Schnell hatte das Ding einen Namen bekommen. Von einem „Schultrojaner“ ist nun die Rede. Gemeint ist eine Software, die in Schulnetzwerken illegale Kopien aus Lehrbüchern aufstöbern soll. Die Kultusministerkonferenz (KMK) unter der damaligen Präsidentschaft des bayerischen Schulministers Ludwig Spaenle hatte im vergangenen Jahr mit Schulbuchverlagen und anderen Rechteverwertern einen bundesweit geltenden Vertrag abgeschlossen, der die Nutzung und Vervielfältigung von Unterrichtsmaterialien regeln soll. Mithilfe einer Plagiatssoftware sollen Computer stichprobenweise überprüft werden können.
SPD fordert Aufklärung von der Staatsregierung
Als dieser Tage bekannt wurde, dass der Vertrag im Frühjahr 2012 umgesetzt werden soll, schlugen Lehrerverbände und die bayerische Opposition Alarm. Die Sozialdemokraten fordern nun in einem Dringlichkeitsantrag Aufklärung von der Staatsregierung. „Ich halte das Vorgehen mit Blick auf den Datenschutz und das Dienstrecht für schwierig“, sagte der SPD-Datenschutzexperte Florian Ritter und kündigte an, sich an den Landesdatenschutzbeauftragten wenden zu wollen.
Auch die bayerischen Grünen kritisieren den geplanten Einsatz des „Schultrojaners“ als unangemessenen Eingriff in die Privatsphäre der Lehrer. „Die Kontrollsoftware ist grundsätzlich abzulehnen“, erklärt die innenpolitische Sprecherin Susanna Tausendfreund. „Die Schulen sind doch schließlich nicht Handlanger der Schulbuchverlage – und dies dann auch noch mit disziplinarischen Maßnahmen verknüpfen zu wollen, geht wirklich zu weit“, sagt Tausendfreund. Der Deutsche Philologenverband, der die Lehrer an Gymnasien vertritt, spricht von einem Skandal. „Während bei den sogenannten Staatstrojanern wenigstens Gerichtsbeschlüsse vorliegen müssen, soll an Schulen verdachtsunabhängig ermittelt werden“, sagt der Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger.
Im Kultusministerium versteht man Aufregung nicht
Im bayerischen Kultusministerium versteht man die ganze Aufregung nicht. „Die Software existiert noch gar nicht, sie muss erst entwickelt werden,“ sagt Sprecher Ludwig Unger. Niemand wolle die Schulen überwachen, niemand werde Lehrer ausschnüffeln. Tatsächlich handle es sich bei dem Vertrag mit den Schulbuchverlagen um eine „unterrichtsfördernde“ Übereinkunft, die die Rechte der Verlage sichern helfen soll. „Schulen dürfen auf dieser Rechtsgrundlage in gewissem Umfang urheberrechtlich geschützte Inhalte nutzen. Die Lehrer müssen nicht für jede Kopie um Erlaubnis fragen.“ Der Wert des Vertrags liege etwa bei rund sieben Millionen Euro. Verlage sollen davor geschützt werden, dass ihre Bücher nur noch in kopierter Form genutzt werden. Keiner plane ein geheimes Eindringen in die Computer von Schulen.
Sobald die sogenannte Plagiatssoftware vorliege, werde der Landesdatenschutzbeauftragte in Bayern eingeschaltet, versichert das Kultusministerium. „In Bayern wird keine Software in Schulen eingesetzt, die den Datenschutz unterläuft oder technisch nicht sicher wäre,“ heißt es.
Wann genau die Software zum Einsatz kommen kann, ist noch nicht klar. Noch sei sie in der Entwicklung, teilte der Dachverband VdS Bildungsmedien, der die Schulbuchverlage vertritt, auf seiner Homepage mit. Geplant sei der Einsatz frühestens im Frühjahr 2012. Die Überprüfungen würden ausschließlich von den Schulträgern (Länder und Kommunen) durchgeführt. Sie beträfen nur die Server der Schulen, nicht jedoch Rechner der Lehrkräfte. (mit dpa)