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So trifft die Reform die Region: Bundeswehr: Bestürzung, Frust und vereinzelt Erleichterung

So trifft die Reform die Region

Bundeswehr: Bestürzung, Frust und vereinzelt Erleichterung

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    Im Kemptener Sanitätszentrum bleiben von 870 Dienstposten lediglich sechs Stellen übrig. Foto: Ralf Lienert
    Im Kemptener Sanitätszentrum bleiben von 870 Dienstposten lediglich sechs Stellen übrig. Foto: Ralf Lienert

    Bayern wird von der Bundeswehrreform massiv getroffen: Fast 20.000 der 50.000 Dienstposten - also nahezu 40 Prozent - sollen wegfallen. Das geht aus dem neuen Standortkonzept hervor, das Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin vorlegte. Drei Standorte - Fürstenfeldbruck, Penzing und Kaufbeuren - werden komplett geschlossen, Kempten wird ebenfalls fast vollständig dicht gemacht. Andere Standorte werden massiv zusammengestrichen, etwa Donauwörth, Erding und Roth. Vor allem Schwaben, im Besonderen das Allgäu, müssen mit gewaltigen Einschnitten auskommen. Ein Überblick darüber, was die Reformpläne für die einzelnen Standorte in der Region bedeuten, sowie die ersten Reaktionen:

    Altenstadt: Die Dienstposten in Altenstadt sollen von 720 auf 190 reduziert werden. Die Luftlande- und Lufttransportschule wird aufgelöst, ebenso die Sportfördergruppe der Bundeswehr.

    Dillingen: Der Bundeswehrstandort Dillingen bleibt erhalten. Damit kann die über 330-jährige Tradition der Garnisonsgeschichte an der Donau fortgeführt werden. In Dillingen sind derzeit das Führungsunterstützungsregiment 29 und das Führungsunterstützungsbataillon 292 mit einer Sollstärke von rund 1000 Mann stationiert. OB Kunz: „Es ist ein guter Tag für Dillingen. Ich bin überglücklich“.

    Donauwörth:  Der Bundeswehrstandort Donauwörth wird künftig praktisch nicht mehr existieren. Die Soldaten in der Alfred-Delp-Kaserne werden von 1150 auf einen Dienstposten mit 130 Personen reduziert. Das Bataillon Elektronische Kampfführung und die Sanitäts-Staffel werden aufgelöst. Donauwörths Oberbürgermeister Armin Neudert sagte dazu: „Das ist ein Schlag, der nur sehr, sehr schwer zu verdauen ist." Und Georg Schmid, heimischer Landtagsabgeordneter und CSU-Fraktionsvorsitzender im Münchner Maximilianeum, reagierte mit belegter Stimme: „Das ist die größte Strukturveränderung in unserer Stadt in den vergangenen 50 Jahren."

    Ingolstadt: Das Kreiswehrersatzamt, das 1990 in  Ingolstadt angesiedelt wurde, wird geschlossen. 65 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.

    Kaufbeuren: Laut Papier des Verteidigungsministeriums ist der Fliegerhorst einer von drei bayerischen Standorten, der geschlossen wird. Nach Darstellung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist das Aus aber noch nicht endgültig besiegelt. "Da ist die Türe noch einen Spalt weit offen", sagte Seehofer am Mittwoch am Rande einer CSU-Fraktionssitzung im Landtag. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) habe ihm zugesagt, dort eine militärisch-zivile Zusammenarbeit zu prüfen, erläuterte Seehofer. "Da werden wir nochmal nachstoßen", sagte er und versprach: "Da lassen wir nicht locker." Kaufbeuren würde mit der Schließung des Fliegerhorstes vor einer ungewissen Zukunft stehen. Die Technische Schule der Luftwaffe soll aufgelöst werden, 880 Dienststellen fallen weg. Für die wirtschaftlich eher schwache Stadt ist der Abzug der Bundeswehr ein Desaster, mit 1100 Stellen war der Standort der größte Arbeitgeber der Stadt. Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) fordert Bund und Freistaat auf, die Region aktiv zu unterstützen. „Wir werden uns hier nicht passiv in unser Schicksal ergeben“, sagt er.

    Kempten: Im Kemptener Sanitätszentrum bleiben von 870 Dienstposten lediglich sechs Stellen übrig. "Das ist eine Schließung", sagte Bürgermeister Ulrich Netzer (CSU). Ausschlaggebend für die starke Reduzierung sei die fehlende Nähe zum Bundeswehrkrankenhaus in Ulm gewesen. "Unsere Region hat es massiv getroffen", so Netzer. Nun müssten der Bund und das Land Bayern die betroffenen Standorte bei der Neustrukturierung unterstützen und einen Ausgleich schaffen.

    Landsberg am Lech: Am Bundeswehrstandort Landsberg bleibt vieles beim Alten und dennoch riefen die verkündeten Entscheidungen auch tiefe Bestürzung hervor – vor allem bei der Flugabwehrraktengruppe 22, die den Auflösungsbeschluss bekam. Gesichert ist dagegen vorläufig die Zukunft der Welfenkaserne in Landsberg, die durch diese Phase der Reform nur kaum merkliche Veränderungen erfahren wird. dass das LTG 61 in Penzing aufgelöst wird, war schon vor einigen Jahren bekannt geworden. Für Landsbergs Landrat Walter Eichner ist die Region bei den Standortentscheidungen des Bundesverteidigungsministeriums noch einmal „mit einem Blauen Auge“ davongekommen, wobei sein Blick durchaus auch in die Nachbarlandkreise geht: „Das macht mich schon betroffen, wenn ich an die Schließungen in Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren wie auch die Auflösung des Jagdbombergeschwaders in Lechfeld betrachte.“ Diese seien bislang potenzielle Arbeitsstellen für Soldaten und Zivilangestellte aus dem Landkreis gewesen.

