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Debakel um Corona-Tests: Söder, Huml und die Panne: Die Geschichte einer Krisenwoche

Debakel um Corona-Tests

Söder, Huml und die Panne: Die Geschichte einer Krisenwoche

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    Gesundheitsministerin Melanie Huml und Ministerpräsident Markus Söder traten am Donnerstag gemeinsam vor die Kameras – zunächst war das anders geplant.
    Gesundheitsministerin Melanie Huml und Ministerpräsident Markus Söder traten am Donnerstag gemeinsam vor die Kameras – zunächst war das anders geplant. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Montagmittag, Nürnberg, Heimatministerium. Pressekonferenz von Ministerpräsident Markus Söder, Gesundheitsministerin Melanie Huml und Kultusminister Michael Piazolo, natürlich: wegen Corona. Es hat Beschwerden von Urlaubsrückkehrern gegeben, die Ergebnisse von

    Söder hadert schon länger damit, dass es in der Behörde der studierten Medizinerin nicht so rund läuft, wie er es sich vorstellt. Warum, so ließe sich die Armbewegung nun deuten, sollte er der Überbringer der schlechten Nachrichten sein?

    Die Daten der Corona-Tests mussten händisch eingetragen werden

    Huml erklärt also. Alles sei sehr aufwendig, die Nachfrage groß, vor allem müssten die Daten händisch mithilfe von Formularen erfasst werden und die Ergebnisse würden noch nicht digital übermittelt wie an den Flughäfen, aber das werde jetzt behoben. Die Teststationen sind ja quasi über Nacht aus dem Boden gestampft worden, alles musste schnell gehen. Das Bayerische Rote Kreuz, das Ehrenamtliche für die Stationen abbestellt hat, um die Zeit zu überbrücken, bis private Dienstleister ihre Arbeit aufnehmen können, wird später monieren, man hätte sich für den Aufbau wenigstens ein paar Tage Zeit nehmen sollen.

    Als Huml fertig ist, wirft sie Söder einen kurzen Blick zu. „Dazu noch ein Satz“, sagt er dann. „Und auch ein bisschen in Schutz nehmend...“ Das klingt in diesem Moment wie ein verständnisvoller Vater, der seinem Kind zur Seite springt und zugleich klarmacht: Mein Bock war das nicht.

    Zwei Tage später ist Markus Söder erst gar nicht dabei, als zur nächsten Pressekonferenz geladen wird, diesmal noch kurzfristiger als am Montag. Jetzt muss Melanie Huml alleine die Kohlen aus dem Feuer holen, an ihrer Seite ist nur Andreas Zapf, der Chef des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, der, wie am Donnerstag bekannt werden sollte, ins Gesundheitsministerium wechselt.

    Die Ministerin muss also verkünden, dass sich die Sache mit den Urlauber-Beschwerden zur schwersten Panne im bisherigen Krisenmanagement der Staatsregierung ausgewachsen hat. Gleich 44.000 Test-Ergebnisse sind noch nicht zugestellt worden. Und was noch schlimmer ist: Mindestens 900 positiv getestete Urlauber sind in ihre Heimat zurückgekehrt und wissen noch gar nicht, dass sie das Coronavirus in sich tragen und andere anstecken könnten.

    Söder meldet sich nach der Corona-Panne über Twitter

    Und Söder? Er meldet sich an diesem Mittwochabend nur via Twitter. Der Regierungschef spricht von „Fehlern bei Corona-Testzentren“, dass das „sehr, sehr ärgerlich“ sei und er deshalb die für Donnerstag geplante Reise zu seinem CDU-Amtskollegen Daniel Günther an die Nordsee absagen werde. Und dann twittert er noch einen Satz: „Alle Strukturen sind umgehend zu überprüfen.“ Dass er damit die im Gesundheitsministerium und dem angeschlossenen Landesamt für Gesundheit meint, liegt auf der Hand. Aber stellt er damit auch Huml selbst infrage?

    Die muss am späten Abend noch einmal öffentlich Farbe bekennen, nun in den ARD-„Tagesthemen“. Ein Auftritt auf dieser Bühne ist in Zusammenhang mit Corona sonst ausschließlich dem Chef vorbehalten gewesen. Diesmal nicht.

    Kaum geht etwas richtig schief, taucht der Ministerpräsident in die sozialen Medien ab? Ausgerechnet er, das Gesicht des bayerischen, manche sagen deutschen Krisenmanagements, seit Monaten mit überragenden Umfragewerten, auch was die Aussichten auf eine Kanzlerkandidatur betrifft. Der am Montag noch stolz verkündete, die Einrichtung der Teststationen sei ein „Dienst für Deutschland“, schließlich kämen 60 Prozent der bislang Getesteten nicht aus Bayern – ausgerechnet er?

