagt Bobinger. „Das war immer freiwillig, wir wollten niemanden dazu zwingen, auf seinen Urlaub im Sommer zu verzichten.“
Weil so viele mitmachen, können sie eine Notbetreuung anbieten. Sowohl für Familien, in denen beide Partner arbeiten und die ihren Urlaub bereits genommen haben. Als auch für Alleinerziehende, die keine Urlaubstage mehr übrig haben. Das Ganze sei aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, sagt Bobinger. „Wir haben uns früh Gedanken gemacht und die Mitarbeiter haben die Urlaubstage, die sie im Sommer hätten nehmen müssen, schon jetzt genommen.“ Sonst wäre die Einrichtung in Schwierigkeiten geraten. „Denn würden wir Urlaubstage aufsparen, wäre die Personalsituation im Herbst, wenn obendrauf noch eine Krankheitswelle kommt, sehr schwierig.“
Kita-Dachverband: Personalsituation ist schwierig
Für Benjamin Tajedini vom Dachverband Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen ist das der entscheidende Punkt. Er sagt: „Wir wissen um die aktuelle Situation und kennen die schwierige Lage der Eltern. Wir als Verband, als Zusammenschluss der Träger, sehen aber zwei Probleme.“ Erstens: Viele Mitarbeiter hätten ihren Sommerurlaub bereits verplant. Die Einrichtung als Arbeitgeber könne nicht einfach bestimmen, dass sie einfach so auf ihren Urlaub verzichten. „Zweitens sehen wir das Problem, dass – wenn die Mitarbeiter ihren Urlaub unterm Jahr nehmen – sie in dieser Zeit fehlen. Das können die Einrichtungen kaum verkraften, da die Personalsituation sowieso schon schwierig ist.“
Diese Position vertritt zum Beispiel auch der Caritasverband München. Gabriele Kaufmann ist dort stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Kindertageseinrichtungen und erklärt: „Die Schließtage der Kitas bleiben, so wie sie geplant wurden, das heißt, die Kita ist zu.“ Man wolle den Mitarbeitern den dringend benötigten Urlaub gewähren. „Außerdem hat die gemeinsame Schließung den Vorteil, dass die Mitarbeiter gleichzeitig weg und auch gleichzeitig wieder da sind.“
Eltern, die ihren Urlaub aufgebraucht haben, deren Töchter und Söhne aber in die Schule gehen, haben mehr Glück. Für deren Kinder bietet das bayerische Kultusministerium in Kooperation mit dem Bayerischen Jugendring ein gefördertes Ferienprogramm an. Auf Nachfrage heißt es: „Das Ferienprogramm richtet sich an Kinder, die im Schuljahr 2019/2020 die erste bis sechste Klasse besucht haben“ – für Kinder in Krippen und Kindergärten in der Kita ist das Angebot folglich nicht gedacht. Der Bayerische Elternverband fordert nun eine Möglichkeit, um eine Betreuung in den Ferien für alle Kinder anzubieten.
Nächstes Problem wartet im Herbst und Winter
Und selbst wenn eine Notbetreuung angeboten werde, sei diese für viele Mütter und Väter keine Option, heißt es aus Elternkreisen. Denn viele von ihnen würden versuchen, die Sommerferien irgendwie zu überbrücken – und mit Blick auf das Ende des Jahres die verbleibenden Urlaubstage für den Herbst und Winter aufzusparen. Etwa für die Weihnachtsferien, zu denen ebenfalls viele Kindertagesstätten schließen.
Und für die Zeit, in der die Kinder erkältet sind, sich einen Magen-Darm-Virus einfangen oder sich mit der Grippe infizieren. Denn die aktuelle Corona-Lage sieht folgende Regelungen in Bayern vor: Kinder, die Symptome einer übertragbaren Krankheit zeigen, dürfen nicht in die Kindertagesstätte gebracht werden. Das bayerische Familienministerium weist in seinem aktuellen Newsletter darauf hin, dass auch Kinder, die nur geringfügige Erkältungssymptome haben, ihre Kita nicht betreten dürfen. „In Zeiten einer Pandemie muss darauf besonders geachtet werden.“
Die Einrichtungsleitungen sind sogar berechtigt, diese Kinder von der Betreuung auszuschließen. Auch ein ärztliches Attest, das ein Kind als gesund ausweist, muss nicht akzeptiert werden, wenn das Kind noch Symptome hat. Für viele Eltern bleibt dann nur die Hoffnung, dass ihre Arbeitgeber auch am Ende des Jahres kulant sind.
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