    Penzing: Der Standort wird aufgegeben, 2350 Dienstposten werden gestrichen. In Penzing ist neben einem Flugabwehrraketengeschwader das Lufttransportgeschwader (LTG) 61 stationiert, das als Drehscheibe des Südens für Hilfsflüge in alle Welt gilt. Von dort starten und landen die schweren Transall-Transportmaschinen sowie Hubschrauber-Rettungsflüge etwa bei Unfällen in den Alpen. Es war bereits beschlossene Sache, dass das LTG 61 im Jahr 2020 abgezogen wird.  Die Gemeinde Penzing hat trotzig auf die Schließung ihres Standortes reagiert. "Wir wollen unseren Fliegerhorst nicht verlieren", sagte Bürgermeister Johannes Erhard am Mittwoch in einer ersten Reaktion auf die Ankündigung des Verteidigungsministeriums. Die Gemeinde habe stets ein sehr gutes Verhältnis zum Fliegerhorst gehabt. Die Kaserne sei mit ihren knapp 2500 Beschäftigten der größte Arbeitgeber im gesamten Landkreis, erläuterte der parteilose Rathauschef.

    Lagerlechfeld: Das Jagdbombergeschwader 32 in Lagerlechfeld wird aufgelöst, auch die Flugabwehrraketengruppen fallen weg. Hier fallen 1190 Stellen weg. Die Bundeswehr will den Flugplatz jedoch weiterhin in Betrieb halten, was die vertraglich vereinbarte Nutzung durch Premium Aerotecsicherstellt. Allerdings soll das Jagdbombergeschwader 32 nicht vor 2017 aufgelöst werden. Das erfuhren die Landtagsabgeordneten Max Strehle und Johannes Hintersberger (CSU) in der bayerischen Staatskanzlei. 2017 ist das Jahr, in dem das Waffensystem Tornado sowieso ausläuft. Durch die Reform wird der Standort Lagerlechfeld  etwa halbiert. Die Zahl der Dienstposten sinkt von 2080 auf 890. Darin sind die zivilen Arbeitsplätze, wie die Ausbildungswerkstätten mit rund 140 Stellen noch nicht enthalten. Ihr Schicksal war am Mittwoch eine der vielen offenen Fragen. Der Fliegerhorst südlich von Augsburg soll weiter Bestand haben. Von dort fliegt Premium Aerotec große Flugzeugteile ins EADS-Werk nach Toulouse.

    Manching: Der rund 800 Mann starke Verband in der Max-Immelmann-Kaserne wird geschlossen. Eine große Überraschung ist das allerdings nicht. "Wir hatten damit gerechnet", so ein Sprecher. Lange Mienen gab es trotzdem, denn auch der Standort Penzing wird geschlossen. Bei Oberstimm und Penzing handelt es sich um die einzigen beiden bayerischen Standorte, die mit dem Waffensystem Patriot arbeiten. Für viele hochspezialisierte Mitarbeiter bedeutet dies wohl einen Umzug nach Norddeutschland. Die Pionierkaserne in Ingolstadt und die Wehrtechnische Dienststelle in Manching müssen wohl mit keinen Einschnitten rechnen. Die 1780 Mann in der Region werden auf 1230 reduziert.

    Neuburg: Das Jagdgeschwader 74 ist von der Bundeswehrreform nicht betroffen. Hier wird auch die Stärke der Truppe nicht reduziert. Derzeit sind in Neuburg 1300 Soldaten und zivile Mitarbeiter beschäftigt.

    Sonthofen: Die ABC- und Selbstschutzschule bleiben in Sonthofen, ebenso die Sportfördergruppe. Abschied nehmen müssen die Sonthofer dagegen von den leichten ABC-Abwehrkompanien 110 und 120 sowie der 3. Kompanie des ABC-Abwehrregiments 750. In der Aufstellung des Verteidigungsministeriums sinkt die Zahl der Dienstposten von 1120 auf 590. Das allerdings ist nur der Stellenplan im Haushalt. Tatsächlich stationiert sind in Sonthofen aktuell 707 Soldaten, rund 400 bleiben langfristig. Sonthofens Bürgermeister Hubert Buhl, zeigte sich sehr froh, dass der Standort erhalten bleibt – „wenn auch etwas reduziert“. „Wir können mit der Entscheidung sehr gut leben.“

    Ulm: der Standort bleibt erhalten, verliert aber insgesamt 1100 Stellen.

    Füssen: Der Bundeswehrstandort Füssen bleibt erhalten.Zwar schrumpft die Zahl der Dienststellen auf dem Papier von gut 1600 auf knapp 1100. In der Realität jedoch beträgt das Minus offenbar nur 200 bis 300 Soldaten, da derzeit bei weitem nicht alle Dienststellen besetzt sind.

    AZ, dpa, dapd

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