Die bayerische Staatsregierung will, wie von der Ministerpräsidentenkonferenz für ganz Deutschland vorgegeben, den Lockdown bis Ende Januar verlängern, Schulen und Kitas geschlossen halten und die Kontaktbeschränkungen ab kommenden Montag noch einmal verschärfen. Um den Unterrichtsausfall zumindest zum Teil auszugleichen, sollen die Faschingsferien im Freistaat gestrichen werden. Gleichzeitig soll die Unterstützung für Familien ausgeweitet werden – Notbetreuung von Kindern soll es dieses Mal für alle geben, die Bedarf haben, nicht nur für Eltern in "systemrelevanten Berufen". Das sind die wichtigsten Beschlüsse der Sondersitzung des Kabinetts vom Mittwoch. Die Zustimmung des Landtags, der am Freitag zu einer Sondersitzung zusammentritt, gilt als sicher.
Weil an den Feiertagen wenig getestet wurde, geht Söder von einer hohen Corona-Dunkelziffer aus
Wie schon am Vorabend in Berlin hob Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in München hervor, dass insbesondere zwei Umstände es nach seiner Überzeugung zwingend nötig machten, bei der Bekämpfung der Pandemie konsequent zu bleiben und in einigen Punkten sogar noch strenger zu werden. Erstens: Zwar hätten die bisherigen Maßnahmen bewirkt, dass die Zahl der Corona-Neuinfektionen "nicht durch die Decke gegangen ist". Dennoch liege der Inzidenzwert für Bayern immer noch weit über 100 – der in der Pressekonferenz genannte Inzidenzwert von 158 wurde hinterher unter Berufung auf das Robert-Koch-Institut auf 139 korrigiert. Die Dunkelziffer aber liege, weil über die Feiertage nicht so viel getestet wurde, wahrscheinlich deutlich höher. Zweitens: Zu dieser nicht belastbaren Datenlage komme die Unsicherheit über die Gefahr hinzu, die von Mutationen des Virus ausgehen könne. Ein mutiertes Virus sei in Bayern bereits in einem Fall bei einer Rückkehrerin aus Großbritannien nachgewiesen worden. Deshalb müssten die Kontakte und die Mobilität weiter eingeschränkt werden.
Bayern verlängert und verschärft den Corona-Lockdown
Die aktuell gültigen Infektionsschutzmaßnahmen sollen nach dem Willen des Kabinetts deshalb zunächst bis zum 31. Januar verlängert werden. Darüber hinaus sollen sie ab kommenden Montag in drei Punkten verschärft werden.
- Erstens: "Private Zusammenkünfte werden nur noch im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands und mit maximal einer weiteren, nicht im Haushalt lebenden Person gestattet." Eine Ausnahme gibt es für private Kinderbetreuung. Zulässig ist demnach eine "wechselseitige, unentgeltliche, nicht geschäftsmäßige Beaufsichtigung für Kinder unter 14 Jahren in festen, familiär oder nachbarschaftlich organisierten Betreuungsgemeinschaften, wenn sie Kinder aus höchstens zwei Hausständen umfasst." Zudem verspricht Sozialministerin Carolina Trautner zusätzliche Hilfe: "Allen Eltern, die die Betreuung auf gar keine andere Weise sicherstellen können, geben wir die Möglichkeit ihre Kinder weiterhin in den Kindertageseinrichtungen betreuen zu lassen. Auf systemrelevante Berufe kommt es hierbei nicht an."
- Zweitens: Dort, wo die Infektionszahlen besonders hoch sind, soll die Bewegungsfreiheit weiter eingeschränkt werden. "In Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von über 200 Fällen pro 100.000 Einwohner sind touristische Tagesausflüge über einen Umkreis von 15 Kilometern um den Wohnort (d. h. die politische Gemeinde) hinaus untersagt." Maßgeblich ist dabei laut Söder die Gemeinde oder Stadtgrenze. Er hofft, dass damit auch der Ärger über massenhaften Ansturm auf Erholungsgebiete im Voralpenland und in den Bergen gemildert wird. Derzeit allerdings liegt in Schwaben und Oberbayern bei der Sieben-Tage-Inzidenz nur das Berchtesgadener Land über 200.
- Drittens: Wo immer die Arbeitsabläufe es zulassen, werden Betriebskantinen geschlossen. Zulässig bleibt nur die Abgabe von Speisen und Getränken zur Mitnahme. Der Verzehr vor Ort ist untersagt.
SPD-Bildungspolitikerin Strohmayr fordert Rücktritt von Kultusminister Piazolo
Dass der Landtag der Verlängerung des Lockdowns sowie den neuen Regelungen am Freitag zustimmen wird, gilt aufgrund der Regierungsmehrheit von CSU und Freien Wählern als sicher. Streit zeichnet sich allerdings insbesondere in der Schulpolitik ab. Die schwäbische SPD-Bildungspolitikerin Simone Strohmayr forderte wegen der ungelösten Probleme mit der digitalen Lernplattform "Mebis" am Mittwoch den "sofortigen Rücktritt" von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Strohmayr: "Wenige Stunden, bevor der Ministerpräsident verkündet, dass kein Präsenzunterricht im Januar mehr stattfindet, erteilt sein Kultusminister dem Distanzlernen de facto eine Absage. Wie stellt sich der Ministerpräsident denn nach so einem Armutszeugnis den Fernunterricht vor – mit Brieftauben?" Das sei eine "Bankrotterklärung." Söder wich der Frage nach "Mebis" aus. Es sei nicht das einzige System, das im Distanzunterricht zum Einsatz komme. "Ich gehe davon aus, dass es ein umfangreiches und gutes Angebot in der Breite geben wird", sagte der Ministerpräsident.
Unterschiedliche Auffassungen über die weitere Entwicklung der Pandemie gibt es nach wie vor offenbar auch innerhalb der Regierung zwischen CSU und Freien Wählern. FW-Fraktionschef Florian Streibl und der schwäbische Abgeordnete Bernhard Pohl zeigten sich bei der Vorstellung eines Corona-Strategiepapiers zuversichtlich, dass es mit den Impfungen eine baldige Lösung gebe. "Im Sommer müssen wir nach meiner festen Überzeugung durch sein", sagte Pohl. Streibl betonte, er wolle Öffnungen "so schnell wie möglich". Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gab sich zurückhaltender und verbuchte es schon als Erfolg, dass dem Einzelhandel gestattet werde, bestellte Ware von Kunden abholen zu lassen. Söder dagegen warnte vor einer dritten Welle und sagte: "Ich verspreche nichts, was wir nicht machen können." Es werde "noch einige Monate dauern, bis wir sagen können, wir sind über den Berg."
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