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Skandal: Die unglaubliche Bahnfahrt eines 13-Jährigen

Skandal

Die unglaubliche Bahnfahrt eines 13-Jährigen

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    Hauptbahnhof München
    Hauptbahnhof München Foto: dpa

    Oma Maria hat am Sonntag Nachmittag schier der Schlag getroffen. Kurz nach 15.30 ruft ihr 13-jähriger Enkel Andreas, den sie um 14 Uhr in Freilassing in den Eurocity gesetzt hatte, an und sagt er stünde jetzt auf dem Münchner Hauptbahnhof.

    Er sei vom Schaffner mit anderen Fahrgästen aus dem Zug komplimentiert worden. "Alle, die nicht reserviert haben, mussten aussteigen", erklärte der Bub. Trotz gültiger Fahrkarte. Andreas war auf der Fahrt zurück in die heilpädagogische Förderschule am Bodensee, die er als Autist besucht.

    Er sei ganz ruhig gewesen, sagt die Oma. Er werde jetzt zum Infostand gehen und sich dort über weitere Zugverbindungen informieren, habe er verkündet. Eine viertel Stunde später habe er sich wieder gemeldet und erzählt, dass er jetzt im nächsten Intercity nach Ulm sitze und hoffe, seinen Anschlusszug nach Konstanz zu erreichen. "Andreas redet wie ein Buch", sagt Mutter Sabine, auch wenn seine Stimme stets monoton klinge. Er verfüge über einen großen Wortschatz. Bei Asperger Autisten sei dies aber keine Seltenheit.

    Am Sonntag ist alles gut gegangen, sind Oma Maria und Mutter Sabine froh. Der Bub war an diesem Nachmittag ruhig und ausgeglichen. Er hatte ein schönes Wochenende bei seinen Großeltern. Seit einem halben Jahr besucht er sie alleine einmal im Monat. Viele Male ist er die Strecke in Begleitung gefahren, die Fahrt ist trainiert.

    Er habe der Großmutter beim Kuchenbacken und Tischdecken geholfen - der Großvater hatte Geburtstag. Es könne allerdings passieren, dass der Bub "ausflippt", wie es seine Mutter nennt, wenn etwas nicht nach Plan läuft oder er sich in die Enge getrieben oder provoziert fühlt. Dann schlägt er um sich und kann beträchtlichen Schaden anrichten. Mit 1.76 Meter ist er groß für sein Alter.

    Allein am Kirchentag im Chaos des Münchener Hauptbahnhofs

    Da könne schon eine unbedachte Pöbelei wie "steh nicht so dumm rum" oder ein Rempler den Ausschlag geben, sagt die Mutter. Und das auf dem Münchner Hauptbahnhof, der ohnehin für das Kind sehr "unstrukturiert" sei. Sie hätte ihren Buben niemals alleine in München umsteigen lassen. Nicht an irgendeinem Tag und schon gar nicht an diesem Sonntag. Das war der letzte Tag des ökumenischen Kirchentags in München - über den Bahnhof hasteten dicht gedrängt Menschenmassen.

    Die Deutsche Bahn war am Montag nicht in der Lage zu klären, wie es zu diesem Vorfall hatte kommen können. Der Sprecher des Fahrgastverbands Pro-Bahn, Andreas Barth, allerdings fand es ungeheuerlich. Die Bahn musste damit rechnen, dass der letzte Kirchtentag-Tag ein "Chaostag" werden würde, die Züge voller sind als sonst, sagt Barth. Das sei keine Überraschung gewesen. Winfried Karg von Pro- Bahn sieht den Fehler bei der Bahn im System. Sie ist nicht flexibel genug, um auf Engpässe zu reagieren. Es stehen keine Ersatzwaggons oder -züge bereit.

    Pro-Bahn: Personal ist total überfordert

    Auch das Personal sei in der Klemme. Die Leute seien nicht auf Krisensituationen vorbereitet und oft überfordert. Sie bekämen Order "von oben" und müssten sie ausführen, ohne nennenswerte Verspätungen zu verursachen, so Karg. Unter diesem Druck komme es vor, dass die wichtigste Regel zu kurz kommt: Die Bahn darf keine Kinder und keine Fahrgäste zurücklassen, die hilfsbedürftig sind, so Barth. Besonders bei Kindern müsse die Bahn großzügig sein, sagt Barth und erinnert an die Fälle in denen Kinder ohne Fahrkarte auf halber Strecke regelrecht ausgesetzt wurden. Service sei beim Monopolisten Bahn nach wie vor ein Problem, sagt Karg. Da sei noch viel von der alten Bahn-Mentalität zu erleben. Von Ursula Ernst

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