    Claudia Roth wartet noch immer auf das Ergebnis des Corona-Tests am Flughafen

    Die Oppositionsparteien schießen umgehend scharf, von einer „Schocknachricht“ ist die Rede, von „eklatantem Regierungsversagen“. Söders „Inszenierung als Corona-Musterschüler bekommt zunehmend Risse“, sagt Martin Hagen, der FDP-Fraktionschef im Landtag.

    Auch Claudia Roth, viele Jahre lang Vorsitzende der Grünen, Bundestagsvizepräsidentin und Augsburgerin, äußert Kritik – weil sie selbst betroffen ist. Am 2. August sei sie am Münchener Flughafen bei der Einreise auf das Coronavirus getestet worden, ein Ergebnis habe sie bis heute nicht, erzählt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Auch dass einer ihrer Mitarbeiter unzählige Male bei einer Hotline anrief, habe nichts gebracht, denn diese sei nie erreichbar gewesen.

    Nachdem Roth in München aus dem Flieger gestiegen war, war sie überrascht: weit und breit keine Teststation. Erst nach längerem Suchen fanden sie und ihre Mitreisenden die Teststation zwischen Terminal 1 und 2. Spätestens in 48 Stunden, so hieß es damals, würde ihr Ergebnis vorliegen. „Ich warte noch heute darauf – weit über eine Woche später. Mittlerweile bin ich bei einem Arzt in Augsburg gewesen. Innerhalb von 23 Stunden hatte ich mein negatives Testergebnis“, sagt Roth.

    Dass in Bayern rund 900 positiv Getestete lange nicht von ihrer Infektion wussten, sei absolut unverantwortlich, schließlich zähle in der Pandemiebekämpfung jeder Tag und jeder Fall. „Wenn sich Herr Söder als Top-Manager der Pandemie stilisiert und ständig noch mehr Kontrollen ankündigt, aber keinen Realitätscheck macht, ob überhaupt ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, dann ist das fahrlässig.“ Es sei brandgefährlich, wenn das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der Politik durch so etwas verspielt werde.

    Für Markus Söder ist die ganze Sache ein Fiasko. Eine solche Panne passt nicht ins Bild des zupackenden, den anderen vorauseilenden Machers. Umso größer ist die Spannung, als am Donnerstag der Morgen anbricht. Wird sich der Ministerpräsident erklären?

    Für Markus Söder beginnt der Tag mit einer Krisensitzung. Derlei unangenehme Treffen gab es in den vergangenen Monaten oft, meist ging es um steigende Fallzahlen, um Ausgangsbeschränkungen oder die Frage, wie viele Intensivbetten denn noch frei sind. Jetzt, und das ist das Ungewöhnliche, geht es um eigene Fehler. Und die Konsequenzen, die daraus entstehen.

    Corona-Test-Panne: Bayerische SPD fordert Humls Rücktritt

    Für die bayerische SPD sind die Folgen, die aus diesem Sachverhalt zu ziehen sind, bereits klar. Generalsekretär Uli Grötsch sagt im Bayerischen Rundfunk: „Frau Huml muss zurücktreten und Herr Söder muss sich erklären.“

    Und das macht er. Und zwar, anders als zunächst angekündigt, zusammen mit seiner Gesundheitsministerin. Noch gegen Mittag hatte es geheißen, Huml und Söder würden sich getrennt voneinander äußern. Ein bisschen hatte das den Beigeschmack, als würde Söder die Ministerin erst einmal alleine aufs Schlachtfeld schicken und sich absichtlich von ihr distanzieren, sie die Suppe auslöffeln lassen. Dann, gegen 14 Uhr, kurz bevor Huml alleine eine Erklärung abgeben sollte, die Kehrtwende: Sie machen’s gemeinsam. Eine Demonstration des Zusammenhalts?

    Es ist kurz vor 15.30 Uhr, als Söder und Huml vor die Kameras treten. Söder redet nicht groß drum herum, es sei eine große Panne, hochärgerlich. Allerdings sei es eine Panne in der Umsetzung – die Strategie sei richtig. Auf die Frage, ob er auch Fehler bei sich sehe, weil er ein so hohes Tempo vorgegeben habe, antwortet Söder: „Das Tempo wird nicht von uns gemacht. Corona treibt uns an.“ Alles orientiere sich am Infektionsgeschehen. Dann räumt er doch noch ein: „Niemand ist perfekt. Weder die Melanie noch ich.“

    Zweimal habe Huml ihren Rücktritt angeboten, sagt Söder. Er habe weiter Vertrauen zu ihr. „Fehler passieren – sie dürfen sich natürlich nicht wiederholen.“

    Als Huml schließlich ihre Erklärung abgibt, merkt man ihr an, dass es eine lange Nacht war. Sie wirkt müde und angespannt, manche Sätze enden im Nichts. Die letzten 35 Stunden hätte sie sich auch anders vorstellen können, sagt sie.

    Wie viele positiv Getestete nun von ihrer Infektion wissen, ist am Abend noch unklar.

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