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Simbach am Inn: Gedenken an die Opfer der Flut

Simbach am Inn

Gedenken an die Opfer der Flut

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    Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (rechts) und der katholische Bischof von Passau, Stefan Oster, beim Gedenkgottesdienst für die Flutopfer.
    Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (rechts) und der katholische Bischof von Passau, Stefan Oster, beim Gedenkgottesdienst für die Flutopfer. Foto: Armin Weigel/dpa

    Sterben Menschen eines natürlichen Todes, so ist das für die Hinterbliebenen oft erträglicher als ein gewaltsames Ende. Nicht aber, wenn es die Natur selbst ist, die mit Gewalt Menschen in den Tod reißt. Wie in der Flut-Katastrophe in Niederbayern. Sieben Todesopfer hat das Hochwasser gefordert. Das Wasser hat auch die Seelen überflutet. Doch in Simbach, der am schwersten getroffenen Gemeinde im Landkreis Rottal-Inn, erzählen sich die Menschen auch Geschichten der Freude.

    Da ist die Geschichte des Fotografen. Sein Objektiv, 5000 Euro wert, liegt auf dem Sofa, als das Wasser kommt. Es ist die Grundlage seines Berufs. Das Wasser strömt ins Haus - und trägt das Sofa, es schwimmt auf den für andere tödliche Fluten. Das Objektiv bleibt unversehrt. 

    Diese Geschichte erzählt der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Freitag nach seinem Gang durch Simbach am Inn. "Es hat mich sehr beeindruckt." Jene Menschen, die am schlimmsten betroffen sind, erzählten ihm von der Hoffnung. "Vor allem habe ich gehört, wie glücklich und dankbar die Menschen sind dafür, dass sie so viel Unterstützung, so viel Solidarität erfahren." In der Stadt, in der sieben Menschen den Tod in der Flut fanden, vier Frauen, drei Männer; in der viele ihre Wohnungen und ihr Hab und Gut verloren.

    Leid und Erleichterung

    Leid und Erleichterung, Trauer und Freude stehen in diesen Tagen nebeneinander nach der Überschwemmung, nach der Katastrophe: "Wasserfluten, die sich mit einer solchen Wucht mitten durch die Stadt gewälzt und dabei alles mitgerissen haben, was ihnen im Weg stand - und sich in alles hineingeflutet haben, was nur Wasser und Schlamm aufnehmen kann", sagt der Passauer Bischof Stefan Oster in seiner Predigt im ökumenischen Gedenkgottesdienst für die Opfer und Helfer der Flut in der Stadtpfarrkirche St. Marien. Maßlos sei die Zerstörungskraft gewesen, völlig willkürlich. 

    "Bewahre uns, Gott", singt der Chor, und: "Lass die Wurzel unseres Handelns Liebe sein". Die Kirchenbänke sind dicht gefüllt. Einige Reihen leuchten in Neon-Orange und Gelb-Rot - die Jacken-Farben der Einsatzkräfte. 

    Gegen 15 Uhr am 1. Juni reißt das Wasser eine Schneise durch die Stadt Simbach. 1500 Notrufe gehen in den ersten Stunden ein. 480 Menschen werden gerettet, wie Viktor Meißner sagt, der evangelische Pfarrer der Stadt. 150 aus unmittelbarer Lebensgefahr, aus der Luft, über das Wasser. Viele verlieren ihre Wohnung, viele sind in Angst. 

    In vielen Teilen Deutschlands bringen Unwetter unheil

    In vielen Teilen Deutschlands bringen Unwetter Ende Mai, Anfang Juni Unheil: Süddeutschland, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen. In Baden-Württemberg sterben vier Menschen, Dutzende werden nach einem Blitzeinschlag bei "Rock am Ring" verletzt, ein Tornado verwüstet Häuser in Thüringen.

    In der Ausnahmesituation sieht Bischof Oster gerade in der Reaktion der Helfer ein Hoffnungszeichen: "dass so viele Menschen von außen kommen, sich ein Herz fassen, um zu helfen". Um Schaufeln und Kübel und Handschuhe und Werkzeug mitzubringen, um Schlamm weg zu schippen.

    Er habe mit einem 82-Jährigen gesprochen, erzählt Oster, der vor einem halben Jahr seine Frau beerdigt, jetzt im Hochwasser sein Geschäft verloren habe. Er selbst stand bis zum Hals im Wasser. Der Mann habe gelacht, sagt Oster, und gesagt: "Mei, is des schee, dass so viele junge Leute helfen." 

    Und gerade Pfarrer Meißner zeigt auch selbst, was Tatkraft leisten kann. Die evangelische Gnadenkirche öffnete er für die Verteilung und den Verleih von 400 Trocknungsgeräten. 

    "Es begegnen einem Menschen, die vor dem existenziellen Aus stehen, die aber die Tage über angepackt haben", erzählt Reiner Fleischmann. "Obwohl sie teilweise aus Lebensgefahr gerettet wurden." Er war seit dem ersten Tag der Flut Malteser-Einsatzleiter, zusammen mit seinem Kollegen von der Notfallseelsorge. Das Aufräumen habe die Menschen stabilisiert. "Aber das hält natürlich nicht ewig. Jetzt, wenn sie dann fertig sind, beginnt das Warten. Und das Kopfkino." Psychisches, auch körperliches Leid, sagt er, folge oft aus den Traumata.

    "Wir sagen den Opfern, dass diese Reaktionen normal sind", sagt Einsatzleiter Fleischmann. Die Flut, die sei nicht normal gewesen.  "Die Menschen wurden doppelt überflutet, materiell und seelisch. Die Seele ist nicht so leicht aufzuräumen." dpa

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